Blut tropfte den Esstisch hinab und verfärbte den hellen Teppich. Der Geruch nach Eisen schwängerte die Luft. Trotz des offenen Fensters war es stickig, die Luft zum Zerschneiden dick. Sie sahen sich an, an seinen Händen klebte Blut. Er wollte etwas sagen, doch das Schweigen dauerte bereits zu lang.
Will wandte sich ab, die grauen Augen dunkel. Er machte einen Schritt auf den Jüngeren zu, streckte die Arme aus, zog sich zurück. Sie waren Monster.
Zwei Tage redeten sie nicht miteinander. Dann hatten sie wütenden (verzweifelten) Sex. Danach gingen sie zur Normalität über. Fast zumindest. Will ließ das Fleisch auf seinem Teller liegen, doch er sprach nicht darüber. Sie waren gut im nicht drüber sprechen. Er kochte wieder vegetarisch. Will blickte ihn dankbar an.
Er erinnerte sich an die Nacht auf den Klippen.
„Das ist alle, was ich je für dich wollte, Will... für uns beide." „Es ist wunderschön."
Er hatte geglaubt, Will hätte seine Natur endlich angenommen. Hätte das Monster in sich gefunden und entfesselt. Er hatte sich geirrt. Will wusste um das Monster, doch er hatte einen Weg gefunden seine Mordlust zu kontrollieren. Er hatte sich mit dem Monster arrangiert, teilte sich ein Bett mit ihm. Doch er ließ es nicht gewinnen, ließ nicht zu, dass es tötete.
In seinen Gedanken verglich Hannibal Will mit Gott (mochte man ihm Gotteslästerung vorwerfen; es war ihm egal). Wills Empathie, seine Lage sich in die Menschen hinein versetzen zu können. Gott, der Mensch geworden war. Gott, der die Sintflut sandte, um die Sünder vom Angesicht der Erde zu spülen. Gott, der ein Kirchdach auf seine Anhänger fallen ließ. Will, der Jacob Hobbs tötete. Will, der Hannibal töten wollte.
„Sie sagten, es hätte sich gut angefühlt Garret Jacob Hobbs zu töten. Würde es sich gut anfühlen mich zu töten?" „Garret Jacob Hobbs war ein Mörder. Sind Sie ein Mörder, Dr. Lecter?"
Er hatte nicht lange auf die Antwort waren müssen.
„Sie haben meine Frage nie beantwortet. Wie würde es sich anfühlen mich zu töten?" „Gerecht."
Er hatte einst zu Will gesagt, dass Gott sich mächtig fühlte beim Töten.
„Das Töten muss sich auch für Gott gut anfühlen. Er macht es die ganze Zeit und sind wir nicht alle nach seinem Ebenbild erschaffen?" „Kommt drauf an, wen Sie fragen." „Gott ist schrecklich. Er ließ letzten Mittwoch in Texas ein Kirchendach auf 34 seiner Anhänger fallen, während sie einen Gospel sangen."
„Fühlte Gott sich gut deshalb?" „Er fühlte sich mächtig."Vielleicht fühlte Gott sich auch gerecht. Vielleicht waren Gott und Will Monster, weil sie glaubten, dass Gerechte zu tun. Weil sie beschlossen hatten, dass sie Macht besaßen zu urteilen, was gerecht war.
Er sprach mit Will. Über Monster, über den Hunger, über Gott. Sie stritten, sie schwiegen. Nicht für lange. Sie lagen wach und Will griff nach seiner Hand. Er wusste, dass Will seinen Hunger verstand. Er verstand ihn und eines Tages, dessen war Hannibal sich gewiss, würde er sich über die Stimme des Verstandes hinwegsetzen. Dann würde Will sich endgültig seiner Natur hingeben, dann wäre er vollkommen.
Hannibal war geduldig. Am Ende ihrer Geschichte würde diese Welt niederbrennen. Oh, er konnte es nicht erwarten, sie brennen zu sehen. Gemeinsam würden sie sich am Feuer wärmen. Würden einander im Glanz der Flammen erkennen. Einander Lieben.
Er gab Will Zeit. Sie redeten über die Leichen, die ihren Weg zierten. Garret Jacob Hobbs. (Mason Verger). Francis Dolarhyde.
Er hatte viele mehr getötet. Die meisten hatte er inzwischen vergessen. Nicht jedem Toten hatte er ein Kunstwerk gewidmet.
Sie spazierten durch Florenz. Er erzählte Will von Anthony Dimmond.
„Das ist diese Art von Party?" „Es ist definitiv nicht diese Art von Party."Sie spazierten durch Florenz und sie redeten über das Töten.
Er gab Will Zeit. Er war geduldig. Sie redeten über Kunst und über den Tod. Über den Tod in der Kunst. Er deutete Will einen Weg, ob dieser ihn einschlug, war seine Entscheidung. In einem früheren Leben hatte er Will auf einen dunklen Weg, seinen Weg gezwungen. Er hatte ihn gedrängt aus Neugier (aus Selbstsucht). Er hatte mit einer Waffe am Kopf für seine Ambitionen gezahlt.
„Sie waren neugierig, was ich tun würde. Jemand wie ich. Jemand, der denkt wie ich. Zieh ihn auf und schau, wohin er geht. Allem Anschein nach, Dr. Lecter, nehme ich diesen Weg."
Ein Fehler, den er kein zweites Mal machen würde. Wenn er eines in ihren vielen Leben gelernt hatte, dann dass er darauf vertrauen musste, dass Will den richtigen Weg einschlagen würde. Und wenn Will diesen Weg aus freien Stücken einschlug, dann läge ihnen die Welt zu Füßen. Dann stände ihnen die Ewigkeit offen. Früher oder später.
Früher. Sie waren außerhalb von Florenz wandern (Wills Wunsch). Ein kleines Dorf mitten in der Pampa. Sie kehrten in dem einzigen Café ein, welches das Dorf zu bieten hatte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte einer der Streuner Schutz im Schatten eines Hauses gesucht. Wills Augen waren auf den Hund gerichtet, dessen Fell vor Dreck starrte. Hannibal betete inständig, dass der Jüngere nicht auf die Idee kam, die räudige Kreatur mitnehmen zu wollen (nicht, dass er Will diesen Wunsch hätte abschlagen können).
Auch dem Besitzer des Cafés war Wills Blick nicht entgangen. Er deutete diesen nur vollkommen falsch. Mit einem Besen ging er auf den Hund los, schlug auf das Tier ein, als es sich nicht bewegen wollte. Als der Hund, am Ende seiner Kräfte, fort humpelte, drehte der Mann sich mit triumphierendem Lächeln zu ihnen um.
„Creatura disgustosa", er zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Sie tranken ihren Kaffee. Will verzichtete auf die Gabe von Trinkgeld. Als sie durch die brütend heißen Straßen zurück zu ihrem Auto gingen, stolperten sie über den Hund. Fliegen labten sich an seinen Wunden. Einige von ihnen waren frisch, das Blut war gerade erst getrocknet. Er lag mitten in der Sonne, sein Atem kaum existent. Will kniete sich nieder, befahl Hannibal Wasser zu besorgen.
Als er mit einer gefüllten Flasche zurückkam, hatte Will den Hund in den Schatten gebracht. Will saß neben dem Hund auf dem Gehweg, streichelte ihm sanft über den Kopf, während er ruhig auf ihn einredete. Sie blickte sich an. Sie wussten beide, dass es keine Hilfe mehr für das Tier gab. Sie befeuchteten die ausgetrockneten Lefzen, verscheuchten die Fliegen. Der Sterbeprozess dauerte Stunden. Will wich dem Hund kein einziges Mal von der Seite.
Als die Muskeln des Hundes sich im Tod ein letztes Mal aufbäumten, war es dunkel.
Er half Will auf die Beine, blickte in dessen müde Augen.
„Ich will, dass er stirbt", flüsterte Will und Hannibal nickte.Sie kehrte ein zweites Mal in dem Café ein.
„Siamo chiusi". Wir haben geschlossen.Sie blickten einander an. Er ließ Will den Vortritt. Es dauerte nur wenige Minuten. Der Leidensweg des Mannes war kürzer als der des Hundes. Sie warteten die Nacht ab, dann warfen sie den Körper in den Hinterhof. Hannibal legte die Organe frei, aus dem Schatten wurden sie von hungrigen Hundeaugen beobachtet. Die Streuner des Dorfes erwartete in dieser Nach ein Festmahl (ein Totenschmaus).
Organe wurden über den rauen Hof geschleift. Will betrachtete ihr Werk. Er betrachtete Will. Es war vollkommen, sie waren vollkommen.
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A Soft Epilogue
FanfictionSie waren gefallen. Tief hinab, nicht tief genug. Sie waren auferstanden. Sie hatten gelebt, sie lebten. Tausend Leben. Miteinander, ohne einander. Am Ende waren sie wieder zusammen. A short story by ProfessorLMoriarty Comments are appriciated