Vertauscht

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Auch wenn die Fahrt nicht lange dauerte, waren beide eingenickt. Der Fahrer musste beide wachrütteln, damit er sie aus dem Wagen bekam. Es war wohl ein sehr langer Tag gewesen, und es wurde Zeit ins Bett zu gehen. Eindeutig.

Müde, und immer noch leicht sauer, warf Aizawa die Autotür zu und schritt auf das neue Lehrerwohnheim zu, vermied es, All Might noch eines Blickes zu würdigen. Der Alkohol hatte dafür gesorgt, dass er leicht überreagiert hatte, also war es wohl besser, irgendwelche Unterhaltungen erst am nächsten Tag fortzusetzen, wenn er wieder nüchtern war. Sicher war sicher. Zumindest schien der Blonde wohl auch der Meinung, immerhin hielt er ebenso die Klappe.

Shota stöhnte, sein ganzer Körper schien zu schmerzen, nicht nur sein Kopf. Es war plötzlich so schlimm, dass er sich kurz abstützen musste, während er kurz die Augen schloss. Vielleicht hätte er doch lieber nichts trinken sollen, aber für gewöhnlich reagierte er nicht so extrem auf Alkohol. Es fühlte sich fast so an wie damals nach dem Schurkenangriff im USJ.

„Aizawa?", erklang es neben ihm etwas unsicher, aber es klang irgendwie nicht nach All Mights Stimme, und dennoch kam sie ihm bekannt vor. War sein Geist so benebelt?

Mit einem leisen „Hm?" wandte er sich dem blonden Kollegen zu. Im nächsten Moment riss er geschockt die Augen auf, da er nicht neben All Might stand, sondern neben einem schwarzhaarigen kleineren Mann. „Was zum ...", fluchte Shota verwirrt. Vor ihm stand er selbst, nur dass er im Moment größer war und auf sich herabblickte. Was war in diesem Bier gewesen? Vielleicht hatte ihn ja jemand unbemerkt unter Drogen gesetzt.

Doch der andere Lehrer war nicht minder verwirrt, als er bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte. Schließlich war es ihm seltsam vorgekommen, dass beide seiner Arme nicht mehr verbunden oder eingegipst waren. Er hatte auch ein bisschen gebraucht, bis er es bemerkt hatte, aber nachdem er sich selbst an der Mauer des Wohnheims lehnen sah, nachdem er um das Auto herumgegangen war, war er sich sicher, dass irgendetwas schieflief.

„Scheiße", fluchte Aizawa weiter und fasste sich ins Gesicht, tastete die kantigen eingefallenen Wangen ab, fühlte den Verband am Kopf, und zog eine der blonden Haarsträhnen in sein Blickfeld. „Ist das ein Traum? Eine Halluzination?", fragte er unsicher. Er war aufgeregter, als er eigentlich sein wollte und bekam schwer Luft, musste schließlich husten und schmeckte den metallischen Geschmack von Eisen im Mund, der ihn kurz würgen ließ.

„Hey, ruhig! Beruhig dich bitte!", versuchte All Might beruhigend auf ihn einzureden, als er den Hustenanfall bemerkte, „du solltest Aufregung auf jeden Fall vermeiden." Aus Erfahrung wusste er, dass es alles nur schlimmer machte. „Ich weiß, dass sagt sich so leicht, aber glaub mir." Vorsichtig strich er Shota über den Arm, und hoffte, dass es ein wenig half. „Lass uns erst einmal reingehen", schlug er kurz darauf vor, nachdem der andere wieder halbwegs normal atmen konnte.

Aizawa nickte und sah zu, wie die Gestalt, die so aussah wie er, die Tür öffnete und sie ihm aufhielt. Für den ersten Moment war das wirklich alles recht viel aufeinmal. Langsam trat er ein und wollte direkt auf eines der Sofas zusteuern, als ihm die Kartons ins Auge fielen, die überall herumstanden. Verdammt, da war ja was.

„Ah, ihr zwei seid endlich hier! Hat ja wirklich lange gedauert", plauderte Mic drauf los, als er seine Kollegen entdeckte, „danke schonmal für die Hilfe, Eraser!", fuhr er fröhlich fort und drückte dem Schwarzhaarigen auch gleich einen besonders schweren Karton in die Hand. Jener, den Mic für seinen Kumpel hielt, stöhnte. „Das ist noch einer der leichteren Kartons. Komm schon, mein Zimmer ist da hinten! Du hast es versprochen! Außerdem gönnen wir uns danach Bier. Also hopp."

„Verdammt Mic, muss das jetzt sein?", murrte Aizawa und rieb sich die eingebundene Stirn, „wieso hast du überhaupt so viel Zeug mit?" Als eher minimalistisch lebender Mensch konnte Shota nicht wirklich verstehen, wieso Menschen so viel Besitz hatten, vor allem ein einziger. So groß waren die Zimmer, die sie hier zur Verfügung hatten, auch nicht.

Hizashi, der sich schon zum Gehen umgewandt hatte, drehte sich wieder zu den anderen beiden um und sah kurz verwirrt drein und legte den Kopf schief. Der Tonfall und die Wortwahl klangen eindeutig nach seinem besten Freund, aber die Stimme passte so gar nicht. Seit wann war All Might so schnippisch wie Eraser? „Ihr zwei versteht euch jetzt besser, oder wie? Was so ein ganzer Tag Arbeit ausrichtet", stellte er einfach mal fest und schüttelte den Kopf, woraufhin sich eine Strähne aus dem Manbun löste, „in den meisten Kartons ist mein Equipment für meine Shows, und die brauche ich nun mal."

„Heißt das, du nimmst deine Podcasts jetzt hier auf? Finde ich wirklich klasse!", meinte All Might und lächelte freundlich. Der Karton war zwar schwer, aber da Shotas Körper zum Glück muskulöser war als es den Anschein hatte, war es kein Problem. Nur der rechte Ellbogen begann mit der Zeit richtig wehzutun, je länger er den Karton hochhielt. Das musste wohl eine Nachwirkung von der Verletzun durch Shigarakis Macke sein.

Natürlich hatten sie sich noch immer keinen Millimeter bewegt, und Yamada sah im nächsten Moment auch nicht so aus, als ob er es bald tun würde. Viel eher wirkte er komplett erstarrt, als würde es in seinem Kopf ziemlich schwer arbeiten, ehe er beide Arme hochhob und auf die beiden zeigte. „Ist das ein Spiel? Ein Rollentausch, oder so?" Ein schnippischer All Might und ein breit grinsender Eraser waren zwei Dinge, die nicht ins Bild passten. Beides wirkte sogar sehr verstörend, vor allem letzteres, auch wenn sein Grinsen aufrichtig wirkte und nicht so aufgesetzt und gruselig wie sonst immer.

„So in etwa, keine Ahnung, vermutlich", gab Aizawa von sich, schritt zum Sofa und ließ sich darauf fallen, was er jedoch im nächsten Moment bitter bereute, da jeder Muskel und jeder Knochen in seinem Körper aufzuschreien schien. Scharf sog er die Luft ein. „Fuck", stöhnte er und verzog seine Miene.

Schnell stellte All Might den Karton ab und eilte zum Sofa. „Es tut mir so leid ...", entschuldigte er sich, auch wenn er nicht ganz wusste, wofür. Schließlich konnte er sich nicht daran erinnern an dieser Misere schuld zu sein. Doch, dass Shota nun seine Schmerzen ertragen musste, tat ihm fürchterlich leid. Das hatte der junge Mann nicht verdient, er selbst ja genauso wenig.

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