Das Einzige, was Nickolas in die kunstvolle Realität flüchten lassen konnte und trotzdem noch nicht die Brutale war, waren seine Fantasie, seine Gedanken, ein Konstrukt aus Illusion, Droge und der realen Sue. Nickolas sperrte sich nicht ein, doch wurde in sich selbst eingesperrt. Er fürchtete sich vor der Zukunft, vor dem Viertel, vor dieser Wohnung, vor Kokain und vor dem, was sein eigenes Ich fähig war sich selbst anzutun.
Im März setzte Nickolas jeglichen Rest daran in diesem abgedunkelten Zimmer bleiben zu können. Es war melodramatisch zu sagen, dass Drogen das Einzige waren, was Nickolas noch fühlen ließen, aber wurde er durch sie doch wenigstens gereizt und fahrig. Das war eine Regung, eine Reaktion. Es war zu viel für ihn, eine Reizüberflutung, das Serotonin blieb aus.
In diesen Momenten, in dieser alltäglichen Zeit dachte Nickolas an das Mädchen im anderen Fenster, dachte an ihre Schmerzen, an ihre Schläge, an ihr aufgelöstes Sein. Ihr leichter Blick verfolgte ihn nicht, doch leitete ihn zu einer irrealen Sichtplattform, von der aus er ihr zuschauen und sich fühlen konnte, als würde er wenigstens noch an einem Leben teilnehmen.
Er hätte sich gerne selbst ausgelacht, aber dafür war sein Selbstmitleid schon zu ausgeprägt. Nickolas hätte sich bloß schuldig sich selbst gegenüber gefühlt.
Nun fühlte er sich ganz merkwürdig, verzerrt, wie ein Störbild. Das Rauschen blieb.
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Fremde
Krótkie OpowiadaniaVon Sue und Nickolas, die sich schon ihr ganzes Leben lang durch ihre Fenster sahen. Von Hämatomen, Drogen und dem Großwerden in einem Drecksviertel. [TW: Beschreibt häusliche Gewalt, SVV und den Konsum von Drogen] Ade Vede; Oktober 2020