Am Morgen weckte mich mein Handwecker, mit einer schrecklich nervenden Musik, die ich aber trotzdem nie umstellte. Die fünf Stunden waren wie in Sekunden vergangen, aber ich fühlte mich trotzdem relativ fit, weshalb ich den Kaffee am Morgen dieses Mal nicht in Anspruch nahm. Ich packte meine Unterlagen und den Laptop für meinen Kurs in die Tasche und warf meinem Beta Fisch "Killer" noch ein kleines Leckerli in sein Becken, er hat eine wunderschöne rot-weiße Farbe. Mein Killer hat aber leider nicht gerne Mitbewohner; selbst Fische, die angeblich sich mit Betas vertragen, wurden grausam ermordet aber ein paar konnte ich noch retten. Sie lebten aber leider nicht so lange, wie ich es gedacht hätte. Killer ist nun seit etwas über einem Jahr mein Mitbewohner und wir sind uns ziemlich gleich, ich mag es auch nicht mit anderen Menschen zusammen zu wohnen. Trotzdem hatte ich an der Universität ein paar Kommilitonen, mit denen ich mich gut befreundet habe.
Genervt schulterte ich meine Tasche und ging aus der Wohnungstür, die ich sofort hinter mir abschloss. Das Treppenhaus war still, wodurch sich meine Schritte wie Elefantenschritte anhörten und so polterte ich die alte Treppe hinunter. An meinem Klingelschild angekommen, bemerkte ich, dass jemand anderes dieses schon gereinigt hat und man die Buchstaben wiedererkennen kann. Stumm dankte ich meinen Nachbarn dafür und machte mich mit schnellen Schritten auf den Weg zur Bahn. Dieses Mal hatte ich an meine dicke Winterjacke aus Baumwolle gedacht, welche mich bei meinem Tempo schon fast zum Schwitzen brachte. Es war später Herbst und das Wintersemester hat vor wenigen Wochen angefangen, daher standen am Bahnsteig viele Studierende, die ich größtenteils schon einmal auf dem Campus gesehen hatte. Da ich Olivia, eine Kommilitonin aus meinem Semester, nicht direkt sehen konnte blieb ich stehen und wartete darauf, dass die Bahn bald einfahren würde.
Gerade als ich die Bahn einfahren sah, überraschte mich Olivia von der Seite mit einem fröhlichen und viel zu lautem "Hallo!". Einige andere drehten sich zu uns um, doch nur mich schien dies zu stören, während Olivia mich fröhlich umarmte, als ob wir uns nun Monate nicht gesehen hätten. In Wirklichkeit war es nur das Wochenende, wobei wir eigentlich auch öfter am Tag miteinander geschrieben hatten.
Ihre Freude lockte ein Lächeln in mir hervor und der triste graue Morgen war doch nicht mehr so nervig wie vorher. Während wir in die Bahn einstiegen erzählte ich ihr von meinem Spaziergang am Abend und von der schönen Gegend, in der ich mich verlaufen hatte. Olivia ist erst zum Studienstart in unsere Stadt gezogen und ich erwartete nicht, dass sie die Ortschaft gut kannte.
"LAURI! Du musst besser auf dich aufpassen, was ist, wenn du dich einmal wirklich verläufst?" schrie Olivia mich schon fast an. Wir saßen an einem vierer Platze, bei dem ich mit der Fahrtrichtung und Olivia gegen diese saß. Ich legte schnell meinen Finger an meinen Mund und hauchte ein "Shh", da ich merkte ich nun zum zweiten Mal heute von Fremden angestarrt werde.
"Ich hatte doch mein Handy dabei und es sah nicht nach so einer schlechten Gegend aus, sicher hätte man mir auch geholfen." antwortete ich ihr leise, während dessen ich versuchte mein rotes Gesicht in der Spiegelung des Fensters neben mir zu ignorieren. "Aber, ..." setzte Olivia an, doch ich unterbrach sie direkt, bevor sie mir eine Predigt über mein unsicheres Leben hält. "Ich gebe mir Mühe nächstes Mal vor dem Sonnenuntergang zuhause zu sein." Damit beruhigte ich sie und sie nickte anerkennend und dankbar. Die weitere Bahnfahrt unterhielten wir uns über unsere Dozenten, die wir in den verschiedenen Kursen hatten. Ich studiere Erziehungswissenschaften und Olivia Sozialwissenschaften, trotzdem hatten wir vereinzelte Kurse zusammen, da die Themen sich teilweise überschneiden.
Angekommen an unserer Station fühlte es sich an, als ob wir nie aussteigen konnten. Eine kaum überschaubare Menschenmasse bewegte sich aus den Türen der Bahn zum Bahnsteig, während einzelne Personen versuchen gegen den Strom in den Innenraum der Bahn einzusteigen. Dies verlangsamt den ganzen Prozess. "Können die nicht warten?" zischt Olivia neben mir etwas lauter, als ein jugendlich aussehender Junge sich an uns vorbei quetscht. Ich schüttelte nur den Kopf und versuchte so gut es ging mit dem Strom zu laufen.
"Ich wünsche mir einfach nur einen normalen Tag." quengelte ich, als ich endlich nach 3 Minuten die Bahn verlassen konnte. Olivia und ich liefen mit dem Strom vom Bahnsteig zu den Universitätsgebäuden. "Es gibt keine normalen Tage." lachte Olivia und schien sich darüber sehr zu freuen. "Gestern war für mich ein normaler Tag!" pflichtete ich bei und hoffte, dass ich ihre unperfekte Weltansicht damit nicht beschädigte. "Du hast dich gestern verlaufen, obwohl du hier seit Jahren lebst. Klingt nicht normal für mich." trällerte sie und grinste mich dabei frech an. Sie wusste, dass dieser Punkt an sie ginge, doch ich wusste, dass sie es nicht böse meinte.
Doch für den Rest des Tages behielt ich recht, nichts Merkwürdiges passierte und der Tag verlief strukturiert und nach Zeitplan, nicht zuletzt, weil mein Dozent sehr auf die Zeiten achtete, um keine einzige Überstunde machen zu müssen. Da Olivia schon seit drei Stunden zuhause sein musste, schrieb ich ihr eine kurze Nachricht, dass ich nun endlich Schluss hatte und nun drei Stunden früher spazieren ging, damit ich sicher bin. In der Bahn war kaum etwas los daher setzte ich mich in den Viersitzer und hörte Musik, während die bekannte Landschaft an mir vorbeizog. Fünf Lieder waren nun vergangen und aus den Lautsprechern kam nun der Name meiner Haltestelle. Ich streckte mich und ging entspannt zur Tür, die sich wenige Augenblicke öffnete und ich aus der Bahn stieg. Ich atmete die frische Luft tief ein und ging dann nachhause.
Nun war es im Treppenhaus lauter, ich hörte Stimmen und dumpfe Geräusche hinter den Türen, wahrscheinlich saugt gerade jemand. Ich schloss meine Tür auf und begrüßte Killer, der für ein paar Sekunden mich anstarrte aber dann wegschwamm. "Du erwartest auch, dass du immer Futter bekommst" schmunzelte ich, während ich mit einem Fisch sprach, der mir nie antworten wird und mich auch nicht versteht.
In Gewissheit dessen seufzte ich laut und setzte mich kurz auf die Couch im Wohnzimmer. Das mechanische Surren meines Nachbars war sowohl entspannend als auch nervend. So schloss ich für einige Sekunden meine Augen und öffnete sie dann wieder. Killer starrte mich unter seinem Algenblatt an, als ob ich irgendetwas verrücktes machen würde. Ich tippte einmal leise gegen das Glas und als er erschrocken sich in eine hintere Ecke zurückzog, entschuldigte ich mich leise. Meine Tasche ließ ich neben mir liegen, während ich mir langsam aufstand und mich für den Spaziergang bereit machte. Die Luft war kühler draußen, wahrscheinlich weil ich mich an die Wärme in der Wohnung gewöhnt hatte. Dieses Mal habe ich kein Fenster geöffnet, damit es so warm bleibt.
Ich steckte mir meine Kopfhörer ins Ohr, während ich langsam in eine beliebige Richtung abbog. Die Musik lies mich leichtfüßiger Laufen und schnell fand ich mich auf meiner Strecke wieder, die ich täglich laufe. Gedanken verloren achtete ich nur auf die Musik und die Schritte. Es war ein ruhiger Tag, die Sonne war noch klar am Himmel und es war nicht so grau wie am gestrigen Tag, sondern der Himmel war blau und die Sonnenstrahlen tanzten zwischen den Blättern.
Ich hörte über meine Musik hinaus eine laute Stimme. Daher nahm ich sie heraus und drehte mich um, damit ich vernehmen konnte, woher die Stimme kommen könnte. "HEY! Wer bist du? Du gehörst hier nicht her!" rief ein Mann knapp 1 Meter vor mir entfernt, ich erschrak und fand mich wenige Sekunden später auf meiner Couch wieder. Ich brauchte einige Sekunden, um dies zu begreifen und schaute mich in alle Richtungen um. "Es war nur ein Traum!" stieß ich erleichtert aus. Die Erinnerung war sehr lebhaft, es war wohl einer dieser Träume, die sehr realitätsnah waren. Die Wohnung war ruhig und der Blick aus dem Fenster verriet mir, dass ich zwei Stunden lang geschlafen hatte. Da sich Olivia sonst als meinen Babysitter einstellen wird, entschloss ich nicht spazieren zu gehen, sondern mich für den nächsten Kurs für morgen vorzubereiten.
Olivia hatte recht, es gibt keine normalen Tage.
DU LIEST GERADE
Dream vibes
Fantasy"Träume sind die Tore, die unsere Seelen wandern lassen." dies sagte Laurens Mutter zu ihr jede Nacht. Jahre lang glaubte sie, dass der Spruch nur da war um ihr als Kind die Angst vor Albträumen zu nehmen, doch was ist, wenn dieser Spruch mehr Wahrh...