Geheimnisse

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Sie saßen noch nicht lange im Auto, als der nervtötende Klingelton von Toshinoris Handy erklang. Shota schüttelte den Kopf, während der andere den Anruf entgegennahm. „Izuku, mein Junge. Was gibt's denn?", fragte Yagi im gewohnt fröhlichen Ton. Erst einen Augenblick darauf fiel beiden Männern ein, dass sie ja nach wie vor im falschen Körper steckten und anders klangen als gewöhnlich. Ungläubig starrte Eraser den Dunkelhaarigen an, der ebenso verstummt war und die Augen aufgerissen hatte.

Auch am anderen Ende des Telefons wurde es kurz still. „Ähm ... sorry? Herr Aizawa?", fragte der Schüler verwirrt und sah vermutlich in diesem Moment noch einmal auf das Handy, um zu checken, wessen Nummer er gewählt hatte.

Schnell griff Aizawa sich das Mobiltelefon seines Kollegen, und stellte es auf Lautsprecher, ehe er sich räusperte. „Nein, nein. Ich bin nur ... etwas erkältet", log er schnell und hustete kurz. Eine bessere Ausrede fiel ihm nicht ein, auch wenn es wie ein Klischee klang.

Erneut entstand etwas Stille, doch da die Stimme nun zu der Person passte, die angerufen worden war, schien Midoriya beruhigt. „Oh nein, All Might! Das ist ja furchtbar", erklang es besorgt, „tut mir leid, dass ich dich dann störe. Du solltest dich ausruhen!"

Aizawa rollte mit den Augen. Er hasste es, wenn jemand nicht sofort mit dem Grund rausrückte, weswegen er anrief oder ein Gespräch suchte. So etwas war sehr zeitraubend. „Ist irgendetwas passiert?", fragte er daher nach und versuchte möglichst höflich zu bleiben und nicht genervt zu klingen. Wie schaffte All Might es nur, ständig so freundlich zu sein, obwohl alle um ihn herum so schrecklich nervtötend waren?

„Ähm ... nicht direkt", druckste Izuku weiter herum, „ich wollte nur noch einmal mit dir wegen One for All und All for One sprechen."

Verwirrt runzelte Shota die Stirn und sah zu seinem Kollegen auf, der ihn panisch anblickte. Man konnte ihm ansehen, dass er am liebsten das Handy geschnappt und aus dem Fenster geworfen hätte. Stattdessen räusperte und hustete er kurz und verstellte die Stimme so gut es ging, um als Aizawa wie All Might zu klingen. „Ich fühl mich wirklich nicht so gut, kann das warten?", versuchte er seinen Fanboy abzuwimmeln und schien darin viel geübter zu sein, als Shota, was diesen stutzig machte.

„Ja, natürlich ... ruh dich aus und gute Besserung!", wünschte der Grünhaarige, auch wenn er ein wenig enttäuscht klang, als er auflegte.

„One for All?", wiederholte Aizawa und starrte seinen Kollegen skeptisch an, der sehr nervös wirkte. Es war direkt seltsam seinen eigenen Körper so schwitzend und panisch dreinblickend zu sehen. „Wer oder was ist das?" Ein weiterer Bösewicht und Bruder von All for One? Oder ein Held und somit Gegenstück zu dem dunkelsten aller Schurken?

Am liebsten wäre Toshinori aus dem fahrenden Auto gesprungen, doch er wagte zu bezweifeln, ob das eine gute Idee wäre. Am Ende würde er nur den Körper seines jungen Kollegen verletzen, und das wäre sehr kontraproduktiv, sobald sie wieder in ihren normalen Körpern steckten. „Nichts ... nichts Interessantes", winke Yagi ab und hoffte, dass es damit getan war. Bisher konnte er doch solchen Fragen immer wunderbar ausweichen.

Doch Aizawa gab sich damit nicht zufrieden. „Könnten Sie bitte anhalten?", fragte er stattdessen an den Taxifahrer gewandt. Kaum als das Taxi hielt, hievte er den großen blonden Körper aus dem Wagen und wartete darauf, dass auch Toshinori ausstieg.

Sie waren an dem Strand, den Izuku auf Vordermann gebracht hatte, während sie hier trainiert hatten. Schweigend gingen sie ein wenig spazieren, ehe Aizawa stehen blieb und sich seinem Kollegen zuwandte. „Du weißt schon, dass es sehr auffällig ist, wenn du ständig mit Midoriya zusammenklebst und ihr anscheinend Geheimnisse habt. Außerdem ähnelt seine Macke deiner wirklich sehr", stellte er fest und sah den anderen streng an. Anscheinend waren die beiden sogar so vertraut miteinander, dass sie miteinander telefonierten und bei den Hausbesuchen hatten sie sich genau dann getrennt, als Midoriya als nächstes dran gewesen wäre. „Ist er dein Sohn?"

„Was?", platzte es aus All Might heraus, ehe er abwinkte, „nein nein, ist er nicht!" Nervös fuhr er sich durchs dunkle Haar und wandte sich ab. Irgendwie kam er sich wirklich äußerst unwohl vor, nachdem er und Shota in den letzten Stunden einiges gemeinsam erlebt hatten, und er ihn nun anlog und abwimmeln wollte.

„Aber er hat deine Macke, oder?", stelle Aizawa plötzlich eine Frage, die Toshinori die Luft zum Atmen raubte. Mit großen Augen starrte er den anderen an, was Shota wie eine Bestätigung vorkam. „Nachdem nach Kamino ein paar Helden keine Macke mehr haben, und diese Nomus auch alle seltsames Mackenverhalten aufweisen, hatte ich diese Vermutung. Zuerst dachte ich, dass Midoriya vielleicht dein uneheliches Kind wäre, aber nach der ganzen Sache erscheint mir das am wahrscheinlichsten", fuhr er fort, „außerdem hast du keine Macke mehr." Er hatte versucht, die Kräfte von All Might zu aktivieren, doch da war nichts mehr, was man aktivieren könnte. Es war wie eine Leere, die stattdessen in ihm herrschte, was nicht nur an der Erschöpfung vom letzten Kampf kommen konnte.

Yagi sah zu Boden und seufzte. Als er wieder aufsah, wirkte er erleichtert und lächelte sogar etwas. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du verdammt schlau bist, Eraserhead?", meinte er sanft, „ja ... es stimmt. One for All war die Macke, die ich von meiner Meisterin erhalten habe und die ich Izuku weitergegeben habe. Jetzt bin ich ... wieder mackenlos." Irgendwie tat es ganz gut, darüber sprechen zu können. Als Held sollte man ein Vorbild sein und nicht lügen, weswegen er das Thema immer umgangen hatte. Er konnte auch gar nicht lügen, zumindest nicht sehr gut, daher wäre es sinnlos, weiter alles abzustreiten.

„War das Problemkind auch mackenlos? Das würde zumindest erklären, wieso er sich immer alle Knochen bricht. Du solltest es ihm besser beibringen", sagte Shota und setzte danach ein schiefes Lächeln auf, „danke für deine Ehrlichkeit. Euer Geheimnis ist bei mir sicher." Ehrlichkeit war doch immer am besten.

„Hey, das ist All Might!" „Was? Kraaaaass!" Ihre Aufmerksamkeit wurde prompt auf die kleine Gruppe an Menschen gelenkt, die sich ihnen näherte.

„Oh verdammt", murrte Toshinori und seufzte, „los, lass uns schnell zum Taxi zurück, bevor sie uns erreichen. Wer weiß ob die Nummer von vorhin noch einmal funktioniert!" Das ließ sich Shota nicht zweimal sagen.

Freaky FridayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt