23. November 2013

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23. November 2013

Unter großen Schauspielkennern war der Name „Audrey Hepburn" sehr bekannt. Audrey Kathleen Hepburn-Ruston, die Schauspielerin gehörte in den 1950er und 1960er Jahren zu den führenden weiblichen Stars. Geboren wurde sie am 4. Mai 1929 in Belgien und starb sechs Wochen später an einem schweren Keuchhusten, konnte aber erfolgreich wiederbelebt werden. Jeder hatte ein perfektes Bild von Ms. Hepburn. Talentiert, hübsch, stark. Wer sie damals nicht kannte, lebte hinterm Mond! Ich persönlich kannte sie teilweise von meiner Mom und auch von meiner Audrey. Mom, genau wie Audrey kannten sie beide zufällig aus „Frühstück bei Tiffany". Ich wusste nur, dass es früher ein wohl sehr beliebter Film war. Ich weiß auch nicht. Hepburn war zwei Mal verheiratet, und hatte ein Kind aus jeweils beiden Ehen. Zwei Söhne. Trotzdem wussten wenige, dass sie vor der Geburt ihres ersten Sohnes, drei Fehlgeburten mitmachen musste. Es war nicht leicht für die Schauspielerin. 1992 wurde bei ihr Darmkrebs diagnostiziert. Sie wurde operiert und starb weniger als zwei Monate später. Sie war grade mal 63 geworden. Diese Audrey war im Gegensatz zu meiner einfach anders. Meine Audrey Hepburn war keine Schauspielerin, auch wenn sie es gerne geworden wäre. Das hätten die besten Schlagzeilen aufgebracht. Meine Audrey hatte noch keine Ehe, auch wenn ich bereit gewesen wäre eine mit ihr einzugehen. Audrey hatte auch kein Kind, sie war noch nie schwanger gewesen, soweit ich informiert war. Audrey war kalt, aber nicht stark, und das lernte ich erst nach ihrem Tod. Audrey starb nicht an Darmkrebs, sie starb an Liebe. Meine Audrey war neunzehn geworden. Und ich war ihr Todesgrund.

Mit geschlossenen Augen lauschte ich den weinenden Frauen zu und den Worten des Priesters. Zwischen meinen Füßen versuchte Bean es sich gemütlich zu machen. Er war leise, er bellte nicht. Bean war ein schlauer Hund, er wusste genau wo wir waren. Ohne ihn wurde Audrey vielleicht immer noch tot in ihrem Apartment liegen und nicht tot in einem Sarg. Es war erst nicht leicht für mich das zu verstehen. Es ist nun eine Woche her seitdem sie tot aufgefunden wurde und paar Stunden später wurde Bean dann an mich gereicht. Ich konnte zwei Tage nichts essen und trank nur Wasser. Ich wollte kein Alkohol trinken, da ich wusste wie sehr es Audrey hasste. Ich wollte ihre Seele nicht beunruhigen. Ich liebte sie zu sehr. Nach wie vor konnte ich mich aber nicht dran gewöhnen, dass sie weg war. Es ist unmöglich mein Leben ohne Audrey zu führen, denn sie war doch mein Leben. Mein Ein und Alles. Mit ihr war ich vollkommen. „So traf viele unter Ihnen die Nachricht von ihrem Tode völlig unvorbereitet. Sie sind fassungslos, es ist auch noch nicht wirklich zu begreifen, dass sie nicht mehr so unter uns lebt, wie wir alle sie erlebt und geschätzt haben – in unterschiedlicher Distanz und Nähe, in unterschiedlichen Rollen." Ich sah rüber zu Audrey Familie. Zu ihrer Mutter die nicht aufhören konnte zu weinen. Man sah ihr an, sie verkraftete es genau so wenig wie wir alle. „Wir teilen gemeinsam die tiefe Trauer darüber, dass sie nicht mehr unter uns ist und fühlen zugleich die besondere Bedeutung, die für uns der Kontakt zu Audrey hatte und hat." Ich sah zu Allegra und Nick, die sich auch herbekommen haben. Allegras Gesicht war in Nicks Brust verschwunden, und sie zitterte am ganzen Leibe. Nicks Blick wich traurig zu mir. „Durch unsere so überaus zahlreiche Anwesenheit zeigen wir unsere Verbundenheit mit ihr, die über diesen Tag des Abschieds hinausgehen wird und wir möchten in der gemeinschaftlich vorbereiteten und gestalteten Feier, einen würdevollen Abschied ermöglichen und denken dabei an das, was Audrey schätzte." Ich konnte das nicht mehr. Mit Bean in den Armen ging ich rüber zu Nick und Allegra. „Nick, könnt ihr auf ihn aufpassen. Ich halte es hier nicht aus", flüsterte ich leise, ohne den Priester bei seiner Rede zu stören. „Okay, gut, geh schon!", erwiderte Nick und setzt Bean auf sein Schoß. Allegras Augen sahen mich an. „Alles okay?", fragte ich sie und umarmte sie. „Alles wird gut", murmelte ich und küsste Allegras Stirn. Ich schlug bei Nick ein. „Ich ruf an", informierte ich ihn. Nicholas nicke. Und ich streichelte Bean noch kurz über den Kopf, ehe ich zu meinem Wagen rannte. Ich konnte es nicht mit ansehen und noch nie konnte ich auf Beerdigungen gehen. Auf Audrey sowieso nicht. Während ich den Wagen startete, fragte ich mich warum sie mir nichts hinterlassen hatte. Keine Nachricht, kein Anruf, gar nichts. Nicht mal ein Anklang von einem Abschiedsbrief. Ihren Todesgrund wusste ich auch nicht wirklich. Doch alle behaupteten, Audrey hätte Depressionen gehabt, doch wenn sie diese tatsächlich gehabt hätte, hätte ich es doch gemerkt, oder? Ich kannte Audrey und sie war keiner der Mädchen die sofort Depressionen bekommen und sich das Leben nehmen würden. Sie war es einfach nicht. Doch trotzdem war sie nicht mehr am Leben. Meine Gedanken fuhren mich an Audreys und meinen Lieblingsort. Die hohen Zäune die alles um den Stratford See und dessen Natur absperrte. In paar Montanen würden sie anfangen zu bauen. Der alte Friedhof, an welchem sich nun Audrey Beerdigung abspielte sollte hier her verlegt werden. Audrey würde hier ihre Ruhe finden. Da bin ich mir sehr sicher. Ich war schon am Zaun angekommen. Sah nach links und rechts, niemand war zu sehen und kletterte somit den hohen Zaun hoch, um auf der anderen Seite auf den Füßen zu landen. Ich atmete ein, aus und plötzlich holten mich unsere Erinnerungen wie ein Schlag ein. Unsere erste Begegnung. Unser erstes Date. Unser erster Kuss. Unser erster Streit. Unser erstes und letztes Ende. Mein Blick richtete sich auf den See. Genau so friedlich wie am ersten Tag an dem ich her kam. Ich hatte ein komisches Gefühl im Magen. Ich konnte es nicht beschreiben, doch es schrie danach gestillt zu werden. Als würde in meinem Bauch etwas auf und ab springen, quengeln und schreien. Mir wurde schlecht. Ich spazierte den kleinen Weg am Teich entlang, bis ich eine Bank erblickte auf die ich mich ruhte. Das Gefühl im Magen verschwand auf einmal. Ich schloss die Augen und legte meine Hand neben mein Bein auf die Bank. Schlagartig riss ich meine Augen auf, als ich etwas Blattartiges unter meiner Hand spürte. In großen Buchstaben stand mein Name in Audreys Schrift auf dem Zettel. Ich öffnete den Zettel und mir kam ein langer Brief entgegen.

Justin,

wie es scheint hast du meinen „Abschiedsbrief" gefunden. Ich will ihn nicht so nennen, weil Abschiedsbriefe öfters im Leben in schlimmere Kategorien einsortiert werden. Abschiedsbriefe werden eigentlich immer mit Depression verbunden, welche ich aber nicht habe und auch nicht haben möchte. Deshalb frage ich mich, wer sich erlaubt hat es Abschiedsbrief zu nennen? Ich möchte es so nicht nennen. Für mich ist dieser Brief die Ankündigung zum Ende meines Spieles. Du fragst dich wahrscheinlich warum ich noch immer mein Spiel spiele und warum ich, trotz der Tatsache dass ich tot bin, immer noch so gut spiele. Dennoch fragst du dich, warum ich aufhöre zu spielen. Stimmt's? Hast du schon mal einem Künstler seinen Pinsel geklaut? Ohne den Pinsel ist er ein Nichts, und kann seiner Kreativität keinen freien Lauf lassen. Ich bin ohne meine Spiele ein Nichts, und kann meiner Kreativität keinen freien Laut lassen. Und hast du schon mal einen Künstler in Rente kennengelernt? Ich schon und als ich ihn frage, warum er seinen Traum aufgab, antwortete er: „Es wird der Zeitpunkt im Leben kommen, wo dich nur noch deine Künste lieben, wenn du dich in deine Träume verliebst."  Aber ich muss dir beichten, Justin, mit dir zu spielen, war ein beschissenes Spiel, und deshalb muss ich mich aufrichtig bei dir entschuldigen. Dafür, dass ich dir mehre Male das Herz gebrochen hab, und mich auf deine Kosten bespaßt hab. Es vor allem bewusst getan hab. Ich wusste, ich tue dir weh, doch tat es trotzdem immer wieder. Du warst in meinem Teufelskreis gefangen, und das tut mir leid. Aber das, genau das ist meine Art. Ich bin kalt, ein eiskalter Mensch. Die verhasste Eiskönigin aus Filmen, oder Kindefilmen. So eine bin ich, und du wusstest worauf du dich einlässt, als du die Gefühle für mich akzeptiert hast. Ich wurde kaltherzig geboren, doch bin liebevoll gestorben. Ich bin voller Gefühlen und Liebe gestorben. In meiner Welt warst, bist und bleibst du das Tor zu Liebe. Doch das alles, was mir eher weniger bekannt vorkam, hielt ich nicht in meiner Haut aus. Das war eine Person an die ich mich zwar gewöhnen wollte, aber konnte es nicht. Ich bin nicht ich, wenn ich liebe. Aber ich war ich, als ich mich durch dich ich selber gefühlt hab. Ich war ich, als ich mit dir in meinem Bett lang und wir uns Zuneigung zeigten. Ich habe es geliebt. Ich habe es geliebt dich zu küssen und von dir zu hören, dass deine Liebe zu mir unbesiegbar ist. Und weißt du was ich insgeheim noch geliebt habe? Dich. Justin Drew Bieber, ich habe dich geliebt. Du warst die erste Person, die mich so genommen hat wie ich bin. Du hast mich und meinen Charakter akzeptiert und hast dich sogar in mich verlieben können. In eine kaltherzige Person. Du hast mich so begeistert, dass das Eis um mein Herz herum geschmolzen ist. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals verlieben würde, oder in erster Linie überhaupt könnte und ich hätte nie gedacht, dass Liebe mein Todesurteil wird. „Warum?" Ich weiß, dass du dich das immer noch fragst. Egal wie sehr ich dich liebe, ich kann mir nicht verzeihen, wie ich dir wehgetan habe, wie ich dich benutzt und angezickt habe. Und ich kann mir auch nicht verzeihen, dass ich gegen meine eigenen Spielregeln verstoßen habe. Ich habe dich geliebt, ich schloss mit lautgeschlagenem Herzen und unkontrolliertem Atem das Jahre alte Tagebuch und sah zu Boo und Miles. Boos Augen waren rot von dem weinen und Miles war blass geworden. Boo atmete laut aus. „Weiß Mama von ihr?", fragte sie und sah mich an. Ich nickte. „Wow, ich wünschte ich hätte sie kennengelernt", sagte meine eigen Fleisch und Blut. „Sie war cool, irgendwie. Hätte sie gerne als Tante gehabt", murmelte Miles, woraufhin Boo zustimmend nickte, was mich zum schmunzeln brachte. „Sie hätte euch gemocht, Kinder." Ich stand auf und legte das Buch auf die Ablage über dem Kamin. „Kommt wir kochen was für eure Mom, bevor wir sie aus dem Krankenhaus abholen, zusammen mit eurem neuen Geschwisterchen." Ich grinste und schon sprinteten die beiden vierzehnjährigen Zwillinge voran. Ich warf einen letzten Blick auf das Buch, doch wendete ihn dann ab und verließ das Wohnzimmer. 


Audrey » bieberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt