achtzehn

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Mama und Papa,

ich weiß, ich war nie der perfekte Sohn und doch hab ihr mich als den geliebt, als den, der ich war. Ihr habt mich mich immer unterstützt und versucht mir jeglichen Weg zu erleichtern. Das ist nicht selbstverständlich und dafür danke ich euch.

Aber was macht man, wenn der Weg, den man selbst geht, den eigenen Eltern nicht gefällt und man somit als eine Enttäuschung gilt?

Es sind Monate vergangen, um zu verstehen, wieso man mich in etwas drängen möchte, was mir gar nicht recht ist. Bis heute weiß ich keine genaue Antwort darauf und dennoch möchte ich euch nicht verurteilen. Es gibt Dinge, die wir alle nicht beeinflussen können und das müssen wir akzeptieren.

Und so könnt ihr mich nicht dazu zwingen heterosexuell zu sein und die Beziehung mit Hyunjin aufzugeben. Genauso wenig kann ich Papa dazu zwingen, dass er seinen Kaffee am Frühstückstisch schlürfend trinkt und Mama werde ich es in diesem Leben auch nicht schmackhaft machen, dass man die Cornflakes erst in die Schüssel gibt und dann die Milch dazu gibt. Wir alle haben unsere Besonderheiten und ich habe euch nie dafür verurteilt, wir ihr seid.

Also wieso macht ihr es bei eurem eigenen Kind?

Die Welt ist schwer genug, wieso muss man diese seinem eigenen Kind unnötig schwer machen?

Habt ihr Angst, dass ich mich verändert habe?
Dass mir Ungerechtigkeit widerfährt?
Dass mich Hyunjin nur benutzt und mit mir spielt?
Oder habt ihr grundlegend etwas gegen Homosexuelle und könnt mich aus diesem Grund nicht akzeptieren?

Ich bin nach wie vor euer Seungmin, euer Sohn, den ihr über alles liebt. Oder hat sich das nun auch geändert, weil ich mein kleines Geheimnis erzählt habe, da es mich sonst belastet hätte?

Nie werde ich in Worten fassen können, wie schlecht ich mich fühle, weil meine eigenen Eltern mich nicht akzeptieren können, obwohl man sich nicht entscheiden kann, in wen man sich verliebt. Mit welcher Person man seine Zukunft gern verbringen wollen würde und welches Geschlecht dieser Mensch hat.

Auch ich hab mir das nicht ausgesucht und es ist auch keine Phase, die irgendwann ein Ende findet.

Tag und Nacht habe ich mich in den Schlaf geweint, weil ich nicht anders konnte. Die ganzen Kommentare haben mich nicht in Ruhe gelassen und gingen mir genauso wenig aus dem Kopf. Sie schwirrten herum. Nach wie vor tun sie es und wer weiß, ob sie mich nicht eines Tages wahnsinnig machen, weil dieser Schmerz der Abneigung kein Ende nimmt.

Ich bin bei Hyunjin, macht euch um mich also keine Sorgen. Mir geht es gut und ich hoffe, dass sich mit diesem Brief Sachen ändern. Ob ins Positive oder ins Negative liegt ganz bei euch.

Aber vergisst nie, dass ihr eines Tages euer Kind gehen lassen müsst, weil die kleine Raupe aus ihre Kokon geschlüpft ist und zu einem wunderschönen Schmetterling mit farbenfrohen Flügeln geworden ist. Auch ich werde eines Tages schlüpfen und ihr werdet mich gehen lassen müssen.

Es tut mir leid, euch solche Sorgen bereitet zu haben, aber ich kann nicht mehr.

Ich liebe euch.

Seungmin

𝗗𝗲𝗲𝗽 𝗗𝗶𝘃𝗲 ✧ SEUNGJINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt