𝐧𝐢𝐧𝐞

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"Würdest du den tatsächlichen Grund für mein Verschwinden wissen, würdest du mich noch viel mehr hassen! Ich bin nicht wie Hyunjin und das werde ich auch nie sein." Nur ein leises Wimmern entkam Seungmin, weil er sich derartig hintergangen fühlte und zugleich konnte er sich nicht wehren. Weder gegen Felix, noch gegen sich selbst. Gegen die Gedanken und Erinnerungen, die ihn plagten. 

Seitdem Felix' bester Freund den Unfall hatte und über vier ganze Wochen um sein Leben gekämpft hatte, diesen Kampf jedoch verlor, brach für den Australier eine Welt zusammen. Er konnte es nicht einmal realisieren, währenddessen ihm sein eigenes Leben aus dem Händen glitt und je mehr er versuchte es zu retten, desto mehr verlor er sich, aber auch Seungmin. Gar täglich hatten sie sich gestritten wegen den belanglostesten Dingen. Oft war Felix selbst der Dreh und Angelpunkt, weswegen es zum Streit kam. Seine Gefühle hatte er schon lang nicht mehr unter Kontrolle. Wütend und traurig war er zur gleichen Zeit und das überforderte ihn, ließ seine Gefühlswelt auf andere ab, besonders auf seinen Freund, den er damit durchgehend verletzt hatte. Seine Worte waren noch so scharf und verletzend. 

"Du redest nicht... nie. Du hast mir nie die Chance gegeben, dir zuhören zu können."

Seungmins leisen, geflüsterten Worte trafen Felix, weil es der Wahrheit entsprach. Die Wahrheit, die er nicht hören wollte, weil er wusste, dass er nicht der Einzige war, der verletzt war und darunter zu leiden hatte, mit seiner Entscheidung, die er tätigte. Nur wie sollte man jemanden das Chaos in seinem Kopf erklären, wenn man es nicht einmal selbst verstand? Wenn man versuchte gegen dieses versuchte anzukämpfen, es aber einen ständig in die Knie zwang? 

Wieder stieg in Felix die Verzweiflung und die Wut auf sich selbst, dass er den wichtigsten Menschen in seinem Leben derartig verletzt hatte, sodass dieser keine andere Hilfe sah, als sich von ihm abzuwenden. Der Australier kaute auf seiner Unterlippe herum, um sich wenigstens ein bisschen beruhigen zu können. Jedoch war dies kein guter Ausweg, schließlich biss er sich dadurch im schlimmsten Fall die Lippe auf, wodurch es blutete und er den widerlichen, eisenhaltigen Geschmack wahrnahm. 

"Ich konnte mich nie erklären. Das hat nichts mit dir zutun! Ich hatte einfach nur Angst, dass du mich als einen anderen Menschen ansehen wirst, wenn du die Wahrheit über mich weißt... Ich hab so Angst... Vor allem vor mir und das wird niemand verstehen können... Ich kann es selbst nicht einmal verstehen, um es erklären zu können." 

Nun wandelte sich Seungmins Gefühle in Besorgnis, vor allem dann, als Felix selbst anfing zu weinen, plötzlich nicht mehr der Starke war, wie sonst. Es war ein ungewohntes Bild, denn bisher hatte Seungmin ihn nur ein oder zweimal weinen gesehen. Einmal als es hieß, dass Chan verstorben war und dann auf dessen Beerdigung. Sonst zeigte Felix nie negative Emotionen. Wobei Tränen nicht unbedingt heißen mussten, dass man vor Traurigkeit trotzte. Mit ihnen konnten man auch positive Gefühle ausdrücken, nur war der Australier nie wirklich jemand gewesen, der lieber sein Lächeln und seine gute Seite zur Schau stellte. 

Als wäre Felix ein Roboter, der nur Glück empfinden konnte. Dabei empfand er viel mehr als das, nur nach Jahren hatte er verlernt dies ebenso zeigen zu können. Als hätte er ein Fehler in seinem Programm. 

"Ich kann dir die Wahrheit nicht sagen, was die letzten drei Monate vorgefallen war... Es zerstört dich. Du siehst mich als jemanden, der viel zu schwach ist, obwohl er immer nur seine starke Seite zeigen wollte, die sich nicht unterkriegen lässt." 

Und dann spürte Felix, wie er vom Jüngeren überraschenderweise in den Arm genommen wurde, somit für einen kurzen Moment die Gefühle des Koreaners in den Hintergrund rückten. Ja, vielleicht war es nicht klug von Seungmin gewesen, nachzulassen, aber er war nie wirklich nachtragend, sodass er Menschen zig Chancen geben würde, selbst wenn er daraufhin immer und immer wieder verletzt werden würde. Vor allem, wenn er andere leiden sah. Dann konnte er erst recht nicht einfach so wegsehen. 

Dabei war es nicht einmal verwerflich, wenn man für einen Moment schwach war, denn jeder war es mal und das musste Felix verstehen lernen.

𝗥𝗼𝘀𝗲𝘀 ✧ SEUNGLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt