Kapitel 6

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Natasha P.o.V.

"Hey schau mal, das könnte dir doch passen!", witzelte ich und wedelte mit einer knallroten Jacke Richtung Newt. Er drehte sich um und verdrehte schnell die Augen. Daraufhin näherte er sich mir bedrohlich langsam, bis er direkt vor mir stand. Ein paar Sekunden herrschte zwischen uns komplette Stille und ich befürchtete schon, dass er meinen Witz vielleicht doch nicht so witzig fand, aber dann nahm er mir die Jacke aus der Hand und sagte: "Auf der nächsten Fashion-Week vielleicht." Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem schelmischen Grinsen. Er fügte hinzu: "Unter anderen Umständen wäre ich nicht abgeneigt diese Jacke zu tragen, aber wenn wir in einer Wüste unterwegs sind, während wir aller Voraussicht nach verfolgt werden, wäre es sicherlich nicht die schlauste Idee, wie ein bunter Vogel rumzulaufen. " 

Ich schmunzelte:  "Sicher." In einer eleganten Bewegung drehte ich mich zum nächsten Kleiderständer und warf ihm eine beige Jacke zu, die ich dort erblickte. "Und wie ist es damit?" "Schon besser", erwiderte er, "aber du solltest endlich anfangen Klamotten für dich zu suchen." 

Das tat ich dann auch und nach einer halben Stunde Stunde war ich ausgestattet mit einer olivgrünen Cargo Hose, einem schwarzen T-Shirt und einer braunen Lederjacke. Die Lederjacke ergatterte ich in dem Geschäft daneben, welcher ausschließlich Lederprodukte im Sortiment hatte. Dort fand ich endlich auch ein eigenes paar Schuhe aus echtem Wildleder und konnte die Schuhe von Rattenmann loswerden. Newt hatte auch noch ein, zwei Teile gegen bessere eingetauscht. 

Da ich jedoch immer noch "sockenlos" war, versuchte ich es noch bei einem Laden, der dem Anschein nach mal Unterwäsche für Damen verkaufte. Er war ziemlich pink, was zu dem Rest des trostlosen Flughafen ein echter Kontrast war. Newt begleitete mich zwar auch in den Laden, aber ich hatte das Gefühl, als würde er sich hier eher unwohl fühlen. Zu seinem Glück hatte ich schnell ein paar Socken gefunden und schlüpfte sofort hinein. Nach einer gefühlten Ewigkeit fühlte ich mich endlich mal wieder wohl in meiner Kleidung. Die Lederschuhe erinnerten mich ein bisschen an diejenigen, die ich im Labyrinth getragen hatte. Automatisch musste ich daran denken, wie ich mich fühlte, als ich mich für die anderen opferte. Ich wusste dort nicht, dass sie abermals mit uns spielten. Mir fiel Thomas trauriger und verletzter Blick ein, als er erkannte, dass ich es ihm die ganze Zeit verschweigen hatte. Sein entsetzter Gesichtsausdruck, als er dachte mich für immer verloren zu haben.

Schnell wischte ich den Gedanken beiseite. Zwar war jetzt immer noch nicht alles perfekt, aber immerhin waren wir nicht mehr in den Händen von A.N.G.S.T. Außerdem hatten wir uns. 

Ich stopfte zwei Paare Ersatzsocken in den Rucksack, den ich auch in diesem Laden gefunden hatte.  Er hatte zwar einen neonpinken Streifen, der nicht ganz unauffällig war, aber es passte viel rein und er war angenehm auf den Schultern. Ich blickte zu Newt und signalisierte ihm, dass ich fertig war. Er kam zu mir rüber und deutete auf die andere Seite der Geschäfte. "Guck mal, da gibt es einen alten Coffeeshop. Vielleicht haben die noch was brauchbares zu essen. Sollen wir mal nachschauen?" Ich nickte: "Ja, ich habe fürchterlichen Hunger. Etwas zu essen wäre super." 

Daraufhin huschten wir auf die andere Seite in den Coffee-Shop. Im Gegensatz zu den Klamottenläden merkte man, dass sich hier auf einigen Gegenständen der Staub abgesetzt hat. Die Kaffeemaschine schien schon länger nicht mehr in Betrieb zu sein. Die Pappdeckel und Becher lagen auf einer Anrichte verteilt. Manche von ihnen schienen auf den Boden gefallen zu sein. Ein Aufsteller mit Zeitschriften und Magazinen war auch umgefallen oder war umgeschmissen worden. Ich machte mir nicht die Mühe ihn aufzuheben. Stattdessen ging ich geradewegs auf das Regal dahinter zu, auf dem es haufenweise Süßigkeiten und verpacktes Gepäck gab. Ich stopfte meine Tasche mit allem möglichen Zeug voll und warf drei Wasserflaschen vom danebenstehenden Kühlschrank mit rein. Die vierte öffnete ich sofort und trank sie in einem Schluck leer. Ich hatte gar nicht gemerkt wie durstig ich war. Dann stopfte ich mir zwei belgische Waffeln in den Mund, die in Plastik verpackt waren. Das stillte erstmal den größten Hunger. Zurück bei den anderen, würde ich dann in Ruhe noch was essen. Die Waffeln jedoch waren schon etwas trocken, weswegen ich mir noch eine Cola-Dose öffnete und sie damit runterspülte.

‎Wenig später stießen wir wieder zu den anderen. Viele ruhten sich aus, andere wiederum saßen zusammen und aßen etwas von ihren gesammelten Vorräten. Ich ging zu Thomas und gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange. Ich hielt ihm eine belgische Waffel hin. "Möchtest du?", fragte ich. Er lächelte mir warm entgegen. "Gerne." Vorsichtig zog er die Waffel aus meiner Hand und öffnete sie. Eine ganze Weile schien er daran zu essen. Er aß die Waffel so langsam, dass ich mich irgendwann fragte, ob sie ihm nicht schmeckte. Als ich ihn schon fragen wollte, ob etwas mit der Waffel nicht stimmte, drehte er sich mit verträumten Gesicht zu mir um und sprach kaum hörbar: "Weißt du... ich kann mich vielleicht nicht an meine Kindheit und meine Mutter erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie damals gerne gebacken hat. Und dieses kleine Stück belgischer Waffel.... ich weiß nicht warum, aber es erinnert mich irgendwie an sie. Es schmeckt genauso als hätte sie es damals für mich gebacken. Wahrscheinlich ist es längst nicht so frisch und weich, aber dennoch... die Waffel scheint mir ein kleiner Blick in die Vergangenheit zu sein. ‎

Ich antwortete nichts. Ich lächelte ihn einfach nur an und streichelte ihm mit der Hand über den Rücken. Er lächelte zurück. In seinen Augen sah ich, dass er den Moment genoss, auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch nicht die besten Aussichten hatten. "Möchtest du vielleicht die restlichen Waffeln auch haben?", fragte ich, "ich habe noch ein paar im Rucksack.                     Er schüttelte daraufhin den Kopf. "Nein. Die Erinnerung hier darf ruhig etwas besonderes bleiben."  "Okay." Eine Weile genossen wir einfach unsere Zweisamkeit, bis plötzlich einige Meter entfernt ein Krachen zu hören war. Thomas blickte auf und schaute sich zum Rest um. Er wechselte einen flüchtigen Blick mit Newt und Minho, um zu checken, ob alle hier versammelt waren. Sie nickten. "Was war das?", fragte er gespannt, "Könnte es vielleicht A.N.G.S.T. sein? Haben Sie uns so schnell gefunden?"

"‎Nein, das glaube ich nicht", antwortete Minho, "wenn sie es wären, würden sie aus der selben Richtung wie wir kommen. Das da", sagte er und zeigte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, "ist jemand... oder etwas Fremdes.‎ Ich zögerte. Sollten wir nachschauen, was das war? Oder sollten wir es lieber ignorieren? Vielleicht war es ja auch ein Tier, was sich bei dem Unwetter in den Flughafen verirrt hat? 

Ich murmelte neben Minho: "Sollen wir vielleicht mal nachschauen?" Er guckte kurz zu mir und dann in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. "Besser, wir schauen nach."                              Er setzte gerade zur Vorwärtsbewegung an, als plötzlich ein Haufen dämonischer Schreie vom anderen Ende des Flughafens durch den Gang eilte. Kurz darauf liefen kaum 100m entfernt von uns ein Haufen durchgeknallter Menschen um die Ecke, deren Gesichter wutverzerrt und voller Wahnsinn waren. Sie hielten direkt auf uns zu, wurden nicht mal langsamer. Einige hatten so ein Leuchten in den Augen, als wären wir ihre Beute, die sie endlich gefunden hatten. Ich war verwirrt und realisierte nicht, was hier vor sich ging. Nur Minho verstand den Ernst der Lage, packte mich und schrie zu allen anderen: "Lauft!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 24, 2021 ⏰

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