Meine liebste Lily,
du bist bestimmt verwirrt, wieso ich dir einen Brief schreibe, obwohl wir jeden Tag miteinander Videotelefonieren. Ich hatte dir von dieser Vorlesung erzählt, die ich besuche „Die Verlorene Kunst des Schreibens", in die ich eigentlich nur gegangen bin, weil Noah dort unbedingt hin wollte. Ich kann meinen besten Freund doch nicht im Stich lassen!
Jedenfalls erzählte der Dozent, dass wir durch all die modernen Medien einen wichtigen, entscheidenden Teil außer Acht lassen: das Schreiben. Das Schreiben ohne Abkürzungen und mit mehr Botschaft, als man es in Kurznachrichten macht. Außerdem kannst du den Brief so lange aufbewahren, wie du willst. Auch ein enormer Vorteil gegenüber einer Kurznachricht, die häufig an zu wenig Speicherplatz seinen Platz verliert.
Ich vermisse dich. Nie hätte ich damit gerechnet, dass es tatsächlich so schwer werden würde, in Kalifornien ohne dich zu leben. Noah versucht mich so gut es geht an die neue Situation zu gewöhnen, die er scheinbar schon vollkommen akzeptiert und aufgenommen hat. Aber für mich scheint es, als könnte ich hier keine Freude finden, jeden Tag fiebere ich unserem Telefonat entgegen.
Wenn du mir erzählst, was in der Schule passiert ist oder dein zufriedenes Lächeln nicht größer sein könnte, wenn du erzählst, was Ben schon wieder gemacht hat oder du während dem Erzählen einen solchen Lachanfall bekommst, dass ich kaum ein Wort verstehe, dann wünsche ich mir nichts sehnlicher als neben dir zu sitze und es real, in Farbe von dir zu hören. Auch wenn du traurig bist, wegen irgendetwas, das du erlebt hast, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dich wieder in die Arme zu schließen. Am liebsten wäre ich bei dir und könnte all das, was du erlebst mit dir erleben.
Ich bin momentan so sehr in das Training eingebunden, sodass ich es nicht schaffen werde vor Weihnachten nach Tacoma zu kommen. Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes erzählen, weil ich selbst die Tage zähle und es mir wie eine Unendlichkeit erscheint, bis ich dich endlich wieder sehe.
Allerdings habe ich mit Lee und Ben gesprochen, die beiden kommen zu meinem ersten Footballspiel in zwei Wochen nach Los Angeles und hätten noch ein drittes Ticket. Das könntest du haben. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn du mit den anderen zu mir fliegen würdest. Wenn du mit der Schule und dem Training aber selbst zu viel zu tun hast, kann ich natürlich verstehen, dass du es ablehnst. Ben und Lee fliegen bereits am Freitag her und am Sonntagabend fliegen sie wieder nach Hause.
Auch wenn du nicht in zwei Wochen kommst, hoffe ich, dass ich dich ein anderes Mal hier durch ganz Los Angeles führen kann und dir alles hier zu zeigen. Vor allem den Echo Park Lake! Du würdest den Ort lieben; Es scheint dort wie ein Fabelland. Ich gehe dort oft hin, wenn ich alleine sein will und der Uni entfliehen möchte. Man findet dort immer ein ruhiges Plätzchen, wo man seine Ruhe finden kann. Dort scheint es mir, als würde ich in eine neue Welt tauchen; Weg von aller Hektik und allem Stress des Großstadtlebens.
Ich vermisse Tacoma, ich vermisse die High School, ich vermisse meine Freunde, die ich jeden Tag sehen konnte, sogar meine Familie! Aber am aller meisten vermisse ich dich.
Ich vermisse die flüchtigen Küsse, die du mir auf die Lippen drückst und mich danach mit deinem frechen Grinsen musterst. Ich vermisse es, dich ganz nah an mich heran zu ziehen, den Geruch von deinem Honig-Shampoo zu riechen und das Gefühl zu haben, all die Liebe, die du in dir trägst in diesem Moment zu bekommen. Ich vermisse die Momente, in denen ich nach deiner Hand greife, wir unsere Finger verschränken und ich deinen neugierigen prüfenden Blick auf mir spüre.
Was würde ich nur dafür tun, dir jetzt gegenüber zu sitzen und das Funkeln in deinen wunderschönen braunen Augen zu sehen, während du von deinem letzten Catch beim Football-Spiel erzählst. Oder zu sehen, wie du über das Spielfeld rennst, den Ball in der Endzone fängst und vor lauter Begeisterung die Arme in die Luft wirfst, um anschließend in deinen Tanzjubel auszubrechen und auf mich zu zu rennen.
Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie du diese Zeilen liest und die Augen verdrehst, während du denkst, dass das ganze viele zu klischeehaft ist und übertrieben. Aber das ist es absolut nicht, weil ich dir nur schreibe, was ich empfinde und diese Worte finden so unglaublich schnell ihren Weg auf das Papier, sodass ich mich frage, wieso ich das noch nie zuvor gemacht habe.
Obwohl ich weiß, dass du gar nicht mehr davon lesen willst, muss ich dir noch von einem meiner liebsten Momente erzählen. Erinnerst du dich an diesen einen Nachmittag in der letzten Woche, als ich noch in Tacoma war und wir spontan nach Vancouver gefahren sind. Zu gerne erinnere ich mich an deinen verblüfften und überforderten Gesichtsausdruck, als wir aus unserer Tagträumerei tatsächlich Realität machten! Der Ausflug bei dem sich weder Lee einmischen musste, der sich selbst wie ein Tausendsassa darstellt, noch wir uns von jemand anderem etwas anhören mussten.
Nie werde ich deinen verängstigten Blick vergessen, den man auf deinem Gesicht ablesen konnte, als du die frei schwingende Brücke zwischen den Baumkronen in Vancouver sahst. Ich würde behaupten, dass ich dich dein ganzes Leben bereits kenne und ich kann mich nicht erinnern, dich ein einziges Mal verängstigt gesehen zu haben. Du hattest dich an meinen Arm geklammert, dass ich schon fast Sorge hatte, du würdest mir das Blut abstellen. Aber um ehrlich zu sein, muss ich gestehen, dass ich froh war, dass ich zumindest einmal derjenige war, der dich sozusagen beschützen konnte.
Oder dieser Moment, als wir abends auf dem Weg ins Hotel waren, du meine Hand nahmst und erst eine Weile leichten Schrittes schon beinahe neben mir her sprangst, bis du dann leicht füßig um mich herum tänzeltest und diesen Blick von kindlicher Freude mit dir trugst. An meiner Lederjacke, die ich dir bereits früher am Abend gegeben hatte, zogst du den Reißverschluss zu und verschränktest deine Arme vor der Brust, während du mich aufmerksam gemustert hattest.
Ich liebe es, wenn du mich anschaust und ich sofort ablesen kann, was du denkst. Wobei ich auch komplett in den Blick verliebt bin, bei dem ich merke, dass du so unglaublich viel durch den Kopf geht, dass du deine Gedanken kaum sortieren kannst und ich mir manchmal sogar wünschte zu wissen, was in deinem Kopf vor sich geht.
Ich will, dass du weißt, dass ich dich immer beschützen werde, selbst wenn uns tausende Kilometer trennen und ich bin auch immer für dich da. Du kannst dich auf mich verlassen!
Ich kann es gar nicht erwarten von dir zu hören!
Dein Jay
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Briefe von dir
RomanceLily Sullivan und Jay Hemmingway kennen sich schon ihr gesamtes Leben, die ersten sechzehn Jahre ihres Lebens provozierten die beiden Streit, wenn sie aufeinandertrafen. Das änderte sich allerdings in Jays letztem Jahr an der High School. Während Ja...