𝐃𝐀𝐍𝐂𝐄 𝐎𝐍 𝐓𝐇𝐄 𝐁𝐋𝐀𝐂𝐊𝐓𝐎𝐏

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𝐃𝐚𝐧𝐜𝐞 𝐨𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐁𝐥𝐚𝐜𝐤𝐭𝐨𝐩
𝐒𝐥𝐚𝐧𝐠 𝐟𝐨𝐫: »𝐭𝐨 𝐠𝐞𝐭 𝐬𝐭𝐚𝐛𝐛𝐞𝐝«

Das erste Mal, das ich dem Tod begegnet bin, war mit zehn Jahren. Bis zu diesem Tag hatte ich eine friedliche Vorstellung von ihm. Denn ich war der Überzeugung gewesen, es gäbe für jeden Menschen ein Leben nach dem Tod. Mehr als ein Jahrzehnt später bin ich der Meinung, den Gott, den meine Eltern anbeten, ist die Zeit. Doch diese ist weder barmherzig, noch kann man sie um Verzeihung der Sünden bitten. Sie schreitet unerbittlich voran. Mit ihr kann man nicht verhandeln. Genau das wird mir schmerzlich wieder ins Gedächtnis gerufen, als ich auf das Bild von der rothaarigen Schönheit starre.

»Stimmt es, dass sie hier als Stripperin gearbeitet hat?« Der abschätzige Ton des Bundesagenten bringt das Blut in meinen Adern zum Kochen. Ich verabscheue die Feds. Sie stolzieren in das Leben von Menschen, wenn es vorbei ist und erlauben sich dann über sie zu urteilen.

»Tänzerin. Sie war hier TänzerinUnd Prostituierte.

Meine Worte klingen schärfer als eigentlich beabsichtigt. Ich hätte nicht geglaubt, überhaupt einen vollständigen Satz über meine Lippen zu bringen. Ich fahre und besitze nicht einmal ein Auto, weil ich Angst vor Verkehrskontrollen habe. Die bloße Vorstellung auch nur mit einem Streifenpolizisten reden zu müssen, hält mich davon ab. Meine Ablehnung ist dem männlichen Agenten nicht verborgen geblieben. Er rümpft die Nase und sieht mich durch seine braunen Augen geringschätzig an. Innerlich schrumpfe ich wieder um ein paar Zentimeter, während ich das alberne Bedürfnis unterdrücken muss mich wie ein kleines Kind hinter Hunter verstecken zu wollen.

»Wie auch immer...«, murmelt der Polizist, bevor er sich Hunter zuwendet. »Kannten Sie Summer?«

Ich sehe ebenfalls zu ihm auf. Hunters Mimik wirkt im ersten Moment völlig entspannt, da ich aber etwas seitlich zu ihm stehe, kann ich erkennen, dass seine Kiefermuskeln etwas hervortreten. Ich deute das als Verärgerung, was vermutlich einer allgemeinen Abneigung gegenüber Gesetzeshütern geschuldet ist. Berufskrankheit.

»Nein.«

»Sie hat vor etwa einer Woche gekündigt. Seitdem ist sie hier nicht mehr aufgetaucht«, mische ich mich leise ein, wobei ich dabei die weibliche Agentin ansehe, die sich fleißig Notizen macht und auf mich sehr viel sympathischer wirkt als ihr Vorgesetzter. Das wahrscheinlich auch nur, weil sie bis jetzt noch kaum ein Wort gesagt hat.

»Eine Woche sagten Sie?« Ich nicke als Antwort auf die Nachfrage des Agenten. »Wissen Sie, ob irgendjemand einen Groll gegen sie gehegt hat. Ein eifersüchtiger Exfreund vielleicht? Oder ein aufdringlicher Gast?«

Unsicher sehe ich zu Hunter, der mir mit nüchterner Miene begegnet. Ich kenne das Spiel. Selbst, wenn ich etwas wissen sollte, kann ich es ihnen nicht sagen. Die Bundespolizei ermittelt nicht, wenn die Leiche einer Nachtclubtänzerin gefunden wird. Hier geht es um mehr als einen Mord. Es geht um das Dime. Ich habe keine Ahnung, wer ihnen die Information zugespielt hat, dass Summer hier gearbeitet hat. Mit Sicherheit haben sie Blut geleckt und nur auf den richtigen Moment gewartet den Club genauer unter die Lupe zu nehmen. Summers Tod ist nur nebensächlich für sie. Das FBI schert sich nicht um Leute wie Summer – Leute wie mich.

»Nein, ich kenn- kannte sie kaum. Ich arbeite selbst erst seit ein paar Monaten hier. Viel haben eine Tänzerin und eine Barkeeperin nicht miteinander zu tun.« Eine Lüge. Vor meinem inneren Auge blitzen Erinnerungen an Weihnachten auf. Keira, Diamond, Summer und ich sitzen neben einem kitschigen pinken Weihnachtsbaum, den ich mir für die Feiertage gekauft habe. Wir trinken Gin and Tonic und verspeisen Fertigpizza. Ein Familienfest für die ohne Familie. Mein Herz zieht sich krampfhaft zusammen. Ich muss ein paar Mal gegen den Tränenschleier ankämpfen, der sich über meine Netzhaut legt.

𝐀𝐋𝐋 𝐃𝐀𝐘 𝐀𝐍𝐃 𝐎𝐍𝐄 𝐍𝐈𝐆𝐇𝐓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt