Teil 9

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Sie war erst ein paar Minuten alleine, als es schon wieder an der Tür klopfte. Hoffentlich kein Arzt, dachte sie nur. Die Tür öffnete sich ein Stück, dann ganz. Jemand trat ein. Nein, nicht jemand, Gibbs! Ihr Herz machte einen riesigen Sprung. Er blieb wie versteinert stehen. Sie reagierte ähnlich, keinen Zentimeter konnte sie sich bewegen. Ihre Blicke trafen sich. Er war es wirklich. Er hatte sie gefunden. Tränen sammelten sich in ihren Augen, sie konnte es nicht vermeiden und sie wollte es auch nicht. Erst bahnte sich eine der Tränen die Wange hinunter, dann wurden es schlagartig mehr. Sie weinte. Er stand immer noch reglos in der Tür, dann tat er einen Schritt, dann noch einen, bis es immer mehr wurden und er an ihrem Bett stand.
„Jenny?“, flüsterte Gibbs. Seine Stimme war zittrig. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er ihr Vorwürfe machen würde, aber er stand einfach nur da und flüsterte ihren Namen, so schön, wie es lange kein anderer mehr getan hat. Jetzt wusste sie, wofür es sich gelohnt hatte zu kämpfen. Wofür sie noch lebte und wofür sie noch weiterkämpfen würde. Für die Person, die eben den Raum betreten hatte. Ihre Hände zitterten und die Tränen liefen immer noch der Schwerkraft entgegen.
„Jethro.“, flüsterte sie genauso leise, wie Gibbs es vor ihr getan hatte. Ein Funkeln stahl sich in seine Augen, genau in dem Moment als sie seinen Namen aussprach. Jenny lächelte. Ein aufrichtiges Lächeln auf ihrem Gesicht, zwischen den Tränen, die einfach kein Ende nehmen wollten.
„Es tut mir leid. Es tut mir so unendlich leid.“, flüsterte Jenny nach langen Schweigen und sah ihn, Reue zeigend, an. Langsam wurde Gibbs auch sentimental, ihm lief eine einzige Träne aus dem Auge. Es wären mehr gewesen, wenn er diese nicht schon in den Nächten seit Jenny’s ‚Tod‘ vergossen hätte. Am liebsten hätte er sie jetzt in den Arm genommen, sie an sich gedrückt, sie nie wieder losgelassen und geflüstert, dass alles wieder gut werden würde, er jetzt für sie da sein würde. Aber er tat es nicht, wusste nicht, ob Jenny das wollte. Ob sie so fühlte wie er oder ob sie sich einfach nur freute nicht mehr alleine zu sein. Während es in seinem Kopf ratterte, hatte sein Herz schon eine Entscheidung getroffen. Heute fand er es richtig nach seinem Herzen zu handeln. Er setzte sich einfach auf ihr Bett und zog sie an sich. Sie war kalt und er spürte jeden ihrer Knochen durch ihre Kleidung, sie war so zerbrechlich. Jenny spürte, wie er sie aufs Haar küsste. Sie wollte nicht, dass er sie je wieder losließ. Die ganze Trauer, die sie jeden Tag ihres Krankenhausaufenthaltes verspürte, war weg. Ihre Tränen trockneten und keine neuen Tränen bahnten sich den Weg aus ihren Augen. Die Hülle ihres Körpers füllte sich wieder mit Leben und sie fühlte sich auf einmal viel besser, als zu dem Zeitpunkt bevor Gibbs sie in den Arm nahm.
„Ich hätte deiner Fassade nicht trauen dürfen. Aber es war einfacher deiner Maske zu glauben, als zu rätseln, wo die richtige Jenny war. Es tut mir leid.“, hauchte Gibbs ihr ins Ohr. Sie wollte sich nicht aus seiner Umarmung lösen, aber sie wollte in anschauen, in seine wunderschönen Augen. Sie bewegte sich und setzte sich ihm gegenüber. Dann schaute sie ihn aus ihren großen grünen Augen an.
„Es ist nicht deine Schuld, dass ich so geworden bin, wie ich jetzt bin.“, wieder lief ihr eine Träne aus den Augen, doch diesmal erreichte sie nicht mal ihre Wange. Gibbs hob die Hand und wischte sie ihr weg. Ohne Tränen sah sie so viel schöner aus, dachte er sich nur.
„Es…es war einfacher für mich…meine…Gefühle wegzuschließen, denn sie hätten mich noch…umgebracht.“, wisperte sie, errötete und sah weg. Gibbs erwiderte nichts darauf, er drückte sie einfach nur wieder an sich. Plötzlich erschien ihm alles schlüssig, das gesamte Verhalten von ihr. Es war so klar. Er hätte sich einen Schlag auf den Hinterkopf geben können. Nein, das wäre nicht genug gewesen, er hätte sich dafür erschießen können. Sein Verhalten war so abweisend gewesen. Es war wohl ein Schlag ins Gesicht für Jenny gewesen. Dass er sich wie ein Arschloch verhalten hatte und trotzdem war sie in dem Diner bereit gewesen ihr Leben für seins zu geben. Sie wäre für ihn gestorben und er hatte sie behandelt, wie den letzten Dreck. Er war so unfair gewesen und er hatte es nicht einmal bemerkt.
„Jenny. Es tut mir leid. Ich werde das wohl nie wieder gut machen können, was ich dir angetan habe und ich erwarte auch nicht, dass du mir verzeihst, aber es tut mir leid.“, er hatte etwas flehendes in den Augen und Jenny wusste, dass sie ihm schon verziehen hatte, als er ihr Zimmer betreten hatte. Er hätte sie nicht suchen müssen, er hätte sie nicht besuchen müssen, er hätte sie nicht in den Arm nehmen müssen und er hätte sich auch nicht entschuldigen müssen, aber er hatte es getan und das war ihr Grund genug ihm zu verzeihen.
„Jethro. Ich habe dir schon verziehen, als du den Raum betreten hast.“, mehr konnte sie nicht sagen. Er sah sie an und musterte sie. Sie sah nicht wirklich gesund aus, aber immerhin sah sie wesentlich kräftiger und weniger blass aus, als in dem ersten Moment in dem er sie seit ihrem Scheintod gesehen hatte.
„Jenny. Ich lasse dich nie wieder alleine. Ich verspreche es dir.“, meinte er. Mehr zu sich selbst als zu Jenny. Er würde dieses Versprechen nie brechen, ein Marine versprach nichts, was er nicht halten würde.
„Wie hast du mich eigentlich gefunden, Jethro?“, entschlüpfte es der Rothaarigen. Eigentlich wollte sie den Moment nicht zerstören, aber es interessierte sie so sehr.
„Es war ganz einfach.“, meinte Gibbs keck und lächelte sie an. Sein Lächeln schmolz ihr Herz so weich wie Butter, aber im nächsten Moment ärgerte sie sich leicht über seine Antwort.
„Jethro, du wirst mich wohl kaum über Google Maps gefunden haben.“, grinste sie und merkte schnell, dass sie noch nie so viel gelächelt hatte, seit sie in diesem Gebäude eingesperrt war.
„Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber ich verneine mal. Mike hat mir einen Brief geschrieben, mit einem Foto.“, er zog das besagte Foto aus seinem Jackett und reichte es Jenny. Diese machte nur große Augen und sah Gibbs fragend an, der genauso fragend zurückschaute.
„Ich hatte das Bild dabei, als ich im Diner war. Als ich dann hier aufgewacht bin, hatte ich es nicht mehr.“, meinte sie verlegen, sah ihn aber weiterhin an.
„Hattest du das Bild immer dabei?“
„Ja.“, es war ihr peinlich es zuzugeben, aber wenn sie lügen würde, hätte er es sofort bemerkt. Er schaute sie ein wenig überrascht an, nicht der Antwort wegen, sondern weil sie anscheinend nicht einmal daran gedacht hatte, ihn anzulügen.
„Ich liebe dich, Jen.“, murmelte Jethro und bemerkte erst zu spät, dass er es laut gesagt hatte. Allerdings bereute er es auch nicht.

Die Suche nach der Wahrheit *Navy CIS*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt