Sei mein Groupie

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Du schaffst das ,spreche ich mir selbst in Gedanken Mut zu, als ich auf die Gruppe Jungs zusteuere, die sich um die Tischtennisplatte scharrt. Wieso auch, bin ich so verdammt leicht zu beeinflussen und kann nicht einmal Nein sagen? 

Ich werfe einen Blick zu Judy und Amber zurück, die ihre Beine von der Mauer baumeln lassen, auf der wir normalerweise unsere Pause verbringen. Amber fängt meinen Blick auf und grinst mich auffordernd an. Im Gegensatz zu mir hätte sie keine Probleme damit einen heißen Jungen zu küssen. Selbst dann wenn es sich bei dem heißen Jungen um Jeremy Anderson handelt, der Star der Basketballmannschaft. Ihr Selbstbewusstsein ist aber auch nicht unbegründet. Mit ihren strahlend blauen Augen und den honigfarbenen Haaren kann sie jeden Jungen in unter drei Sekunden dazu bringen, sich ihrem Willen zu beugen. 

Zwar halte ich mich nicht für hässlich, aber mir ist deutlich bewusst, dass zwischen mir und Amber Welten liegen. Ich bin durchschnittlich. Durchschnittlich groß. Meine Haare sind ebenso durchschnittlich braun wie die zahlreicher anderer Mädchen, ohne nennenswerte Akzente. Und meine Augen sind ebenfalls durchschnittlich braun. Einzig und allein die Tatsache, dass meine Körper durch das Volleyballtraining und die vielen Laufeinheiten, die ich nebenher noch absolviere, durchtrainiert ist, ist ein Pluspunkt in meiner Akte. Aber auch nur, weil meine Brüste trotzdem durchschnittlich groß und nicht unterdurchschnittlich klein sind. Sport ist schön und gut, aber wenn man dadurch seine Brüste verliert, kann man gleich wieder einpacken, pflegt Amber zu sagen. 

Im Gegensatz zu Amber ist Judy die schüchterne in unserem Bunde. Sie ist klein, zierlich und weckt in jedem Jungen das Bedürfnis sie zu beschützen. Mit einem ironischen Lächeln bemerke ich, dass ich sogar in unseren kleinen Clique den Durchschnitt darstelle. Wenn man Amber und Judy, sowohl vom Aussehen als auch von ihrem Charakter her, miteinander mischen würde, entstände ich dabei.

Judy reckt mit einem Grinsen, das allerdings noch unsicherer wirkt, als ich mich fühle, ihren Daumen in die Luft. Nicht gerade ermutigt lächle ich zurück. Wieso habe ich mich von meinen Freundinnen hinreißen lassen, diese Liste mit verrückten Dingen, die ich diesen Sommer tun möchte, anzufertigen? Und wieso habe ich Jeremy Anderson ganz oben auf diese Liste gesetzt? Und wieso habe ich ihnen diese Liste gezeigt, bevor die Sommerferien überhaupt erst angefangen haben?

Kopfschüttelnd bleibe ich stehen. Ich überlege, wieder zu meinen Freundinnen zurückzugehen. Judy wird es verstehen. Sie wird mich trösten und mir sagen, dass es ohnehin ein blöde Idee sei. Amber wird sich darüber aufregen, dass ich mich endlich etwas trauen muss, wenn ich will, dass Jeremy mich wahrnimmt. Ich gebe ihr ja recht. Aber muss ich ihn denn gleich küssen?

"Leila!" Zack, mein Partner in einem Englischprojekt und außerdem bester Freund von Jeremy winkt mir zu. Ich stehe nur noch wenige Meter von der Jungsgruppe entfernt, aus deren Kreis sich Zack nun ein wenig löst. Zögerlich gehe ich auf ihn zu. "Was gibt's?", frage ich so lässig wie möglich.

"Kommst du heute Abend zum Spiel?", fragt er mit einem Grinsen, das viele Mädchen an unserer Schule pausenlos von ihm schwärmen lässt. Mich ausgeschlossen. "Es ist das letzte der Saison. Du musst unseren Sieg bejubeln."

"Basketball ist eigentlich nicht so mein Ding.", erwidere ich zögerlich. In Wirklichkeit habe ich mich bisher kaum mit Basketball auseinandergesetzt. Das eine Mal, dass ich bei einem Spiel unserer Basketballmannschaft war, habe ich Jeremy mit irgendeinem Mädchen aus der Stufe über uns gesehen, wie sie wild herumgeknutscht haben nachdem das Spiel vorbei war und die Zuschauer langsam zum Ausgang drängten. Das hat meine Begeisterung für den Sport verpuffen lassen. An den meisten Wochenenden bin ich sowieso mit meinen Volleyballteam unterwegs, weswegen ich glücklicherweise auch kaum Zeit mit der Entscheidung verbringen muss, ob ich zu einem der Basketballspiele gehe oder nicht. Leider ist die Saison für mein Team schon seit letzter Woche vorbei, sodass ich jetzt tatsächlich die Wahl habe.

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