neun

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Seungmin war nicht nach Hause gegangen, sondern stand nun vor dem Haus seines Freundes. Panisch hatte er mehrmals geklingelt, in der Hoffnung, dass Hyunjin umso schneller die Tür öffnete. Seine Augen brannten beinahe genauso sehr, wie seine Hände. Zwar hatte ihm seine Mutter die ganzen Scherben aus den Händen entfernt, doch Seungmin war derartig paranoid, dass er dachte, das würden noch immer welche feststeckten. Sie hatte ihm die Handballen nicht einmal verbunden, weil es in ihren Augen nicht notwendig war. Aber Seungmins Angst war zu groß gewesen, dass Dreck in die Wunden gelangen und es sich entzünden würde. Allgemein musste es ziemlich bescheuert aussehen, wie er herumlief.

"Ich dachte du-" Schockiert fiel Hyunjins Blick auf die Wunden und schob seinen blonden Freund direkt in das Haus hinein. So verheult hatte er ihn noch lang nicht mehr gesehen und irgendwie hegte er einen Groll auf seine Eltern. Dies war zwar noch nie vorgekommen, aber er konnte sich ziemlich gut vorstellen, was passiert war und das erfreute ihn ganz und gar nicht. Es ließ in ihm sogar die Wut aufsteigen.

"Es tut so weh..."
"Sind sie desinfiziert? Warte, da stecken noch winzige Scherben drinnen." Ungläubig zog er eine Hand näher und nahm diese genau unter die Lupe. Tatsächlich hatte Seungmins Mutter nur die großen Scherben entfernt, doch die Kleinen steckten noch immer in der Haut und veranlassten den unangenehmen Schmerz, der mittlerweile ein wenig abgeklangen, doch noch immer da war. "Ich hol schnell Verbandszeug, eine Pinzette und Desinfektionsmittel. Geh schon mal ins Wohnzimmer und versuch dich zu beruhigen, okay?" Sanft drückte er dem Jüngeren einen Kuss auf seine Stirn, ehe er im Bad verschwand.

Schwach ließ sich Seungmin auf dem weichen Polster nieder, spürte quasi wie er in diesem versank. Das Wohnzimmer war riesig gewesen und war eher altmodisch eingerichtet. Es hingen viele Bilder an den Wänden von Hyunjins Familie, seinem Bruder und mit der Zeit hatte es selbst ein kleines von ihm und Hyunjin geschafft an der Wand zu hängen. Als würde er bereits zur Familie gehören und irgendwie machte ihn diesen Gedanken glücklich. Hyunjins Eltern waren vollkommen anders gewesen als seine eigenen. Von Anfang an fühlte er sich willkommen. Selbst als sich der Brünette geoutet hatte, hatten sie ihn erst ausreden lassen und waren stolz auf ihn gewesen, dass er sich traute dieses schwere Thema anzusprechen. Kein einziges Mal bekam Seungmin einen Kommentar, wie es seine Eltern getan hatten, als er seine Beziehung kundtat. Manchmal hinterfragte er sich, ob es nicht ein kleines, abgekatertes Spiel war, welches man mit ihnen spielte. Denn oft hatte er gehört, dass eigenen Eltern nicht erfreut von der Beziehung ihres Kindes waren, wären sich die des Partners freuten. Irgendwie empfand er es als nicht sonderlich fair und wollte viel lieber, dass seine Eltern genauso waren. Genauso warmherzig und offen, wie es Hyunjins waren und doch könnte er das nicht beeinflussen.

"Versuch an was Schönes zu denken. Es könnte zwicken und wehtun. Am besten holst du tief Luft und wenn es zu sehr schmerzt, atmest du in dem Moment einfach aus, okay?" Mit einem Nicken zog der Blonde die Luft ein und spürte schon die ersten kleinen Stich, wie Hyunjin die ersten Splitter aus seiner Haut zog. Einige Male verzog er sein Gesicht, doch er hatte es sich wesentlich schlimmer vorgestellt, als es tatsächlich war. Es konnte aber auch daran liegen, weil der Ältere darauf Bedacht war, ihm so wenig Schmerzen zuzufügen, wie nur möglich. Recht schnell hatte er die letzten Scherben entfernt und so griff er nach der kleinen Flasche an Desinfektionsmittel und wollte liebend gern diesen Schritt umgehen. Er wusste nur zugut, welch eine Qual das war, wenn man es auf die frischen Wunden bekam und doch führte kein Weg daran vorbei.

"Atme ein" Schnell benetzte er die wunden Stellen mit der Flüssigkeit, wodurch Seungmin leise Schluchzer die Lippen verließ und seine Augen umso fester zusammenkniff. "Du hast es geschafft, Baby~" Aufmunternd lächelte Hyunjin ihn an und verband die Wunden zu guter letzt.
"Was ist passiert? Ich dachte du musstest arbeiten. Wieso kommst du mit Scherben in den Händen zu mir?"

𝗗𝗲𝗲𝗽 𝗗𝗶𝘃𝗲 ✧ SEUNGJINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt