𝐞𝐥𝐞𝐯𝐞𝐧

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Durch das blecherne Klingeln seines Handys wurde Felix aufgeschreckt und realisierte erst nach einigen Sekunden, dass er in dieser Sekunde von einer fremden Nummer angerufen wurde. So, wie vor ein paar Wochen. In sich zog sich bereits alles zusammen, weil er nur zu genau wusste, was ihn nun erwarten würde. Dass ihn die nächsten Worte zerstören und ihn vollkommen aus der Bahn werfen würden.

Mit zittrigen Fingern nahm Felix den Anruf entgegen und traute sich nicht einmal zu Wort zu melden. Er wollte es nicht hören, noch konnte er es.

"Hallo?", krächzte er schwerschluckend hervor, hatte seine Augen bereits geschlossen, kämpfte gegen die innere Leere, die so langsam in ihm aufkam. Den letzten Funken an Hoffnung wollte Felix dann doch nicht in sich begraben. Er wollte Chan nicht gehen lassen. Schließlich war er sein bester Freund und was wäre er ohne seine bessere Hälfte? - In seinen Augen wäre er ein Nichts. Ein Wrack, welches allein nicht zurecht kam. Selbst Seungmin könnte ihm dann nicht mehr weiterhelfen.

"Spreche ich mit Lee Felix?"
"J-Ja"
"Gut. Hier ist Herr Kim, der behandelte Arzt von Ihrem Freund. Es tut mir leid Ihnen sagen zu müssen, dass er es nicht geschafft hat und die Verletzungen ihm das Leben gekostet haben."

Ab da an konnte sich Felix an kaum etwas erinnern, als war es so gewollt, dass er all die Dinge vergaß, die passiert waren. Die er tat, um seiner Trauer Luft zu machen. Das Einzige, woran er sich noch erinnern konnte, war, dass Seungmin ihn Nichts ahnend einen Besuch abstattete und er auf einen völlig aufgebrachten Felix traf, den er nie so erlebt hatte.

Der Australier hatte ihn mehrfach angeschrien, dass er verschwinden sollte, obwohl er das genaue Gegenteil wollte. Seungmin sollte bei ihm bleiben, weil er diese Leere in sich nicht aushielt, die ihn zugleich anschrie, dass er die Einsamkeit wählen sollte, um andere zu schützen, weil er eine Gefahr für seine Freunde war. Dass seine Worte andere derartig zerstören konnten, als dass er darüber nachdenken konnte.

Seungmin war gegangen und hatte Felix allein gelassen, weil er von der Krankheit des Australiers nicht Bescheid wusste. Hinterfragt hatte er es auch nie, höchstens Sorgen waren in ihm aufgekommen, die aber am nächsten Tag abgeklungen waren, weil Felix so normal wie immer war.

Über die Zeit wurden diese psychische Instabilität ein Problem, vor allem nach drei weiteren Wochen nach Chans Tod. Felix sprach darüber nicht, sondern ließ Seungmin leiden. Mit all seinen Anfällen, die er hatte und oft endeten sie im Streit. Wie ausgewechselt schien der Australier zu sein, als wäre von dem sonst so glücklichen Jungen nichts mehr übrig zu sein. Viel eher war eine widersprüchliche Person, die Dinge sagte, die er gar nicht meinte, sondern das Gegenteil wollte.

Und irgendwann wurde er von Seungmin vor eine Entscheidung gestellt, die ihn zur Verzweiflung brachte. Der Koreaner hatte nämlich genug gehabt von den verletzenden Worten. Immerhin war er Felix' Freund zu diesem Zeitpunkt gewesen. Und dafür würde er auch einiges in Kauf nehmen, aber Seungmin hatte genug gelitten, seiner Meinung nach, sodass er teilweise bezweifelte, dass Felix ihn überhaupt noch liebte. Viel eher kam er sich nämlich wie ein Stressball vor.

Seitdem hatte sich Felix viel mehr in sich gekehrt, war nicht einmal mehr zur Universität gegangen und sah sich als ein Opfer seiner Psyche. Seiner instabilen Gefühle, die er nicht mehr kontrollieren konnte. Egal mit welche Methode er auch versuchte diese loszuwerden, sie häuften sich, während er die Angst hatte daran zu ersticken.

Aus Frustration hatte er sich selbst geschlagen, sich selbst Wunden zugefügt, um endlich wieder Atmen zu können und um nicht mehr neben sich zu stehen. Ja, manchmal kam es ihm sogar so vor, als würde Felix sich selbst sehen. Zusehen, wie seine Psyche seinem Körper Schaden zufügte, nur damit es ihm erträglicher ging.

Und irgendwann hatte er über all das die Kontrolle verloren, sodass er keine andere Aussicht sah, den Notarzt zu rufen. Es gab sonst keine zweite Person, die ihm dies hätte abnehmen können.

Sonst wäre er wohl nicht mehr am Leben gewesen.

𝗥𝗼𝘀𝗲𝘀 ✧ SEUNGLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt