ten

2.1K 111 3
                                    

*Heute*

Ich schaute aus dem Fenster, das Wetter hatte sich verschlechtert, wenn das überhaupt noch möglich war. Der Regen prasselte unaufhörlich gegen meine Scheibe und erfüllte den ganzen Raum mit einem Rauschen. Das Leben war schon komisch, dachte ich. Es führte Kate und mich zusammen, nur um uns ein paar Monate später wieder voneinander zu trennen und jetzt, 10 Jahre später, stand dieses Paket vor meiner Tür und ich durchlebte unsere ganze Geschichte nochmal von vorne. Ich verzog das Gesicht, was wenn unsere Geschichte noch nicht vorbei war.

Ich holte meinen Laptop und stellten ihn vor mir ab. Einige Sekunden schwebten meine Finger über der Tastatur, bis ich Kates Namen bei Google eingab. Tatsächlich erschienen einige Artikel und Bilder auf meinem Bildschirm. Ich drückte auf den jüngsten, es dauerte eine Weile bis die Seite geladen hatte. Zum Vorschein kam ein Bild von ihr. Mir stockte der Atem. Ihre Haare waren etwas kürzer als früher, sie trug ein dunkelblaues Kleid und lächelte stolz in die Kamera. Neben ihr stand ein Mann, den ich, auf den ersten Blick, noch nie vorher gesehen hatte. Seinen rechten Arm hatte er um Kates Hüfte gelegt und auch er strahlte bis über beide Ohren. Ich scrollte runter und begann zu lesen. Der Artikel handelte von dem Buch, welches einige Stunden zuvor, vor meiner Haustür aufgetaucht war. Am Ende der Seite war eine Einladung zu einer Buchvorstellung, welche am Montag in London stattfinden sollte. Von hieraus bräuchte ich ungefähr drei Stunden mit dem Zug. Sollte ich es wagen und ihr gegenübertreten? Ich begann nervös in meinem Zimmer auf und ab zu laufen. War das eine von diesen Schicksalswendungen, bei denen man eine Entscheidungen treffen musste, die dann für den kompletten weiteren Verlauf des Lebens verantwortlich war?

Schließlich zog ich mein Handy hervor und rief Fin an, er war der einzige, der jemals von Kate und mir erfahren hatte. Er wohnte mittlerweile in Dublin, hatte vor einigen Jahren seine Emma geheiratet und mit ihr zusammen zwei Kinder.

"Naa, lässt du auch mal wieder was von dir hören?" Begrüßte er mich fröhlich.

"Heii, na - hatte viel zu tun. Du weißt schon."

"Jaja, was gibt's, du klingst besorgt?"

Er war gut, selbst durchs Telefon erkannte er meine Stimmungslagen. Ich erzählte ihm von dem Parket, den Erinnerungen, meiner Recherche, von meinen Zweifeln und meiner Idee - nach London zu fliegen.

"Ach Olivia, eigentlich weißt du doch schon, was du tun willst."

"Ich will aber dein Meinung hören." Ich seufzte und vergrub meine linke Hand in meinen Haaren.

"Fahr hin! Aber mach dir nicht zu große Hoffnungen, immerhin sind 10 Jahre seitdem vergangen. Sie könnte ein ganz anderer Mensch sein."

Nachdem wir noch eine Weil über die alten Zeiten geplaudert hatten, legten wir auf. Ich ging wieder zu meinem Laptop und buchte mir ein Zugticket für Montag, sowie ein Hotelzimmer für eine Nacht.

Zu sagen ich war nervös, war die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich hatte Kate seit 10 Jahren nicht mehr gesehen, wer weiß wie sie reagieren würde, wenn ich auf einmal vor ihr stehe, oder wie sehr sie sich verändert hatte. 10 Jahre gehen nicht spurlos an einem vorbei. Vielleicht würden wir gar keinen Draht mehr zueinander haben, was dann? Bevor ich mich zu sehr meinen Gedanken hingab, entschied ich mich dazu, die Sachen wieder in der Box zu verstauen und noch etwas in dem Buch zu lesen, um am Montag mitreden zu können.

Gerade wollte ich den Schal wieder in die Kiste legen, als ich eine kleine Schatulle entdeckte. Ich öffnete sie und fand eine goldene Kette, mit einem kleinen Anhänger - auf dem eine Zahl eingraviert war. Kate hatte sie mir zu meinem 21. Geburtstag geschenkt, auch wenn ich kein großer Fan davon war, zu feiern. Geburtstage hatten eine gewisse Schwere, nicht weil ich älter wurde, das störte mich nicht, jedoch begleitete sie immer eine Melancholie, doch mit Kate an meiner Seite fühlte sich selbst dieser Tag unglaublich leicht an. 

Olivia & KateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt