Kapitel 5

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"Wer das Licht sehen will wie es ist, muss zurückweichen in den Schatten." - Hans Magnus Enzensberger, Gedichte

Doch es kam nicht so, da er sich im nächsten Moment auf dem steinigem Boden befand, die U-Bahn an ihm vorbeifahrend, ohne anzuhalten und diese warmen Augen über ihn, die sich mit Schock tief in seine leeren starrten. Der Atem des Größerem ging schnell, der Griff um Jimins Arm, mit dem er den Blonden vorm Tod gerettet hatte, war schmerzhaft fest und krampfhaft. Hoseok kniete neben ihn, in einem sicheren Abstand zum Gleis, doch konnte sich noch nicht dazu überwinden den Jüngeren loszulassen, denn der kleine Schock setzte seine Nerven noch viel zu sehr zu.

„Was sollte das?" war das Einzige, was Hoseok im Stande war zu sagen. Den Unterton von Fassungslosigkeit konnte er im wahrsten Sinne des Wortes nicht unterdrücken. Sein Blick galt Jimin, welcher nichts anderes tun konnte, als regungslos auf dem kalten Boden zu liegen und seinen freien Arm über seine Augen zu drücken, denn die Tränen warteten nicht auf einen passenden Zeitpunkt, sondern flossen aus seinen Augenwinkel wie rauschende Bäche. Ein verzweifeltes Schluchzen nach dem anderem entfuhr seinem trockenem Mund, obwohl er fest auf seine Lippe biss, um sie zu unterdrücken.

Keinen klaren Gedanken war ihm möglich zu erfassen, kein Gefühl konnte er nennen, denn es war ein Chaos in ihm, welches sein gebrochenes Inneres einfach nicht standhielt.

Wie ein kleines Kind drehte er sich auf die Seite, zog seine Beine an seinen Oberkörper an und vergrub sein tränennasses und gerötetes Gesicht in seinen Händen. Dass er seine verletzte und gebrochene Seite einem völlig Fremden zeigte, war Jimin in diesem Moment mehr als nur nebensächlich, schließlich galten seine Gedanken vielen anderen Dingen.
Wie zum Beispiel die Erkenntnis, dass er es nicht geschafft hatte, sich das Leben zu nehmen.
Ein Gefühl der puren Erleichterung beflügelte für den Bruchteil einer kleinen Sekunde sein Herz und ließ es einmal kräftig und schmerzfrei schlagen, doch es brauchte nicht lange, als ganz plötzlich die Gewalt zurück kam, welche sein armes Herz förmlich zerquetschte.
Jimin musste weiterhin auf dieser Welt leben. Weiter dem Leid ins Auge blicken, weiterhin damit leben, als wäre es selbstverständlich.

Und dann erklomm die Wut seinen Körper. Wut auf den Soldaten, welcher sich freiwillig zur Aufgabe genommen hatte, sein Leben zu retten.
Wieso? Warum konnte der Soldat nicht später kommen, damit Jimin endlich seinen Frieden haben konnte? Was war der Grund, dass es ihm nicht vergönnt war? Hatte er etwa nicht schon genug gelitten?
Wie gelähmt lag Jimin weiterhin auf den Boden. Die plötzliche Wut war schon lange verflogen.

Und auch Hoseok konnte nichts anderes tun, als einfach sitzen zu bleiben und dem Blondhaarigem seinen ganzen Schmerz raus zu lassen, in Form von dicken salzigen Tränen. Seine Augen verweilten auf dem elendigen Häufchen, glitten dann aber zu seinem Handgelenk, bei welchem der 26 Jährige einen weißen Verband erkennen konnte, der nur leicht hervor lugte.

Kurz schluckte der ältere, als er eins zu eins zusammen zählte.
Es war nur eine Frage die ihm im Kopf herum schwirrte.

Warum?

Hoseok konnte es nicht verstehen, konnte sich, trotz seines Empathievermögens, nicht in all die Menschen hinein versetzen, die sich ihr kostbares Leben nahmen. Jedes Mal scheiterte er daran, genau so wie dieses Mal, als er seine Hand bedächtig auf die bebenden Schultern Jimins legte. Was hatte diesen Jungen so sehr gebrochen?

𝕃𝕚𝕘𝕙𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕊𝕙𝕒𝕕𝕠𝕨// 𝕁𝕚𝕙𝕠𝕡𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt