Sue (Teil2) : 12

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Ich zog mir Jacke, Mütze und Schuhe an. Dann rannte ich raus und schnappte mir mein Fahrrad.

Draußen dämmerte es schon leicht. Ich hatte zwar nicht auf die Uhr geguckt, aber ich schätze auf halb fünf.

Die Sonne war gerade dabei gewesen unterzugehen, als ich auf das Fahrrad stieg und in den roten Himmel hineinfuhr.

Es sah wirklich wunderschön aus - und damit das Gegenteil der Situation in der ich mich gerade befand. Oder besser gesagt: Dachte, dass ich mich in ihr befinden würde! Der Weg, den ich nahm, führte mich durch etliche Abzweigungen. Links, rechts, halb links, Kreisverkehr. Doch ich kannte diesen Weg so gut wie keinen anderen.

Ich tritt in die Pedale, wie eine Bescheuerte. Ich muss mich beeilen. Ich darf nicht zu spät kommen.

Klar, ich hatte nur eine Vorahnung, aber trotzdem, irgendetwas bestätigte mich in dieser.

Nach geschätzten 10 Minuten, die ich eigentlich immer brauchte, kam ich an. Allerdings fühlten sich diese 10 Minuten überhaupt nicht an wie zehn Minuten, sondern viel mehr wie eine halbe Stunde.

Noch mit keuchendem Atem stellte ich mein Fahrrad ab und klingelte.

Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht es abzuschließen. Warum auch? Mein Gefühl sagte mir,  dass ich mein Fahrrad gleich schnell brauchen würde. Und auf mein Gefühl konnte ich mich bisher immer verlassen!

***

Nachdem ich erneut geklingelt hatte, starrte ich auf die Tür. Es schien so als wäre niemand zu Hause. Oder sie hatten die Klingel immer noch nicht gehört. Gerade als ich nochmals klingeln wollte, fasste eine Hand von hinten auf meine Schulter.

Ich zuckte zusammen.

Mein Atem fing wieder an schneller zu werden. Er wurde sogar richtig panisch. Dann, ganz plötzlich,  fuhr ich herum.

Doch als ich in die Augen der Person sah, wessen Hand sich vor einigen Sekunden auf meine Schulter gelegt hatte, ließ ich die vor Schreck angesammelte Luft in meinem Mund lautstark wieder heraus.

Es war nur Lacys Nachbarin, bei der wir früher sämtliche Nachmittage mit Kekse essen und Tee trinken verbracht hatten.

Das waren schöne Zeiten. Doch sowas im Moment wieder mal mit ihr zu machen, schien beinahe unmöglich. Bei der jetzigen Situation, in der Lacy sich anscheinend befand....

"Wolltest du zu Lacy?" ,fragte die ältere Frau.

"Ja. Wissen Sie, ich habe im Moment irgendwie ein ungutes Gefühl.Mittlerweile kann ich dem auch glauben, immerhin kennen Lacy und ich uns schon so lange, das ich glaube zu wissen wie es ihr geht..."

"Das glaub' ich dir. Die Oberwiesers sind jedoch schon seit mehreren Tagen nicht mehr aus dem Haus gegangen. Vor etwa zwei Tagen am Abend sah ich ein Auto wegfahren. Ich denke, es war das Auto von Tanja. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr oder Lacy gehört. Und Herr Oberwieser ist hier ja schon längere Zeit nicht gewesen. Ich kann dir da dann leider nicht wieterhelfen..."
Oh mann. Lacy und ich hatten uns tatsächlich total voneinander entfernt. Ich wusste noch gar nichts davon, dass ihr Vater anscheinend nicht mehr hier lebte. Und wenn Lacys Mutter vor ca. zwei Tagen hier weggefahren ist, dann ...

Plötzlich ergab alles ein bisschen mehr Sinn in meinem Kopf. Lacy war mitgefahren und konnte deshalb auch nicht in die Schule. Stellte sich nur noch die Frage:

Wo war sie dann?

Ich unterhielt mich noch ein paar Minuten mit der Nachbarin und fuhr dann wieder nach Hause. Diesmal hatte mich mein Gefühl tatsächlich getäuscht. Aber trotzdem ... ein gutes Gefühl hatte ich immer noch nicht.

Destroyed girlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt