Kapitel 11

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Die letzten Akkorde der Aufzeichnung verhallten, ich drückte auf die Maus und ließ mich in meinem Stuhl zurückfallen. Ein weiterer Song hatte seinen Weg zur Vollkommenheit gefunden und ich war zufrieden - vorerst. Bevor ich mich zum zigsten Mal umentscheiden konnte, lehnte ich mich vor, drückte auf den Upload Button und beobachtete die Leiste dabei, wie sie sich füllte. Gleichzeitig stieg eine klein wenig Nervosität in mir heran. Was würden die Leute sagen, die den Song hörten? Wäre er ihnen zu persönlich? Zu dunkel? Zu traurig? Mir war bewusst, dass mich so etwas nicht stören durfte und doch tat es das. Die Zeilen in dem Lied waren meine Gedanken, meine Gefühle. Sie waren unglaublich fragil und verletzlich, nicht für die negativen Worte von Menschen gedacht.

Aber zu spät. Der Balken erreichte hundert Prozent und ich sah, wie ein neuer Titel auf meiner SoundCloud Page erschien. Meine Hello Kitty Zeichnung als Profilbild und unleserliche Textzeilen als Banner, war mein Profil eine exakte Spiegelung dessen, was in meinem Kopf während des Songwritings vor sich ging.

Innerhalb weniger Minuten schwebten die ersten Kommentare meiner wenigen Follower in meine Benachrichtigungen. Ich hatte das Gefühl, dass es immer das Selbe war. Leute konnten fühlen, was ich mit meinen Texten ausdrücken wollte, hatten Ähnliches erlebt oder gaben mir einfach Komplimente zu meiner Stimme und meiner Musik. Ich achtete kaum noch darauf, was der genau Wortlaut war. Es schien ein einziges kopieren von vorherigen Kommentaren zu sein, damit wollte ich meine Zeit nicht verschwenden.

Ich verfolgte eine halbe Stunde lang das Geschehen auf meinem Profil, bis ich den Laptop herunterfuhr und mir meine Gitarre griff. Ich wollte spielen, es war mir aber unmöglich auch nur einen Muskel zu bewegen, nachdem ich den ersten Akkord angeschlagen hatte. In meinem Kopf drehten sich die Ideen darüber, wie die Zuhörer auf den Song reagierten. Schrieben sie nur aus Mitleid oder gutem Willen freundliche Kommentare? Hatte ich negative Kommentare überlesen und gefiel der Track noch nicht allen? Was dachte ich überhaupt dabei, meine Songs hochzuladen und zu erwarten, dass sie gut ankam?

Meine Songs waren mir so wichtig, sie waren mein Tagebuch, der tiefste Inhalt meiner Seele. Ich machte mich so angreifbar, so verletzlich damit. Würde jemand der mich kannte die Seite finden, hätte er viel, viel Macht über mich. Ich hütete den Fakt, dass ich meine Lieder hochlud vor jedem und bisher war noch niemand darauf gestoßen, zumindest soweit ich es mitbekommen hatte.

Schlagartig wurde mir bewusst, dass das hier in eine noch schlechtere Richtung abdriften würde, wenn ich nicht gegensteuerte. Ich griff zu meinem Handy, welches neben der Tastatur auf meinem Schreibtisch lag und öffnete WhatsApp. Oles Name sprang mir sofort ins Auge und ich hoffte, dass er Zeit hatte.

Ole?

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und ich atmete erleichtert auf.

Hey Sami. Alles okay?

Ne...

Wenn du zwanzig Minuten Zeit hast bin ich da. In fünf Minuten bin ich von der Arbeit weg.

Okay.

Ich zwang mich aufzustehen und meine Gitarre wegzupacken. Alles andere in meinem Zimmer war perfekt in Ordnung, ich hatte den ganzen Tag an der Fertigstellung des Songs gearbeitet. Ich steckte mein Handy in meine Hosentasche und lief die Treppen herunter. In der Küche nahm ich mir ein Glas und goss Wasser ein. Ich tat alles, um die Zeit zu überbrücken, in der ich auf Ole wartete. Noch eine Viertelstunde. Irgendwie konnte ich es schaffen, in der Zeit an nichts zu denken, bestimmt.

Ich lief im Kreis durch die verschiedenen Räume, dabei trank ich mein Wasser. Noch zehn Minuten. Irgendwie fühlte ich mich, als würde ich vor meinen Dämonen wegrennen. Wenn ich stehen blieb, holten sie auf.

PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt