13. Hilferuf

184 12 6
                                    

Blinzelnd wachte ich auf, als ich ein kaum hörbares Geräusch vernahm, welches mich ziemlich stark an ein Schluchzen erinnerte. Etwas schlaftrunken richtete ich mich auf und spitzte verwundert meine Ohren. Und tatsächlich - jemand weinte. Ich wusste auch sofort um wen es sich handelte, doch zögerte ich. Sollte ich jetzt wirklich zu ihm gehen? Er fühlte sich gerade sicher und wollte bestimmt Zeit für sich alleine. Ich verzog nachdenklich den Mund, als ich Alucard leise schniefen hörte. Er versuchte sein bestes es zu unterdrücken, das brach mir mein Herz. Ich stand vom Bett auf und tappte leise aus meinem Zimmer. Ich stützte mich an der kalte Wand ab und lief den Treppenturm hinab. Mit Abstand blieb ich vor dem Zimmer stehen, aus dem man ganz deutlich das Schluchzen von Alucard hörte. Ich lehnte mich an die Wand und rang mit mir selbst. Sollte ich da jetzt rein gehen? Würde er sich angegriffen fühlen oder würde er sich mir öffnen? Nervös schaute ich auf meine Hand hinab, die sich an meinem Oberteil verkrampft hatte. Alucard würde das selbe für mich machen, da war ich mich sicher. Ich atmete ein letztes mal tief aus, ehe ich meinen Mut zusammennahm und leise in das Zimmer lief. Erst jetzt bemerkte ich, dass es das Zimmer von Dracula war, wo wir angefangen hatten mit ihm zu kämpfen. Ich schaute mich um und sah ein Bild mit einer jungen, wunderschönen Frau, die bestimmt seine Mutter war. Er vermisste sie schrecklich. Leise tappte ich auf ihn zu, während er anscheinend so versunken im Weinen war, dass er meine Anwesenheit nicht mal bemerkt hatte. Selbst den Silberpfeil, den ich anfangs verfehlt hatte, hing an der Wand, worauf ich nur traurig den Mund verzog. Vorsichtig ließ ich mich vor ihm nieder und legte behutsam meinen linken Arm auf sein Oberschenkel. Alucard verkrampfte sich augenblicklich und hob erschrocken seinen Kopf, worauf ich in sein verweintes, gebrochenes Gesicht schaute. Seine Augen waren geschwollen und gerötet, ihm liefen unkontrolliert Tränen die Wange hinab und sein Haar war komplett verwuschelt. Sein kaputter Anblick zerbrach mir das Herz, weshalb ich traurig mein Gesicht verzog. Er atmete verwundert aus und wusste nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte, worauf er nur schweigend in meine Augen schaute. "Was machst du hier?" fragte er mich mit zittriger Stimme, da strich ich ihm beruhigend über den Oberschenkel. "Ich will für dich da sein, Adrian." versuchte ich ihm deutlich zu machen, während die manchmal lang anhaltende Stille zwischen uns unerträglich war. Geschockt hatte er seinen Mund leicht geöffnet und blickte mir tief in die Augen. Ich wusste, dass ihm das alles sehr unangenehm war, doch musste er verstehen, dass ich für ihn da war. Und ich würde ihn mit solchen Dingen niemals alleine lassen. "Du verstehst das nicht." meinte er und klang ziemlich herablassend, doch nahm ich es ihm nicht übel. Immerhin war er gerade sehr verletzt und wollte vielleicht allein sein. "Natürlich verstehe ich dich da. Ich habe auch schon viele Menschen verlor-" , "Aber du hast niemals deinen eigenen Vater getötet, nicht wahr?" unterbrach er mich scharf und wollte gar keine Antwort auf seine Frage wissen. Überrumpelt blinzelte ich ihn an, während ich sofort meinen Mund schloss und grübelte. Ich wollte nicht, dass das hier noch zu einem Streit ausatmete, doch wollte ich ihn auch nicht alleine lassen. "Adrian, ic-" , "Verschwinde..." murmelte er und wischte sich mit gesenkten Kopf die Träne weg. Mitfühlend starrte ich ihn an und wusste nicht recht. Sollte ich jetzt wirklich gehen? Ich sah doch, wie gebrochen er war und wie sehr ihn das mitnahm. Er brauchte jemanden, der ihm Halt gab. Sowas, wie ich hatte, als meine Mutter gestorben war. Stumm schaute ich ihn weitergehend an, beobachtete ihn dabei, wie ihm weiter die Tränen seine Wange hinabliefen und er es versuchte einzustellen. "Geh' jetzt..." forderte er mich erneut auf und traute sich nicht mich anzuschauen. "Ich will dir nur helfen..." flüsterte ich ihm zu und legte meinen Kopf schief, in der Hoffnung seine wunderschönen, goldenen Augen zu sehen, doch verdeckte er sie mit seinen Händen. Erneut legte sich eine Stille zwischen uns, während draußen langsam die Sonne unterging, da kam mir eine Idee. "Wenn du magst, können wir darüber reden, das tut gut. Aber wenn du lieber schweigen willst, dann akzeptiere ich das. Nur lass uns dann zusammen den Sonnenuntergang anschauen. Na, wie wär's?" schlug ich leicht lächelnd vor und fing wieder damit an, ihm behutsam über den Oberschenkel zu streichen. Ich hoffte, dass ich endlich zu ihm hindurch drang. Doch hatte ich mich mächtig getäuscht. Langsam hob er seinen Kopf, während ich ihn weiter anlächelte. Verwirrt hatte ich meine Augenbraue hochgezogen, als ich diesen eigenartigen Blick von Alucard sah. War er... wütend? "Hm?" machte ich verwundert und verzog nachdenklich den Mund, als er mich schweigend anstarrte. Was hatte er den? "Ich habe dir gerade eben gesagt..." fing er an und schniefte. Plötzlich legte er seinen Fuß auf meinen Oberkörper, doch konnte ich nicht schnell genug reagieren. Mit Wucht schlug er mich von sich, worauf ich mit dem Rücken zu Boden fiel und unschön gegen die kalte Wand im Flur stieß. "... Dass du verschwinden sollst!" beendete er gereizt seinen Satz und funkelte mich wütend an, da schaute ich ihn etwas angsterfüllt an. Er schaffte es die Tür zu schließen, ohne sie zu berühren. Die Tür fiel in's Schloss, während ich wie gelähmt auf den Boden saß und fragend blinzelte. Er hatte mir erneut Angst gemacht. Enttäuscht seufzte ich leise und rappelte mich auf. Na gut. Dann ließ ich ihn halt erst mal alleine, ich hätte ihn nicht drängen sollen. Etwas traurig lief ich im Schloss umher und versuchte mir alles einzuprägen, während ich an manchen Stellen vorbeilief, die durch den Kampf stark beschädigt waren. Ich hoffte, dass sich Alucard bald beruhigte und sah, dass ich ihm eigentlich nur helfen wollte.
Die Zeit verging und Alucard hatte sich nicht einmal blicken gelassen, weshalb ich ohne ihn auf die Brücke des Schlosses ging und mich auf die Mauer setzte. Ein kühler Wind wehte umher, doch machte mir das nichts aus. Immerhin war ja die Sonne da, sie wärmte etwas. Vorsichtig ließ ich meine Beine hinab baumeln und schloss müde meine Augen, während die Sonne langsam unterging. Ich musste so schnell es ging wieder gesund werden, mein Dorf und mein Vater brauchten mich. Sie dachte bestimmt schon, dass ich gestorben wäre. Das mit Kylain musste ich ihnen auch irgendwie beichten, doch wie nur? Ich war schlecht in solchen Dingen, meine Mutter war immer die Einfühlsame gewesen. Von ihr hätte ich sowas lernen können. Stattdessen wuchs ich in einem Jägerclan auf. Wo die meisten weiblichen Jäger keine Chance auf hohe Positionen hatten, es sei denn du warst besonders. Ich war froh, dass mein Vater früh genug ausgetreten war und wir nun in diesem Dorf lebten. Zwar hätte mich Vater bestimmt mit irgendeinem verheiratet, aber vorher wäre ich noch abgehauen. Ich kicherte, als ich an meinen vergesslichen und schusseligen Vater dachte. Ich vermisste ihn und ich hoffte, dass er sich nicht all zu große Sorgen um mich machte. Völlig in Gedanken und Erinnerungen schwelgend, hatte ich gar nicht bemerkt, wie die Tür des Turmes geöffnet wurde und nun jemand unmittelbar hinter mir stand. Erst, als sich der blonde Halbmensch neben mich auf die Mauer setzte, öffnete ich verwundert meine Augen und schielte zu Alucard rüber. "Ich-" , "Ich-" fingen wir beide gleichzeitig an und unterbrachen uns auch synchron. Verdutzt schaute ich ihn an, worauf er mein Blick erwiderte, ehe ich verlegen zur Seite schaute. "Es tut mir leid." , "Es tut mir leid." sprachen wir erneut gleichzeitig, worauf ich ihn verwundert anstarrte. Was war denn das bitte? Ich kicherte, als ich mir so dumm vorkam und auch der Blonde kam nicht um ein Lächeln herum. "Helena, es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht was in mich gefahren ist, aber...." er seufzte und schaute bedrückt auf seine Hände hinab, während seine blonden Haaren in der kalten Winterluft wehten. Ich lächelte ihn von der Seite an, ehe ich abwinkte: "Schon gut, Alucard. Ich hätte dich nicht so drängen sollen.". "Ich bin dir sehr dankbar, Helena..." murmelte er und spielte nervös mit seinen Fingern, worauf ich verwundert eine Augenbraue hochzog. Was hatte er denn? "Du hast mir mein Leben gerettet und mir mehr als alle anderen vertraut. Ich stehe in deiner Schuld." , "Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht dich zu beschützen, egal was kommen sollte. Egal ob ich an diesem Tag draufgegangen wäre, solange bis du gesiegt hast, war mir alles andere egal." beichtete ich und schaute in die Ferne. Riesige Berge und unzähliger Wald lag vor uns. Die Aussicht war wunderschön, denn langsam verschwand auch die Sonne und es wurde dunkel. Geschockt über meine Worte, drehte sich der blonde Vampir zu mir um und schaute mich schief von der Seite an. "Dir wäre es also egal gewesen ob du gestorben wärst, solange ich lebe?" hakte er nach und klang etwas besorgt, worauf ich mein Kopf zu ihm drehte, mich mit meiner freien Hand am Stein abstützte und in sein makelloses Gesicht schaute. "Mhm, ja." , "Dann musst du ja froh sein, dass das jetzt alles vorbei ist." lachte er bitter auf, als die Sonne hinter dem Berg verschwand, bevor ich mich wegen seinen Worten verkrampft hatte. Bedrückt schaute ich zur Seite und war mir nicht sicher, ob ich seine indirekte Frage jetzt beantworten sollte oder lieber nicht. Doch Alucard schien bemerkt zu haben, dass mir etwas auf der Zunge lag, worauf er mich mit seinem brennenden Blick anschaute. "Nun ja, eigentlich... würde ich dich gerne weiter beschützen..." murmelte ich schüchtern und versuchte meine glühenden Wangen zu verstecken. Wie sehr ich diese Seite an meiner Art hasste. Alucard starrte mich wortlos von der Seite an, ehe er laut schmunzelte und in den etwas dunklen Himmel schaute. "Hm, das war ein wirklich schöner Sonnenuntergang." durchbrach er dann die Stille, die mich beinahe um den Verstand gebracht hatte. "Das stimmt..." nickte ich und sah, wie man langsam aber sicher die Sterne erkennen konnte. Auf einmal legte er seine Hand ebenfalls auf den Stein und berührte versehentlich meine Finger, worauf ich mich verspannte und zu ihm rüber schielte. Er schien sich nichts besonderes dabei zu denken, weshalb er mit seiner sanften Berührung fortfuhr und sich wie automatisch unsere Finger verschränkten. Mein Herz klopfte wie wild, als ich nicht ganz verstand, doch tat mir seine Nähe verdammt gut. Unsicher schaute ich zu ihm rüber, doch hatte er nur leicht lächelnd seine Augen geschlossen und ließ seine Haare im Wind wehen. "Weißt du..." seufzte er, nachdem mehrere, stille Minuten vergangen waren, an der wir einfach die Nähe des anderen genossen. Neugierig drehte ich mein Kopf zu ihm rüber und versuchte mich zu entspannen, doch brachte mich sein freches Grinsen gänzlich um den Verstand. "... Ich kann dein Herz schlagen hören. Es ist wie ein beruhigendes Geräusch für mich und ich weiß immer, wenn du aufgeregt oder ängstlich bist." verriet er mir, worauf ich meine Wangen aufgeblasen hatte und versuchte meine Röte zu verstecken, doch lachte er nur leise auf. "Was wohl die anderen Beiden gerade machen..." fragte er, während ich nachdenklich meinen Kopf hob und die Sterne anschaute. "Ich glaube, dass sich die beiden mögen." , "Mögen wir uns denn nicht?" fragte der Vampir etwas verwundert, worauf ich schnell den Kopf schüttelte. "Du weißt was ich meine... Sie empfinden was füreinander, nicht wahr?" , "Hm, das kann natürlich stimmen. Aber gut passen sie ja zusammen..." stimmte er mir murmelnd zu, da hoffte ich, dass es den Beiden wohl gut ging und ich sie bald wieder sah. "Alucard." , "Helena." erwiderte er mit seiner ruhigen Stimme, die so vieles in mir auslöste. "Es tut mir leid, dass du das jetzt alles durch machen musst. Aber du musst dich einfach nur daran erinnern, dass du die Menschheit gerettet hast. Du hast Trevor, Sypha und mich gerettet. Du hast meine Familie gerettet." sprach ich meine Gedanken aus, die mir so schwer über die Lippen gingen. "Ja..." murmelte er gedankenverloren, da riskierte ich einen Blick zu ihm, worauf mein Herz einen gefährlich langen Aussetzer machte. Alucard, ich glaube ich mochte dich. Plötzlich kicherte er leise, worauf ich mich verspannte und ihn verwundert anschaute. "Ich hatte dir doch eben gesagt, dass ich es höre, wenn du aufgeregt bist." grinste er, worauf ich schüchtern lächelte. "Warum warst du eigentlich auf den Weg nach Gresit?" , "Ich sollte für mein Dorf Vorräte besorgen. Es geht ihnen gerade nicht sonderlich gut." beantwortete ich schnell seine Frage, denn das schlechte Gewissen machte sich wieder in mir breit. "Aber was war passiert, dass du auf uns gestoßen bist?" fragte er verwundert und lehnte seinen Kopf zu mir rüber, da seufzte ich. "Ich hatte gegen eine Kreatur gekämpft." , "Ich weiß. Und weiter?" , "Ehm..." murmelte ich und wusste jetzt nicht, ob ich ihm in seinem Zustand über meine Verluste erzählen sollte. "Naja... ich wäre beinahe drauf gegangen, hätte mich nicht mein Begleiter gerettet und beschützt. Leider hatte er aber dafür sein Leben lassen müssen..." seufzte ich und schaute bedrückt in die Tiefe. "Das tut mir leid." , "Ach, alles gut." lächelte ich und schaute den Blonden dabei an. Er musterte mich, da erhaschte ich versehentlich einen Blick in sein edles Hemd, welches er stets trug. Tatsächlich, eine riesige Narbe schien sich über seinen gesamten Oberkörper zu erstrecken. "Was... ehm ist dir da eigentlich passiert?" fragte ich etwas zurückhaltend, ich wollte ihm nicht zu nahe treten. Verwundert schaute er auf sich hinab und legte seine freie Hand auf den Anfang seiner Narbe. "Als meine Mutter gestorben ist, wollte ich schon einmal meinen Vater aufhalten. Daraufhin hatte er mir diese Narbe zugefügt." erläuterte er und schaute in die Ferne, während er sich etwas nachdenklich über die Narbe strich. "Du musst mir unbedingt das Kämpfen mit einem Schwert beibringen." wechselte ich das Thema und schaute ihn hilfesuchend an, worauf er mich verwundert anblickte. Es legte sich ein sanftes Lächeln auf seine wohlgeformten Lippen, ehe er zustimmend nickte. Wir saßen noch ein Weilchen auf der Mauer, ehe wir beschlossen rein zu gehen und mal schauten, ob wir uns was zu Essen kochen konnten.

castlevania Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt