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Die Nachtluft und der Lärm von der Straße, aber auch vom Hinterhof stoß durch das gekippte Fenster zu Nickolas hinauf. Seine Glieder waren schwer und seine Augen träge, er konnte die kühle Luft nur auf seinen spröden, dünnen Lippen spüren und auf seinem Gesicht. Es zog, aber es sollte ihn wach halten. Er hatte die Wand angeschaut, lange, und jetzt schaute er auf den Hof. Es gab eine Schaukel aus Metal, Kopfsteinpflaster und verwesene Bäume. Straßenlampen surrten. Nickolas zog ein Päckchen Kokain aus seiner Jeanstasche.

Er sah es einen Moment lang mit einer gleichgültigen Mine an, sah keinen Feenstaub oder runtergerieselten Schnee, sondern nur eine Droge. Dann nahm Nickolas eine große Scherbe, schüttete das Kokain aus der Plastiktüte darauf und zerteilte es mit einer Rasierklinge zwischen seinen tauben Fingerkuppen in feinste Partikel. Er nahm sich einen Flyer seiner Schule, der für Inklusion warb und dafür, Absturzkinder wie ihn auf die richtige Bahn zu bringen, schob das Kokain darauf in eine Linie und zog das weiße Pulver mit dem abgeschnittenen Stück eines Strohhalmes durch seine Nase.
Nickolas legte den Kopf in den Nacken, sah gegen die Decke und musste schließlich ironisch lächeln, als er wieder den benutzten Flyer ansah.

Er räusperte sich, packte alles weg, roch die Nacht, das Nass auf den Straßen und den Lärm der Autos und sah schließlich aus dem Fenster, an dem er saß, sah das Mädchen gegenüber, wie sie die Arme um sich selbst geschlungen hatte, ihre Haare unordentlich und als sie dann schluchzen musste - sonst weinte sie immer leise, mucksmäuschenstill - drückte sie sich die Hand vor den Mund.
Nickolas sah sie noch ein wenig an, studierte ihr Gesicht, ihre Hände, wartete auf den Kick des Kokains und vergass sie für die nächsten Stunden, als dieser eintrat. Er schloss das Fenster, roch nichts.

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