5.

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Sie fuhr hoch, sobald sie erwachte. Ihr Arm pochte schmerzhaft war aber inzwischen in einem seltsam starren Weidengeflecht eingebunden worden und lag in einer Leichten Tuchschlinge auf ihrem Bauch. Ein weiteres Ledernes Seil, das ganz flach geflochten war, fast wie ein Gürtel, fixierte ihren Arm sogar in eben dieser gebeugten Haltung eine Hand breit unter ihrer Brust. Außerdem hatte ihr jemand auch noch den Umhang und das Überkleid ausgezogen. Sie trug nur noch den schlichten weißen Unterrock und das weiße Hemdchen das sie stets unter dem Mieder trug, doch auch letzteres hatte man ihr nun abgenommen.
Ihre Seite stach etwas, als sie aufstehen wollte, und als sie mit der Hand dorthin tastete bemerkte sie einen weiteren Verband.
Der Drache hatte also ihre Wunden versorgt, die er ihr beim Flug geschlagen hatte.
Oh...

Der Drache?!
Wo war er denn nun?

Etwas plätscherte in der Nähe wie ausgegossenes Wasser auf Stein.
Langsam und vorsichtig atmete sie durch und setzte sich dann noch vorsichtiger auf dem Lager auf, um sich umzublicken, kam aber dann als sie ein helles Licht erkennen konnte und um den Geräusch entgegen zu gehen, taumelnd auf die Füße.

Um die Felsenspitze herumwankend bemerkte sie es da seltsam grünlich schimmern. Und mit jedem Schritt wurde die Höhle nun größer und heller und das Tageslicht viel durch zahlreiche Löcher in der Decke herein und erhellte den Innenraum.
Hatte sie also die ganze letzte Nacht hindurch geschlafen?

Das Licht schien hell und stark und beleuchtete einen wie verzaubert wirkenden Teich mit kristallklarem Wasser, aus dem der riesige Drache eben mit einem großen Eimer Wasser schöpfte und sich dann damit übergoss, wieder und wieder.
Er war gerade nackt wie Gott ihn geschaffen hatte und wusch sich erstaunlicherweise die doch nicht natürliche weiße Farbe vom Kopf, vom Gesicht und von den Armen und dem Hals, der Brust und sogar auch noch das Rot auf den Händen ab.
Nur die schwarzen Muster auf der ohnehin gebräunten Haut schienen wohl echt zu sein. So echt, dass die weiße Farbe sie nicht hatte überdecken können.
Gottlob war er aber wohl doch nicht so geboren worden... vielmehr gezeichnet... so wie sie zuhause eine Wicca zeichneten, die eine Art von Magie in sich trug. Sie bekamen bei einem Gesetzesbruch und der ersten Ausübung von Magie mit tiefschwarzer Tinte auf Nägeln warnende Runen ins Gesicht gemeißelt. Hatten auch die Drachen eine solche Tradition, oder waren es hier gar Ehrensymbole?
Da übergoss er sich erneut und eine Strähne Haar löste sich aus dem Farbgemisch auf seinem Kopf...
Hu!?
Er hatte auch in Wirklichkeit keinen kahlen Schädel, doch mit dieser Lehmigen weißen Farbe hatte er sich sein Haar wohl eng an den Kopf geklebt gehabt, sodass es so ausgesehen hatte. Doch mit jedem Guss aus dem Eimer löste sich nun das lehmige weiß aus seinem eigentlich schwarzen, gewellten Haar, dass er zumindest noch in der Mitte seines ansonsten zu beiden Seiten rasierten Kopfes trug und auch von seiner Sonnengebräunten, aber bis auf die Zeichnungen nicht wirklich dunklen Haut.
Erleichtert aufatmend, dass er also doch eher menschlich aussah, statt so monströs und Dämonenhaft weiß und schwarzhäutig, lehnte sie sich an den Felsen an und schloss kurz Kraft schöpfend die Augen.

„Tia?!", erklang da plötzlich seine dunkle Stimme. Sie blickte wieder auf, doch er stand schon vor ihr, war zu ihr hingelaufen... obschon immer noch gänzlich nackt!
„Oh ... oh!", presste sie leise hervor und versuchte rasch ihm ins Gesicht zu sehen, wo die schwarzen ringelförmigen Zeichnungen auf seinen Wangen, wie auch das eindeutig von Hand eingehämmerte schwarze Dreiecksknotenmuster auf seiner Stirn, das die Unendlichkeit, nun nur an wenigen Stellen mit der lehmigen weißen Farbe verschmiert war. „Ihr... ihr wascht euch gerade, Herr, verzeiht. Ich wollte Euch gewiss nicht dabei stören. Ich ... hörte nur Geräusche und sah dann ein Licht.", beeilte sie sich ihm zu versichern und wollte sich dann rasch wieder abwenden. Doch seine Hand umfasste sachte ihre gesunde Schulter und sie erstarrte. „Nein, ist schon gut. Du störst mich nicht und sollst bleiben.", bestimmte er ausdruckslos.

Sie atmete kurz tief aus und wieder ein, bevor sie es schließlich wagte sich wieder zu ihm umzudrehen.
Sein Lächeln war grimmig.
„So schlimm ist deine Furcht also, ja?", fragte er sie leise. „Du weißt, dass du auch den Tod hättest wählen können."
„Ja, ich weiß, Herr. Aber... das ich leben will bedeutet nicht, dass ich keine Angst mehr vor euch empfinde. Das könnt ihr jetzt noch nicht von mir verlangen oder erwarten... Herr... Dragon.", versuchte sie ihm ihre Gedanken und Gefühle zu erläutern.

Er zuckte leicht mit den Schultern und ließ ihre Schulter los. „Kann ich das nicht? Nun... Immerhin bist du noch so mutig und sprichst mit mir.", brummelte er ausdruckslos.
Tia sah ihn unwillkürlich befremdet an.
„Sollte ... ich das denn nicht?", fragte sie ihn unsicher und er lächelte nun ziemlich grimmig.
„Sakher-Dragon-Foli, ein anderer Dragon, der letztes Jahr das Los für die Opferungen in Submistan zog, hat sich von dort auch eine Frau mitgebracht, die sich entschied lieber zu leben. Und dann hat sie das ganze letzte Jahr nicht ein einziges Mal mit ihm gesprochen.", meinte er leise schnaubend.
„Kann ... sie denn überhaupt sprechen, Herr? Es gibt Menschen, die es nicht...", wandte sie leise ein, doch er sah sie nur wieder so hart an, dass sie wusste, es lang nicht daran.
„Oh, ich verstehe. Was... wurde aus ihr?", fragte Tia ganz leise und zaghaft an. Da lächelte der Dragon zum ersten Mal, wenn auch nur spöttisch und sah sie leicht ungeduldig an.
„Na, was denn wohl? Sie lebt und wärmt noch immer sein Lager. Ob sie nun spricht oder nicht ist Sakher-Dragon-Foli doch vollkommen egal. Die meisten Dragon hier sind recht grausam, Tia. Aber das wusstest du schon, als du dich entschieden hast mit mir zu kommen, nicht wahr?", fragte er sie nun wieder sehr ernsthaft klingend.

Sie zog es vor diesmal lieber zu schweigen und den Blick zu senken. Er ging daraufhin zurück zum Teich, um weiter Wasser zu schöpfen und sich zu Ende zu waschen. Die Farbe lief nun in großen Rinnsalen über seinen Kopf und den breiten, mächtigen Rücken hinunter, der dort wo keine Runen eingezeichnet waren übersäht war mit kleinen und großen Narben.

Tia blieb derweil lieber weiter dort stehen, wo sie war und schaute ihm nur noch leicht betreten dabei zu. Obschon sie sich schon fragte, ob sich das überhaupt schickte.
Allerdings hatte er sie ja eigens aufgefordert zu bleiben. Vielleicht wollte er ja, dass sie ihn nun genauer ansah. Dass sie ihn vielleicht sogar erst einmal kennen lernte.
Gott, er war aber überall so riesiggroß und stark. Sogar dort wo sie lieber nicht hinzusehen wagte.
Aber wenn er sie bald auf sein Lager nehmen würde, wäre es sicher ganz grausig von ihm damit aufgespießt zu werden, oder? - Ja, sicher.
Doch immerhin wusste sie bereits, wie das dann vonstatten ging. Die Paarung zwischen Mann und Frau, hatte sie schon manchmal bei den Soldaten und Mägden gesehen, aus einem dunklen Winkel bei den Aufgängen oder von den Burgzinnen herab, des Nachts in den Gärten oder beim Brunnen, wo man sich zum Trinken und Völlen traf. Sie wusste daher, dass diese Schwerter der Männer in Erregung und Lustwillen noch viel größer und laut einer Küchenmagd auch zuweilen steinhart werden konnten.
Elisa, hatte ihr dann auch mal flüsternd erzählt es würde wirklich sehr weh tun... aber nur die ersten paar Male, bis sie sich daran gewöhnt hätte so zu liegen und zu atmen, dass es ihr damit wohler erging und damit dann auch ihrem Herrn oder Gemahl. Denn Männer hassten es, wenn Frauen vor Schmerz jammerten. Auch das wusste sie wohl. Ihr eigener Vater hatte es ihr des Öfteren bewiesen, wenn er sie prügelte und sie darüber weinte und klagte. Dann hatte er sie sehr oft noch viel mehr und länger verprügelt, damit sie es lernte ihre Strafen für Ungehorsamkeit und Frechheit klaglos zu akzeptieren.
Er hatte gesagt, sie sollte damit lernen sich ihrem zukünftigen Manne zu beugen. Seinem Willen, seinem Begehr und auch dem Schmerz, der ihr vielleicht aufgrund ihres viel zu ungestümen und Missfallen erregenden Wesens noch zukünftig beigebracht werden würde.
Doch dieser Traum von einem Gatten war für sie ja nun wohl ausgeträumt.
Sie hatte die Opferung bis hierher überlebt und vermutlich würde sie auch noch etwas länger so weiter leben... und nun ab sofort ebenfalls einem Drachen das Lager wärmen, wie die erwählte Frau des Drachens Sakher-Dragon-Foli.
Und sie würde es nun für Dragon tun.
Wie sehr es sie aber schon allein bei dieser Aussicht verkrampfen ließ ...
Oh...
Schnell verbat sie sich alle weiteren Gedanken daran und sah errötend bei Seite. Minuten vergingen, in denen es ihr immer elender und schwindeliger zumute wurde. Irgendwann schließlich knickten ihr einfach die Knie ein und sie sank zu Boden.
- Besser gesagt es wäre so gewesen, doch plötzlich stand der Drache wieder bei ihr und hielt sie nun fest unter den Armen gefasst, das sie nicht auf dem Boden aufschlagen konnte.
Er war nun ziemlich sauber und hatte sich komplett verändert. Das Haar hatte er sich zu einem über den Scheitel verlaufenden Knotenzopf geflochten. Auch trug er nun ein kurzes Lendentuch und seine Augen funkelten seltsam dunkel aber ruhig auf sie herab.

DrachenmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt