Kapitel 4

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Ich würde sagen der heutige Tag geht in die Geschichte ein als der, an dem ein Feuerlöscher zum besten Verteidigungsmittel wird.
Zunächst schien unser Plan gut zu funktionieren.
Wir konnten die Wachen vor der Tür überwältigen.
Ich wäre zu nett, wenn ich behaupten würde, dass Minho sie gemeinsam mit einem anderen kräftigen Jungen sanft ins Land der Träume geschafft hätte.
Jetzt war es leider so, dass uns nicht nur ein kleines Zeitfenster im Weg stand,  sondern direkt zwei.
Ich hoffte, dass sie nicht sofort aufwachen würden, nachdem wir sie dazu gebracht haben die Tür zu öffnen und sie dann gemeinsam überwältigt hatten.
Wer weiß, vielleicht würden sie ja auch aufwachen und denken, dass sie von der Diskutiererei über Soßenflecken ohnmächtig geworden sind.

Wir sprinteten  so gut es ging durch unbenutzte Gänge und rannten Richtung alte Gebäudekomplexe. Ich hoffte einfach, dass dort am wenigsten los war.
Die Hose, die ich von den Jungs bekommen hatte, war ein Segen. Sie war zwar um einiges zu groß, aber der Gürtel, den ich von Newt bekommen hatte, glich das wieder aus.
Schuhe waren mir weiterhin vorenthalten, da sie zu groß waren und deswegen war ich auch die einzige, die weiterhin wie eine Irre du die Gänge lief.

„Wo lang jetzt?", fragte Newt. Wir blieben an einer Kreuzung stehen. Ich überlegte einen Moment und versuchte mir die Gänge wieder in Erinnerung zu rufen. „Ich würde sagen am besten da..."
Mein Satz wurde unterbrochen, von Sirenen die anfingen loszuheulen.
...lang. LAUFT!"
Jetzt wurden alle von der Angst gepackt. Keiner von uns wollte diesen Typen ein weiteres Mal in die Finger laufen. Wir wollten frei sein. Unser eigenes Schicksal bestimmen.
Newt blickte mich mit panischen Augen an. Ich versuchte so beruhigend zu lächeln wie möglich, aber das gelang mir im Laufschritt dann doch nicht so gut.

Wir schnitten Gänge, die sich langsam mit verwirrten Wissenschaftlern füllten.
Die Jungs schubsten sie weg und machten uns so den Weg frei.
Ich merkte, dass wir nicht mehr viel zum Ausgang laufen mussten. Das hätte man aber auch ohne Gebäudeplan erahnen können. Die Sicherheitsmaßnahmen waren hier drastisch verschärft. Man merkte, dass sie einen hier nicht so leicht rauslassen wollten.
(Erst später würde ich erfahren müssen, dass sie nicht uns daran hinderten rein zu kommen, sondern sich vor etwas schützten, was draußen herumlief).
Als wir um den nächsten Gang liefen, knallten wir in die Arme von Sicherheitsleuten. Einer packte mich und umklammerte mich mit seinen riesigen Oberarmen. Er drängte mich gegen die Wand, aber ich schaffte es mich mit den Füßen an dieser abzustoßen. Er verlagerte sein Gewicht nach hinten und stolperte. Für einen kurzen Moment setzte bei ihm Verwirrung ein und er ließ mich los.
Den Moment nutzte ich, um aufzustehen und mir den Feuerlöscher auf der anderen Seite zu schnappen.
Als er wieder aufstand und sich zu mir umdrehen wollte, zog ich ihm mit dem Ding eins über den Schädel. Er plumpste zusammen wie ein Sack Kartoffeln.

Eilig blickte ich mich um und entdeckte Minho der mit dem Kräftigsten von allem rang.
„MINHO HIER!", ich warf ihm den Feuerlöscher in dem Moment zu, in der er sich zu mir drehte.
Geschickt fing er ihn auf und nutzte es als Angriffswaffe. Binnen weniger Sekunden hatte er seinen Gegner ausgeschaltet.
Er kam zu mir. „Danke", zwinkerte er.
Wir sahen uns um. Die restlichen Jungs hatten die übrig gebliebenen Sicherheitsmänner soweit bewegungsunfähig gemacht. Manche Jungs hatten es geschafft den Sicherheitsleuten ihre Waffen abzunehmen und ihnen damit eins übers Ohr zu ziehen.
Lange verschnaufen konnten wir allerdings nicht, denn die Tür, vor der wir standen, war kurz davor sich zu schließen.
Schnell schlüpften wir hindurch, aber dahinter erwartete uns auch schon die nächste Überraschung.

Vor uns stand ein Mann, der kaum größer war als ich. Er hatte ein langes, schmales Gesicht, spitze Lippen und eingefallene, graue Augen. Sein Bart und sein gemeines Lächeln verliehen ihm einen unangenehmen Touch.
Seine Kleidung repräsentierte das, was er mit seinem schelmischen Blick ausstrahlte:
Macht.
Sein Gesicht allerdings glich dem einer Ratte und das stand in Kontrast zu seiner gesamten Person.
„Ich nehme an euch missfällt unsere Gastfreundschaft. Wäre es denn wohl nicht besser gewesen dankend abzulehnen, anstatt einfach unsere Sicherheitsleuten umzunieten? Ich meine wir hätten euch aus dem Labyrinth natürlich nicht retten müssen, aber wir haben es gemacht, weil wir gegen A.N.G.S.T. arbeit..."

„Halten Sie die Klappe!", fauchte ich.
Wo ich den Mut auf einmal hernahm, wusste ich nicht.
„Sie haben uns nicht vor A.N.G.S.T. gerettet...sie SIND A.N.G.S.T.! Sie wollen uns nur weiterhin für ihre Experimente ausnutzen."
Statt sich aufzuregen, dass ich ihn unterbrochen habe, lächelte er verlegen.
„Ich gebe zu, ich hätte nicht damit gerechnet, dass du uns so schnell entkommst. Das hat einige unser geplanten Experimente durcheinandergebracht. Aber keine Sorge wir haben noch viel mit euch vor."

Thomas stellte sich neben mich. Er ballte seine Hände zu Fäusten und knurrte: „Gar nichts haben sie vor! Ich habe ihnen einmal das Handwerk gelegt und ich werde nicht zögern dies wieder zu tun."
Er schien sich über uns zu amüsieren. Rattenmann machte einen Schritt nach vorne und öffnete leicht seine Arme.
„Thomas...selbst wenn ihr all meine Sicherheitsleute überwindet... ihr kommt hier nicht raus. Wir haben die äußeren Schleusen mit einem Sicherheitsprogramm und spezieller Stromversorgung verschlossen. Hier kommt niemand mehr raus. Nicht solange ich dieses mit meinen Fingerabdruck und meinen persönlichen Codes reprogrammiere und neu starte.
Die einzige andere Möglichkeit wäre unser komplettes Betriebssystem zurückzusetzen und runterzufahren.
Und lasst mich versichern. Diejenigen, die das Wissen dazu haben, lassen sich lieber erschiessen, als das zu tun."

Zunächst grinste er gefällig. Er wusste, dass er gewonnen hatte. Bis hier würden wir kommen und nicht weiter.
„Ihr könnt es euch aussuchen. Ihr kommt freiwillig mit zurück oder wir schießen jetzt mit Betäubungspfeilen auf euch."
Thomas setzte zu einer weiteren Antwort an, aber dann geschah etwas seltsames.
Mit einem dumpfen Geräusch gingen alle Lichter aus. Kaum eine Sekunde später ging alles wieder an, aber es hallte der Ton einer wirklich gespenstisch klingenden Sirene durch die Gänge. So als würde man eine normale Sirene rückwärts laufen, aber immer höher spielen lassen.

„Leute seht nur!" Ich verfolgte, wie hinter Rattenmann die Tür aufging und sie den Blick auf eine wüstige Landschaft freigab.
Die Jungs, die den anderen Sicherheitsleuten die Waffen abgenommen hatten, reagierten schneller.
Sie schossen in Richtung Tür, die von Rattenmann und seinen Sicherheitsleuten blockiert wurde.
Die Waffen waren wahrscheinlich auch mit Betäubungsmitteln beladen, denn diejenigen, die getroffen wurden, sackten sofort zusammen.
Rattenmann versuchte natürlich seinen eigenen Arsch zu retten, indem er sich hinter einer Wand versteckte, aber trotzdem befahl er, wem auch immer, uns aufzuhalten.
Das Problem war nur, da war keiner mehr, der uns aufhalten konnte.
Minho und Thomas lotsten uns Richtung Ausgang. Ich rannte dicht hinter ihnen, aber dann blieb ich abrupt stehen. Ein Typ hinter mir rannte in mich rein.
Ich forderte ihn auf mir die Waffe zu geben. Er sah mich fragwürdig an, aber ich bestand darauf.
Er überließ sie mir und rannte weiter.
Ich stattdessen rannte zurück zu der Wand an der sich Rattenmann versteckte.
„Steh auf!" Ich zielte mit der Waffe auf ihn.
„Hilfe!", schrie er.
Ich zog ihn an seinem Mantel hoch und drückte ihn gegen die Wand. Die Waffe drückte ich fest gegen seine Brust. „Dir wird keiner helfen", knurrte ich,"und jetzt zieh deine Schuhe aus."
„Wieso sollte ich..."
„ZIEH DEINE SCHUHE AUS! Ansonsten schieß ich dir in die Brust und hol sie mir selber."
Er schnaubte auf. Widerwillig bückte er sich und gab mir seine Schuhe.
Er drückte sie mir in die Hand und erwartete, dass ich ihn losließ.
Einen Moment zögerte ich, aber dann schubste ich ihn von mir weg und rannte Richtung Ausgang.

Gerade als ich die Jungs draußen erreichte, sah sich Thomas panisch um und rief meinen Namen.
„Natasha!!!"
Ich quetschte mich an den Jungs vor mir vorbei und trat nach vorne.
Thomas Blick verwandelte sich sofort in Erleichterung.
„Wo warst du?"
Ich grinste. „Ich war noch kurz auf Shopping-Tour."
Er blickte auf die Schuhe in meiner Hand.
„Sind das...die Schuhe von dem seltsamen Typen?"
Statt einer Antwort bekam er nur ein Zwinkern von mir.
Minho funkte dazwischen. „Na gut, jetzt wo wir frei sind, sollten wir gucken, dass wir schleunigst wegkommen. Sonst hängen die uns wieder im Nacken."
„Das lass ich mir nicht zweimal sagen."

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