Der Ring in seiner Tasche wog Tonnen. Der Ring wog Tonnen, während er kochte. Sanft schnitt er das Fleisch in hauchdünne Scheiben. Die Lunge warf er in den Mixer, nachdem er diese gewässert und gegart hatte. Anschließend machte er sich ans Herz, welches den heutigen Hauptgang darstellte (er besaß ein gewisses Faible für die Symbolik). Will saß auf dem Sofa und beobachtete ihn beim Dünsten des Herzens. Vermutlich wusste er, dass etwas anders war. Will wusste immer alles. Er hatte gewusst, dass Hannibal ihn liebte (er hatte dieses Wissen gebraucht, um ihn auszuspielen). Will hatte auch gewusst, wo er ihn suchen musste, damals als sie das erste Mal nach Europa geflohen waren. Er hatte sich finden lassen. Er würde sich immer von Will finden lassen.
Sie aßen schweigend. Es bedurfte keiner Worte zwischen ihnen. Schweigend legte er den Ring neben Wills leeren Teller. Sah einen Hauch der Überraschung in den Augen des Jüngeren aufblitzen. Will blickte ihn an, als er sich den Ring über den Finger streifte. Stumm, sie hatten sich bereits alles mitgeteilt. Sie mochten in Italien nicht heiraten dürfen, aber nun waren sie es in ihrem Kopf. Das war alles, was zählte.
Er hielt Will in der Nacht. Ließ die Dunkelheit das Zimmer übernehmen, erlaubte sich Glück zu fühlen. Sie schliefen durch, das taten sie selten. Er wusste, dass es töricht wäre, einer Nacht zu viel Bedeutung zuzusprechen. Dennoch ließ er sich selbst hoffen, dass sie nun endlich heilen würden. Das nach tausend Leben nun eines außerhalb des Schmerzes auf sie wartete. Sie hatten einander bis aufs Blut bekämpft. Jeder Kampf hatte Narben hinterlassen. Narben, die sie immer daran erinnern würden, dass die Vergangenheit einmal Realität gewesen war. Ihre Realität. Schrecklich blutig.
Ein Messer im Bauch. Ein totes Kind. Missbrauchtes Vertrauen. Ein Stoß von den Klippen.
Ihre gelebten Leben tanzten bildgewaltig durch seinen Kopf. In dieser Nacht hatte er zum ersten Mal das Gefühl sie hinter sich lassen zu können. Losgelöst von ihren Kriegen, hielt er Will. Die Angst vor dem nächsten Verrat schien ihm ferner den je (sie gehörte zu einem anderen Leben). Er hielt Will, weil er ihn liebte. Ihn immer geliebt hatte, ihn immer lieben würde.
In guten wie in schlechten Zeiten.
In dieser Nacht war er zuversichtlich, dass nun die Guten kämen. Sie mussten einfach kommen. Sie beide hatten Frieden verdient. Sie beide hatten verdient, dass ihre zerbrochenen Leben zurück zueinander fanden.
Wills Narben schmerzten. Sie würden auf ewig an ihre Sünden erinnern. Abends küsste er jede einzelne Erhebung der Haut. Er wusste, dass Will die Narben versteckte. Was würden die Leute denken, wenn sie sie sahen? Hannibal küsste die Narben, pries sie, liebte sie. Sie erinnerten an die Leben, die sie gelebt hatten. Miteinander, ohne einander. Leben, die sie letzten Endes hierhergeführt hatte.
Sie hatten blutige Umwege genommen. Er entschuldigte sich nicht für die Umwege. Er küsste Wills Narben. Wenn sie miteinander schliefen, würde man kaum für möglich halten, dass die Narben von ihm stammten. Sie waren langsam, vorsichtig, sanft. Ihr erstes Mal war beinahe unsicher gewesen. Immer wieder hatten sie aufeinander gewartet.
In derselben Nacht hatte Will einen Albtraum gehabt. Hannibal hatte nicht schlafen können und so hatten sie geredet. Im Schutz der Nacht war es einfacher ehrlich miteinander zu sein.
Er verzerrte sich nach Will. Inzwischen hatte er das Gefühl, dass auch Will sich nach ihm verzerrte. Die Ringe an ihren Fingern zeugte davon. Das Ziehen in seinem Magen, wann immer sie einander nah waren. Er vermisste Will, wenn dieser zum Einkaufen oder Joggen ging. Sie redeten darüber. Er hielt Will. So viele Jahre vergeudet in sinnlosen Kämpfen. So viele Jahre ohne die Berührung des anderen. Er hatte Jahre in einer Zelle verbracht. In seinen Gedanken war er immer bei Will gewesen. In seinen Gedanken waren sie hier gewesen in Florenz.
Er fragte, ob es Will wichtig wäre gesetzlich zu heiraten. Sie könnten in die USA oder in die Niederlande, wenn Will wollte. Will schüttelte den Kopf, welcher auf Hannibals nackter Brust lag. Sie beide hatten viel Zeit miteinander in ihren Köpfen verbracht. Warum sollte der Ring am Finger und das Wissen um die Liebe des anderen, weniger Wert sein als ein Dokument vom Standesamt?
Sie unternahmen Tagesausflüge. Manchmal hatte er das Gefühl ein bekanntes Gesicht unter den Menschen zu sehen. Alana, Jack. Dann kamen sie näher und es stellte sich heraus, dass es lediglich eine Frau mit braunen Haaren war, die Alana in Größe und Struktur ähnelte. Er redete mit Will, welcher nur den Kopf schüttelte und seine Hand nahm. Sie hatten beide Dämonen zu bekämpfen, die in der Dunkelheit ihres Geistes auf sie warteten.
Er kochte für sie. (Sie mordeten gemeinsam). Drängten die Dämonen zurück in den Tümpel, aus welchen sie gekrochen kamen. Alana, Jack.
Sie besuchten Rom, wo das Leben an ihnen vorbeigeflossen war. Nun schien es durch sie durchzufließen. Er hielt Will auf der Engelsburg. Er flüsterte ihm ein Liebesgedicht auf den Schwellen zum Vatikans Staat ins Ohr. Er küsste Will im Petersdom.
Sie ignorierten den abfälligen Blick eines anderen Touristen. Sie küssten sich noch einmal, leidenschaftlicher. Letzten Endes wurden sie von einem Sicherheitsmann raus gebeten. Er legte Will beruhigend eine Hand auf die Brust. Versuchte dem Mann eine Visitenkarte abzuquatschen. Es funktionierte nicht, doch er konnte sich nicht darüber ärgern. Wie hätte er sich an einem Tag wie heute über irgendwas ärgern können?
Er führte Will in die Oper. Will hielt seine Hand, als er die Augen schloss, um den Klängen der Symphonie zu lauschen. Als das Orchester die Reprise anstimmte, klang sie in seinen Ohren schöner als das gesamte Stück zuvor. Dieses Leben war ihre Reprise. Ihr Da capo al fine.
Will und er lebten. Sie waren zusammen. Die Ewigkeit wartete außerhalb ihrer Gedankenpaläste auf sie. Er war bereit für diese Ewigkeit. Florenz würde ihre Ewigkeit werden. Und wer immer sie verärgerte würde brennen, denn sie waren vollkommen.
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Die Kirche stand in Flammen. Ihre Welt brannte, er hielt Will und im Glanz der Flammen liebten sie einander. Am Ende ihrer Geschichte brannten sie ihre Welt nieder. Doch die Flammen wärmten ihn nicht. Er drehte sich zu Will um. Der Schweiß tropfte von Wills Gesicht. Der Schweiß lief, tropfte und wusch Wills Gesicht fort.
Wills Gesicht. Schweiß. Wills Gesicht zerlief vor seinen Augen. Dunkle Haare, zu lang. Wills Locken. Schweiß. Wills Augen zu hell, zu groß. Hannibal stolperte zurück. Ein Traum. Die Welt begann sich zu drehen. Ein Albtraum. Wills Gesicht schmolz vor seinen Augen. Er streckte seine Hand aus, prahlte gegen eine kalte Wand aus Glas.
Er blickte auf, direkt in Alanas blaue Augen.
„Hannibal, du musst zurückkommen. Du hast keine Zeit mehr."
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A Soft Epilogue
FanfictionSie waren gefallen. Tief hinab, nicht tief genug. Sie waren auferstanden. Sie hatten gelebt, sie lebten. Tausend Leben. Miteinander, ohne einander. Am Ende waren sie wieder zusammen. A short story by ProfessorLMoriarty Comments are appriciated