𝐂𝐚𝐝𝐢𝐥𝐥𝐚𝐜
𝐒𝐥𝐚𝐧𝐠 𝐟𝐨𝐫: »𝐚𝐧 𝐢𝐧𝐦𝐚𝐭𝐞'𝐬 𝐛𝐮𝐧𝐤«Als ich gegen kurz nach halb eins aus dem Dime trete, bin ich erleichtert, dass meine Spätschicht endlich zu Ende ist. Ich habe meine Arbeitsklamotten gegen eine lockere Jeans und ein bequemes Sweatshirt getauscht. Somit friere ich nicht allzu sehr, wenn ich den kurzen Weg zu meiner Wohnung auf mich nehme. Der Winter ist vorbei, aber in Frühjahrsnächten liegt die Temperatur meist trotzdem nur etwas über null Grad. Umso dankbarer bin ich, dass ich lediglich einmal die Straße überqueren muss. Auf der des Dimes' gegenüberliegenden Seite befinden sich Wohnungen, die Ace – unglaublich kostengünstig und ausschließlich – an seine Leute vermietet. Das rote Backsteingebäude ist schon alt. Sicherlich würde eine Renovierung dem Haus und insbesondere dem Fahrstuhl, den ich aus Angst seit meinem Einzug meide, guttun. Allerdings bin ich froh, überhaupt eine so preiswerte Wohnung, noch dazu direkt gegenüber von meiner Arbeitsstelle gefunden zu haben. Neunundneunzig Prozent der Immobilieneigentümer möchten sowieso nicht an ehemalige Häftlinge vermieten. Wahrscheinlich müsste ich in irgendeinem Keller hausen, hätte mir Ace nicht dieses Angebot unterbreitet.
Das Einzige, was mir dabei widerstrebt, ist natürlich die Tatsache, dass ich mit unzähligen Gesetzesbrechern unter einem Dach lebe. Im Gegensatz zu mir, versuchen sich die meisten hier nicht aus illegalen Machenschaften rauszuhalten. Nein, sie stecken bis zum Hals in der Scheiße mit drin.
Meine Hände zittern vor Kälte, während ich versuche meinen Haustürschlüssel in meiner übergroßen Handtasche zu finden. Zwischen den zerknüllten Arbeitsklamotten und einem ganzen Hausrat, den ich darin horte, ist es jede Nacht aufs Neue unmöglich den kleinen Schlüsselbund zu finden. Erleichtert atme ich auf, als ich das kalte Metall der Schlüssel doch noch zwischen meinen Fingern spüre. Die sperrige Holztür geht wie immer nur schwer auf. Ich schnaube, sobald ich in den etwas wärmeren Flur betrete.
Obwohl meine Wohnung im zweiten Stock liegt und ich dazu noch völlig ausgelaugt bin, würdige ich dem klapprigen Fahrstuhl keines Blickes. Zielstrebig laufe ich auf die stabileren Betontreppen zu. Die Stille im gesamten Haus verwundert mich nicht. Die meisten Bewohner treiben sich nachts eher in den Gassen Chicagos umher oder schuften in Aces' Einrichtungen, anstelle wie ich noch vor eins in den Federn zu liegen.
Ich kämpfe mich mit Müh und Not die letzten Treppenstufen nach oben, ehe ich endlich vor meiner Wohnungstür stehe. Ich schiebe die riesige Metalltüre auf und stehe in meinem Ein-Zimmer-Apartment mit perfektem Blick auf das Dime.
Bevor ich das Licht anschalte, fetze ich zu meinem großen und auch einzigen Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Ich sehe hinunter auf die Straße. Kurz darauf macht sich eine merkwürdige Aufregung in mir breit. Denn im Lichtkegel der Straßenlaterne, erblicke ich unverkennbar Hunter. Als er vor einigen Stunden einfach verschwunden ist, hat es ihn wohl in einen anderen Teil des Dimes geführt. Aus sicherer Entfernung fühle ich mich deutlich wohler in ungeniert zu beobachten. Hunter verabschiedet sich von einem Kerl, den ich nicht erkennen kann, da er mit dem Rücken zu mir steht. Er geht allerdings zurück in das Dime, weshalb er definitiv kein Unbekannter für mich sein kann. Hunter dagegen zieht sein Telefon aus der Hosentasche. Er wirft nur einen kurzen Blick darauf, bevor er seinen Kopf in den Nacken legt. Mein Herz bleibt für einen Moment stehen, da er gefährlich lange in meine Richtung sieht. So, als könnte er erahnen, dass ihn gerade jemand beobachtet. Sehen kann er es aus dieser Position und aufgrund der Dunkelheit aber unmöglich. Seine Augen scannen für eine ganze Weile das Backsteingebäude ab. Ich weiß nicht, was er sich erhofft dabei zu erkennen. Erst, als er wieder wegsieht, bemerke ich, dass ich durch die Anspannung eine ganz verkrampfte Pose eingenommen habe. Ich verlagere mein Gewicht auf mein anderes Bein, während Hunter schwarze Handschuhe aus seiner Anzugjacke hervorzieht. Er streift sich diese über die Finger, dreht sich um und verschwindet mit drei langen Schritten in der Dunkelheit.
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𝐀𝐋𝐋 𝐃𝐀𝐘 𝐀𝐍𝐃 𝐎𝐍𝐄 𝐍𝐈𝐆𝐇𝐓
RomansaNach drei langen Jahren hinter Gittern, versucht Lola das Chaos in ihrem Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nachts arbeitet sie im Dime - Chicagos berühmtesten Club und Parketthandel für krumme Geschäfte - während sie tagsüber dem Traum von eine...