Vidar konnte nichts sehen. Alles war umhüllt von einer undurchdringbaren Finsternis. Dafür konnte er jedoch riechen und hören. Etwas war in seiner Nähe. Knochen knacksten unter seinem Gewicht und der brennende Geruch von Fäulnis drang in Vidars Nase. "Hey!" Eine Stimme drang aus der Dunkelheit an sein Ohr. "Du musst aufstehen!" Plötzlich wurde er am Arm gepackt und... Ungeschickt stieß er die Hand von sich weg und landete mit einem dumpfen Laut auf dem harten Boden. "Au...", grunzte er, seine Umgebung musternd. Es dauerte einen Augenblick, bis der Nebel in seinem Kopf sich lichtete und er seine Unterkunft wiedererkannte. "Wow..." Audun, sein Mitbewohner, stand über ihm. "Die Zeit in der Wildnis hat dich echt mitgenommen." Vidar grummelte. Trotz seines seltsamen Traumes – oder vielleicht gerade deswegen – wollte er sich nochmal kurz hinlegen.
"Es ist schon fast Mittag. Willst du mit zur Kantine und 'ne Kleinigkeit essen?", fragte Audun, "Ich bezahl auch." Vidars Wunsch nach Schlaf wurde nur noch von seinem Hunger übertroffen und das teilte sein Magen lautstark dem anderen Jäger mit. "Ich nehme das als ein Ja", scherzte er und begab sich schon mal nach draußen, wo er auf Vidar wartete. Dieser suchte sich nur schnell leichte Bekleidung raus. Sein Blick fiel in die Ecke, wo seine Tobi-Kadachi-Rüstung ruhte. "Nachher", flüsterte er, ehe er Audun nach draußen folgte.
Die Sonne beleuchtete den Marktplatz von Astera, wo es nur so von Händlern, Jägern, Forschern und Wildexperten wimmelte. Mit dem Aufzug fuhren Audun und Vidar hoch bis zum dritten Stockwerk der Stadt. Hier befand sich die Kantine, geleitet vom Miauskulösen Koch. Ein schattiger Tisch für bis zu drei Personen war noch frei. "Und?", fragte Audun, "Was willst du essen? Nichts zu teures, ja?" Vidar nahm die Speisekarte von der Mitte des Tischs. Wie immer gab es eine Vielzahl von Gerichten zur Auswahl. Die Meisten von ihnen enthielten viel Fleisch oder Fisch, manchmal auch beides. Danach war ihm im Moment überhaupt nicht, weshalb er sich schließlich für ein Gemüsegericht mit Juwelenkakteen und Drachenblüten entschied. "Hallo!" Ein kleiner Palico war am Tisch erschienen. Seiner Schürze nach zu urteilen, gehörte er zur Kantine. Nachdem die zwei Jäger bestellt hatten, ließ Vidar seinen Gedanken freien Lauf. Bis aufs Materialien sammeln im Uralten Wald hatte er heute keine großen Pläne. In den letzten Wochen hatte er nur kleinere Quests angenommen und das lag nicht nur daran, dass er erst vor Kurzem das Abenteuer seines Lebens überstanden hatte. Viel mehr wartete er nur darauf, dass die Forschungskommission ihn benachrichtigte. Als er zuletzt im Korallenhochland gewesen war, hatte er eine rosa Schuppe gefunden und später dem Oberhaupt der Dritten Flotte übergeben. Noch hatte er keine Infos, um welches Monster es sich handelte und ob es gefährlich war. Sicherlich würde man ihn bald darüber informieren, vielleicht sogar schon heute.
"Ähm... Entschuldigung." Ein hübsche Frau, etwa in Vidars Alter, tauchte neben ihm auf. Ihre hellblonden Haaren hingen lose bis auf ihre Schultern herab. "Du bist doch der Jäger, der sich ganz allein durch die Wildnis geschlagen hat, oder?" Er nickte zur Antwort. Beliebt war er schon immer gewesen, aber jetzt interessierten sich noch mehr Leute für ihn. "Dürfen meine Freundin und ich uns zu euch setzen?", fragte die Frau. Hinter ihr stand eine weitere Frau. Sie wirkte älter als die Blonde und ihre Haut hatte einen ockerfarbenen Ton. Aus dem Augenwinkel sah Vidar, dass Audun ihm einen Daumen hoch hielt. "Natürlich." Kaum hatte er ausgesprochen, setzte sich das erste Mädchen hin, während ihre Freundin noch schnell einen der steinernen Hocker mühelos heranzog. "Wie hast du dich gefühlt, so ganz allein unter Monstern?", fragte sie und so begann Vidar zu erzählen. Die jungen Frauen hingen förmlich an seinen Lippen. Auch als das Essen kam, blieben sie und hörten weiter zu. Das Mädchen mit der Ocker-Haut rückte irgendwann näher zu Audun. Vermutlich hatte sie das Interesse verloren. Die Blonde schien wesentlich mehr Ausdauer beim Zuhören zu haben. "Und was ist mit der Rathian passiert?" Ihre blauen Augen funkelten neugierig.
"Also..." Bei ihren ganzen Fragen hatte Vidar Probleme, überhaupt zum Essen zu kommen. Bevor er ihr antwortete nahm er endlich den letzten großen Bissen Drachenblüte zu sich. Audun war bestimmt schon seit einer guten Viertelstunde fertig. "Was mit der Rathian passiert ist, nachdem ich sie verjagt habe, weiß ich nicht", erklärte Vidar, "Vermutlich ist sie zu ihrem Nest zurückgekehrt."
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Monster Hunter - Das Herz Eines Jägers
Fanfiction[Fortsetzung zu In den Tiefen des Tals] Vidar ist wohlbehalten wieder in Astera angekommen und geht dem einfachen Jägerleben nach. Doch die Entdeckungen, die er bei seinem Abenteuer gemacht haben, regen die Forscher der Dritten Flotte an und schon...