nine

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*Vor 10 Jahren*

Der Montag kam schneller als gedacht, ich war wie gerädert und wusste nicht genau, was ich denken sollte. Kate hatte mich zu sich herangezogen, den Kuss erwidert und schon vorher mehrere Male meine Nähe gesucht, dennoch war sie meine Dozentin und wesentlich älter als ich. Hatte sie Familie, nicht mal das wusste ich. Eine so attraktive und intelligente Frau konnte unmöglich Single sein. Es half alles nichts und ich rollte mich aus meinem Bett und in die Uni.

Fin empfing mich schon am Tor und gemeinsam gingen wir in das Gebäude.

"Hartes Wochenende gehabt?" War seine erste Frage.

"Was meinst du?"

"Na du siehst ganz schön fertig aus." Er kratzte sich am Hinterkopf.

"Danke, wirklich sehr nett." Ich lachte sarkastisch.

In dem Moment ging Kate stürmisch an uns vorbei und betrat vor uns den Hörsaal.

"Na die scheint ja super drauf zu sein, vielleicht solltet ihr euch zusammen tun.", flüsterte er mir zu. 

Ich verdrehte die Augen und ließ den Kurs über mich ergehen. Kate wirkte wirklich abwesend, als würde sie etwas beschäftigen. Sie behandelte mich kaum anders als sonst, was aber an ihrer distanzierten Mauer lag, die sie in der Uni immer um sich aufbaute. Auch der Rest der Woche war nicht anders, sie mied mich und auch ich beschloss, dem ganzen erstmal Zeit zugeben. Denn wir beide mussten unsere Gedanken sortieren, auch wenn eigentlich nicht viel passiert war - schließlich war es "nur" ein Kuss - mehr nicht, oder?

-

Am Samstag jedoch zog mich etwas ins Café. Ich konnte nicht zu Hause rumsitzen, dem Ort, wo wir uns das erste mal näher gekommen waren. Es war als würde dieser Kuss wie ein schwerer Schleier über meinem Wohnzimmer liegen und mir jedes Mal den Atem rauben, wenn ich den Raum betrat.

Also schnappte ich meinen Laptop und machte mich auf den Weg. Das Café war schon fast mein zweites Zuhause geworden. Fin schien heute frei zu haben, denn ich konnte ihn nirgendwo entdecken, auch Kate war nicht zu sehen. Also ließ ich mich in einer Ecke nieder und schaffte es tatsächlich etwas produktiv zu sein. Somit holte ich ein paar liegengebliebene Dinge nach und fing an, für eine Hausarbeit zu recherchieren.

Bis ich eine Weile später - einen Blick auf mir spürte. In der Tür stand Kate. Ihre Augen bohrten sich förmlich in mich. Ich hob den Kopf und lächelte sie schüchtern an. Tatsächlich kam sie auf mich zu und zog den Stuhl zurück.

"Darf ich?", das wurde irgendwie zu unserem Ding.

Ich nickte und klappte meinen Laptop zu.

"Tee?", fragte ich und lächelte wieder. Ich war nicht wütend auf sie. Verwirrt - ja und ich wollte Antworten, doch die würde ich nicht einfach so bekommen, das wusste ich.

Kate nickte, sie schien sehr nachdenklich und ich entschied mich, ihr Zeit zugeben. Druck erzeugt nur Gegendruck, das war alles, was ich im Physikunterricht gelernt hatte. Also bestellte ich ihr einen Tee und gab ihr die Zeit, die sie brauchte.

"Ich war bei dir Zuhause, doch du warst nicht da - also dachte ich, ich würde dich hier finden.", sagte sie schließlich.

Kate hatte mich gesucht, dann musste es wichtig sein. Vielleicht war ich ihr sogar wichtig.

"Wie du siehst, hast du recht gehabt."

Ihr Tee kam und sie nahm eine Tüte Zucker und gab sie in die Tasse. Eine Kleinigkeit, die mir bisher nie aufgefallen war. Die Stimmung war angespannt, ich wusste, dass sie irgendwas sagen wollte. Doch ihr fehlten die Worte.

Olivia & KateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt