Kapitel 3

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"Hört keiner deinen Ruf, so geh dennoch allein. Und wagen sie nicht bei stürmischer Nacht ein Licht hochzuhalten, dann zünde du dein Herz trotz Schmerz an und werde selbst zum Lichtfeuer." - Rabindranath Tagore

Hoseok war sich bewusst, dass auf der Welt schlimmes passierte, Böses die Welt beherrschte, doch er erinnerte sich immer daran, dass es niemals eine Welt geben könnte, in welcher es nur Gutes geben wird, und kein Schlechtes. Sowas gab es schlichtweg und ergreifend nicht.

Der junge Soldat, welcher das Brutale in der Welt schon oft ins Auge geblickt hatte, fand es nicht schrecklich, sondern natürlich.
So komisch es auch klingen mag, so herzlos es in den Augen anderer Menschen auch war, hatte er sich damit abgefunden, dass die Welt kein Friede- Freude- Eierkuchen und alles wie durch einer rosaroten Brille zusehen war.
Aber genau diese Erkenntnis fehlte Jimin, der mit zittrigen Knien die ersten Schritte Richtung Gleis ging.
Seine Hand schaltete das Bildschirm des Handys aus, welches ihm die Uhrzeit zeigte, die quälend langsam verstrich. Es waren nur noch vier Minuten, die ihm blieben, aber er wusste nicht, was er mit diesen letzten Minuten anstellen sollte.

Sollte er seiner Familie schreiben?
Ihnen sagen, dass er sie liebte und immer lieben wird?
Oder sollte er lieber stillschweigend warten? Nichts tun, während er sich an all die schönen Momente in seinem Leben erinnerte, die er in welligen Minuten nichts dahin schmeißen wird. Eine Verschwendung, in seinen Augen, schließlich musste seine Mutter ihn neun Monate lang unter Schmerzen in ihrem Bauch tragen, um ihm das Leben zu schenken und was macht er damit? Sein in neun Monate gemachtes Leben in wenigen Sekunden zu beenden.
Eine Träne kullerte bedächtig seiner linken Wange hinab, erzeugte eine nasse Spur, die bis zu seinem Kinn führte.
Noch nie in seinem Leben war sich Jimin so sehr in einer Sache bewusst, wie in dieser.

Er wollte nicht sterben.

Jimin wollte diese Welt nicht verlassen, doch er hatte das Gefühl, dass die Gesellschaft, ja die ganze Welt seinen armen Verstand dazu drängte, diesen erschreckenden Schritt zu gehen.
Wie konnte er denn mit einem Lächeln auf seinen Lippen jeden Morgen aufstehen, wenn er doch wusste, dass in anderen Ländern die Menschen so abscheulich leiden müssen, mit so einer Ungerechtigkeit leben müssen?

Nein, Jimin wollte beides nicht. Weder leben noch sterben, doch was sollte er denn bloß tun?! Was sollte er tun, damit er nicht zu egoistisch und auch nicht zu selbstlos war? Der Gedanke seine Familie so zu verletzten, raubte ihm den Atem und schickte Schmerzwellen dich seinen ausgelaugten Körper, doch gleichzeitig verbreitete sich ein Druck auf seiner Brust, wenn er daran dachte, weiterhin auf dieser Welt leben zu müssen, die ihn in den Wahnsinn getrieben hatte.

„Hey, pass auf. Gleich fällst du runter!"

Die Stimme des fremden Mannes stach in seine nahezu tauben Ohren und ließ ihn erschrocken zusammen zucken. Mit leicht aufgerissenen Augen, wendete sich der Blondhaarige, der vor kurzem erst 20 wurde, zu der Quelle und erkannte den Soldaten, der mit einem kritischen Blick von seinem Handy aufgeschaut hatte und ihn fast mit seinen Augen erstach.

Wer sagt denn, dass ich es nicht will?

„Oh, entschuldigen Sie bitte."
Jimin verbeugte sich leicht, nahm schweren Herzens wieder Abstand vom Rand des Gleises.
„War heute ein sehr anstrengender Schultag, wissen Sie?"

𝕃𝕚𝕘𝕙𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕊𝕙𝕒𝕕𝕠𝕨// 𝕁𝕚𝕙𝕠𝕡𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt