Warum?

36 5 2
                                    

Disclaimer: Dieses Kapitel habe ich letztes Jahr verfasst. Ich bin noch immer nicht vollständig aus diesem Gedankenkreis raus, aber ich arbeite daran :)

--------------------

Wie kaputt muss meine Selbstwahrnehmung und mein Selbstbild sein? Das habe ich mich in den letzten Jahren immer wieder gefragt, aber gerade nach vergangenem Wochenende wieder vermehrt und vertieft.
Wie wenig Selbstachtung habe ich, wenn das Einzige, was ich denken kann, wenn ein Mann freundlich ist und sich länger mit mir unterhält, das Wort 'warum' ist.

Warum?

Warum unterhält dieser sich mit mir und das noch länger als es der normale Smalltalk sonst verlangt? Warum lacht jener herzhaft mit mir, wenn ich etwas Lustiges erzähle? Warum lacht er mich nicht aus? Das folgt bestimmt noch! Sobald ich nicht mehr in der Nähe bin, er mit seinen Kumpels alleine ist. Dann werden sie ganz bestimmt über mich herziehen und lachen.

Ich war vergangenen Samstag an einer Geburtstagsparty von drei Freunden (eine große Party für alle drei) und da waren echt viele Leute. Ich fands toll, denn ich habe mit so vielen lieben Menschen reden können, die ich schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Gute Freunde, Kollegen und Bekannte. Sowohl weiblich als auch männlich. Und es war der absolute Hammer! Ich habe jede Sekunde genossen! Jede Sekunde der 11 Stunden (!), die ich da war.
Als ich mich dann jedoch auf dem nach-Hause-Weg befand und auch über den Rest des Wochenendes bis zum heutigen Tag, habe ich mich gefragt, warum die Männer (ob guter Freund, Kollege oder Bekannter) solch tolle Gesprächspartner waren. Warum sie sich ehrlich für das, was ich erzählte, interessierten. Warum sie nicht mit ihren Kumpels an einem Tisch saßen und mich (im übertragenen Sinne) durch den Dreck zogen. Es folgten automatisch die Gedanken, dass sie dies wohl noch tun würden, jetzt, da ich nicht mehr dort war; oder wenn sie sich das nächste Mal untereinander trafen.

Als mir auffiel, was für Gedanken ich tatsächlich hatte, bin ich ehrlich etwas erschrocken. Warum kann ich nicht einfach davon ausgehen, dass diese jungen Männer eine ebenso tolle Erinnerung an das Gespräch haben würden wie ich – oder zumindest keine schlechte? Warum hängte ich ihnen diese Persönlichkeit an, die ziemlich sicher nicht der Realität entspricht?
Die Antwort darauf fand sich fast so schnell, wie die eigentlichen Gedanken: Die Erlebnisse in meiner Mittel- und Oberstufen-Zeit haben mich so sehr geprägt, dass sie mich noch heute begleiten. Und während ich im Kopf weiß, dass meine Freunde mich nicht so behandeln würden wie die Jungs vor 10 - 15 Jahren, so weiß es mein Herz wohl nicht vollständig. Denn, wüsste ich es auch in meinem Herzen, dann würde ich ihnen nicht andichten, dass sie hinter meinem Rücken schlecht über mich reden und denken. Und das möchte ich ändern, denn das ist nicht fair.
Neben der Tatsache, dass es mich fertigmacht, weil ich mich immer und immer wieder um dasselbe drehe und immer die gleichen Gedanken hochkommen, so ist es ebenso wenig fair gegenüber meinen männlichen Freunden und Kollegen. Denn ich setze sie alle einfach in den gleichen Topf und gebe ihnen gar nicht erst die Chance, mich vollends davon zu überzeugen, dass sie nicht die unsicheren und überforderten Jungs aus meiner Oberstufe sind.

Dieser Text hat nun einfach die Seite der Kollegen und Freunde behandelt. Die Gedanken, die ich habe, wenn ich mit einem männlichen guten Freund ein Gespräch führe. Dann muss ich mich nun unweigerlich fragen, wie es denn ist, wenn ich mich mal mit jemandem unterhalte, der mich vielleicht etwas mehr interessiert. Wie reagiere ich dann? Stecke ich ihn gedanklich auch sofort in eine Schublade? Lasse ich ihm ebenfalls keine Chance, sich selbst zu sein? Wird mein Kopf da ebenfalls das Bild der Jungs von früher auf ihn projizieren? Ich kann mit 100%-iger Sicherheit sagen: Ja.
Ja, ich hätte genau die gleichen Gedanken. Ja, ich würde ihm mit Vorurteilen in meinem Herzen begegnen.

Und . Das . Möchte . Ich . Nicht.

Weder bei einem potenziellen Partner, noch bei meinen Freunden. Somit möchte ich meine Gedanken gerne bewusst in eine andere Richtung steuern. An mich selbst gerichtet darf das Fragewort 'Warum' bleiben, aber die Frage darum herum muss sich ändern: 'Warum gibst du ihm nicht die Chance, sich selbst zu sein?'

Das, was sich jeder Mensch wünscht – und ich mir täglich erhoffe –, möchte ich meinem Gegenüber bieten. Männern im selben Maße wie den Frauen (bei denen es mir nicht so schwer fällt.)
Außerdem möchte ich mir immer wieder aufs Neue sagen, dass ich eben eine tolle Frau bin, mit der mal tolle Gespräche führen kann – ganz ohne Hintergedanken in jegliche Richtung ;-).

----------------------------------------

Phuu! Ich habe lange mit mir gehadert und mich gefragt, ob ich das wirklich hochladen soll, aber ich glaube, selbst wenn es niemand anderem hier hilft, so hat es wenigstens mir geholfen, diese Gedanken aufzuschreiben, zu sortieren und rauszulassen.

#ThoughtOfTheDay

Glg
Eure StephVi


Eintrag: 07.10.2019

StephVi's BlogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt