Kapitel 3 - Der Auftrag

157 5 1
                                    


Es war offenbar viel zu lange her, dass ich Hvitserk in Person gesehen hatte, denn sein Anblick verschlug mir fast den Atem, als er aus seinem weißen BMW stieg, den er vor der Einfahrt meines Familienhauses in Søvang geparkt hatte.

Hvitserk trug schwarze Sneakers, eine dunkelblaue verwaschene Jeans, die ihm wirklich perfekt auf den Hüften saß, dazu ein helles Sweatshirt, welches er bis zu seinen Ellenbogen hochgeschoben hatte und trug auf der Nase eine schwarze Sonnenbrille. Seine langen dunkelblonden Haare hatte er wie immer in einem unordentlichen Man Bun am unteren Hinterkopf zusammen gebunden. Wie konnte man nur so unverschämt gut aussehen?

Ich saß auf der Treppe zu unserer Haustür und grinste ihn freudig an, als er durch die Vorgartenpforte ging und auf mich zuschritt.

Kurz bevor er vor mir zum Stehen gekommen war, nahm er in einer geschmeidigen Bewegung seine Sonnenbrille ab und lächelte mich breit an. Augenblicklich stockte mir der Atem. Nicht etwa, weil sein Gesicht so wunderschön war, sondern viel mehr, weil er unter dem rechten Auge ein violettes Veilchen hatte.

„Hvitserk!", sofort sprang ich auf und ging auf ihn zu. Meine Hände fanden seine Wange und strichen vorsichtig über die gefärbte Haut. „Was ist passiert?!"

Er wich mit seinem Gesicht aus und nahm meine Hand in seine, um sie zu senken.

„Nichts. Das ist nicht der Rede wert", versuchte er sich heraus zu reden.

„Dein Auge ist blau! Das ist wohl kaum nichts."

„Das geht wieder weg."

„Hast du dich geprügelt?"

„Ist beim Boxen passiert", sagte er und sah mir dabei nicht in die Augen. Ich wusste sofort, dass er mich anlog, doch ich harkte nicht weiter nach. Er wollte es mir offensichtlich noch nicht sagen. Vielleicht war es ihm peinlich. Und bevor ich überhaupt etwas darauf erwidern konnte, hob er seine Hände an mein Gesicht und bettete es kurzerhand zwischen seinen Handflächen, sodass ich ihm tief in die Augen sehen musste. „Ich hab dich vermisst, Sof'", und bevor ich den Satz erwidern konnte, senkte er seine Lippen auf meine nieder und küsste mich innig.

Plötzlich war sein Veilchen vergessen und ich verlor mich für einen kurzen Moment in dem Kuss. Er hatte mir auch sehr gefehlt. Das hier hatte mir sehr gefehlt. Sein Geruch, sein Geschmack, seine Berührungen. Auch wenn es zwischen uns und dem Rest seiner Familie momentan sehr angespannt war, konnte man die Liebe, die wir füreinander empfanden nicht leugnen.

Er löste sich von mir, gab mein Gesicht aber noch nicht frei.

„Gehst du mit mir ein Stück am Strand entlang?"

Ich nickte nur und Hvitserk ließ mich los, nur um meine Hand kurz darauf in seine zu schließen und gemeinsam mit mir auf die Straße zu gehen.

Still schweigend liefen wir nebeneinander her und steuerten das Meer an.

Ich fragte mich wirklich, was passiert war, dass er ein blaues Auge bekommen hatte. Hvitserk konnte sich super zur Wehr setzen. Es war eigentlich fast unmöglich, ihn zu erwischen. Und schon gar nicht beim Boxen. Selbst Ubbe hatte es kaum geschafft, ihn wirklich ernsthaft zu schlagen und er war schließlich Profiboxer.

Wir betraten den weichen Sand und gingen noch ein paar Minuten wortlos herum, bis er schließlich beschloss, stehen zu bleiben und sich auf den Boden zu setzen. Ich hockte mich neben ihn in den Sand, der sich von den paar Sonnenstrahlen etwas aufgewärmt hatte und folgte seinem Blick auf die offene See hinaus.

„Ich hab ganz vergessen, wie schön ihr es hier habt", flüsterte er.

Ich nickte und seufzte. „Ja, es ist ne andere Welt hier."

Vikings of Copenhagen | Teil II | - pausiert -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt