3. Leaving the Shire

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Ich saß auf meinem Bett, und starrte aus dem Fenster.
Seit dem Gespräch mit Gandalf schwirrte mir der Kopf.
Hatte ich die richtige Entscheidung getroffen? War es wirklich die bessere Wahl Zuhause zu bleiben?
Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an den Bettpfosten.
Und da hörte ich sie das erste Mal.
Die Melodie, die mich noch viele Jahre lang verfolgen, und mich in dunklen Nächten glauben lassen sollte, sie durch die leeren Räume hallen zu hören. Sie war erfüllt von der Verzweiflung, die ihre Sänger zu dieser Zeit gespürt haben mussten.
Und dann begann einer der Zwerge zu singen. Sofort wusste ich, wer es war.
Nie hatte ich etwas Schöneres gehört. Seine Stimme war tief, und rau, sie riss mich sofort mit sich.
"Far over the misty mountains cold."
Fast schon glaubte ich die Berge zu sehen; die schneebedeckten Gipfel, die steilen Felshänge.
"To dungeons deep and caverns old."
Vorsichtig stand ich auf, und schlich zum Türrahmen.
"We must away ere break of day."
Hier hatte ich einen weitaus besseren Blick auf die seltsame Versammlung in meinem Wohnzimmer. So unterschiedlich sie auch wirken mochten, hatten sie doch eines gemeinsam. Sie würden Thorin zum Erebor folgen, und ihm treu zur Seite stehen, wenn er ihre Heimat zurückerobern würde.
"To find our long-forgotten gold."
Thorin stand mit seinem Rücken zu mir gewandt vor dem Kamin, und starrte in die Flammen.
"The pines were roaring on the height."
Nun hatten auch andere Zwerge eingesetzt zu singen, aber obwohl er nichtmal am lautesten sang, übertönte Thorins Stimme die der anderen.
"The winds were moaning in the night."
Obwohl ich wusste, dass diese warme Sommernacht kein Lüftlein mit sich brachte, so bildete ich mir doch ein, den Wind zu hören, der an der Wand entlangstrich, und an den Fenstern und Türen rüttelte.
"The fire was red, it flaming spread."
Unwillkürlich fühlte ich mich an Smaug erinnert. Der Drache hatte die Heimat der Zwerge zerstört, und ihren Schatz an sich gerissen. Und ihnen war nichts geblieben, als Armut und Einsamkeit.
"The trees like torches blazed with light."
Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Langsam glaubte ich die Verbitterung der Zwerge zu verstehen.
Ich wollte mich gerade abwenden, und wieder leise in mein Schlafzimmer verschwinden, als Thorin sich plötzlich umdrehte und mich erblickte.
Lange sahen wir uns wortlos gegenseitig an, und in diesem Moment empfand ich nichts als Hochachtung vor ihm. Er schien vom Leben geprägt, er hatte bereits mehr durchmachten müssen, als jeder andere Zwerg zuvor. Trotzdem war er bis hier her gekommen, und bereit weiter zu gehen.
Vorsichtig nickte ich ihm zu, bevor ich mich abwandte und in meinen Räumlichkeiten verschwand.
Kaum hatte ich die Tür hinter mir zugezogen, ging ich ein paar wackelige Schritte Richtung Spiegel.
Tag täglich blickte ich duzenden Leuten ins Gesicht, und sah in ihren Augen ihre Person. Ob freundlich oder griesgrämig, ob wütend oder glücklich, die Augen waren die Fenster zur Seele.
Doch was sah jemand, der mich anblickte?
Nur die braunhaarige Hobbitin, oder doch mehr? War hinter meinen dunkelbraunen Augen meine Gedühlswelt sichtbar? War ich ein offnes Buch für jedermann, oder doch ein Rätsel?
Seufzend wandte ich mich ab, und kroch unter meine Decke.
Diese Nacht würde lang werden.

Die ersten paar Augenblicke des nächsten Morgen sollten die ruhigsten der nächsten dreizehn Monate werden.
Schlaftrunken wälzte ich mich auf den Rücken, und starrte an die Decke.
Ich hatte dieses unangenehme Gefühl, etwas vergessen zu haben. Etwas wichtiges.
Aber ich war müde. Und der Tag war schließlich noch jung. Später hatte ich noch genug Zeit, um herauszufinden, was mir entfallen war.
Langsam fielen mir die Augen wieder zu.
Ich brauchte noch einige Herzschläge, bis die Erinnerung des vergangenen Abends wieder zurückkam.
Zwerge.
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf.
Wieso war es so ruhig? Schnell schlüpfte ich in ein Sommerkleid, und flocht meine Haare zu einem unordentlichen Zopf.
Mit einem letzten Blick in den großen Wandspiegel verließ ich mein Zimmer.
Das Ergebnis meiner Inspektion war erleichternd, ja, schon fast als befriedigend zu bezeichnen. Alles war aufgeräumt, und ich konnte beim besten Willen kein bisschen Dreck erkennen, weder auf Möbeln, noch auf Teppichen oder Wänden.
Die Zwerge waren weg, aufgebrochen, um den Erebor zurück zu erobern.
Eigentlich hätte ich mich freuen sollen, aber doch keimte das Gefühl der Enttäuschung in mir auf.
Ich hatte erwartet, dass die Zwerge mich wenigstens ein letztes Mal gefragt hätten, ob ich gerne mitkommen würde.
Ich starrte in die leichte Glut, die noch vom gestrigen Feuer im Kamin brannte.
Um die Säuberung des Kamins würde ich mich später noch kümmern. Wenn ich damals doch bloß schon gewusst hätte, wieviel später das sein würde.
Als ich mich erschöpft auf einen Küchenstuhl fallen ließ, fiel mein Blick auf ein vergilbtes Pergament.
Der Vertrag. Dort lag er. Zusammengerollt, und bereit mitgenommen zu werden.
Meine Hände griffen wie von selbst danach, und begannen damit herumzuspielen, bis ich ihn schließlich doch öffnete. Und wie von selbst fiel mein Blick auf die klaffende Lücke, in die meine Unterschrift kommen sollte.
Plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte.
Schnell nahm ich eine Feder, tauchte sie in das dazugehörige Tintenfässlein, und setzte sie auf das Pergament.
Einen winzigen Moment zögerte ich noch, und mir war, als lieferten sich die friedliche Seite der Baggins und die abenteuerliche der Tooks eine kleine Schlacht in mir.
Wenn ich jetzt nicht unterschriebe, würde ich mich noch jahrelang dafür hassen.
Andererseits könnte ich auch keinen Stolz über mich empfinden, wenn ich auf dem Abenteuer sterben würde, da ich ja dann schon tot war.
Schließlich unterschrieb ich einfach; das Kratzen der Feder auf dem Vertrag war wie das endgültige Urteil.
In Windeseile packte ich alles, was ich dachte für eine Reise dieser Art gebrauchen zu können; Kleidung aller Art, Wasser, Trockenfleisch (es war immer weise, welches in der Speisekammer zu haben, man wusste schließlich nie, was auf einen zukommen könnte) und ein bisschen Geld.
Die Küchenmesser ließ ich dann doch an Ort und Stelle.
Schnell schulterte ich meinen prall gefüllten Rucksack, und verließ ohne einen Blick zurück meine Hobbithöhle.
Ich war bereit.

Der Sprint durch Hobbiton war ermüdend.
Schon nach dem ich fast den ersten Hügel, dank eines Stein, der mich meines Gleichgewichts beraubt hatte, hinuntergekugelt wäre, hätte ich am liebsten kehrt gemacht.
Doch ich lief und lief und lief, bis ich bereits glaubte, meine eigenen Füße nicht mehr zu spüren.
Immerhin war es mir ein leichtes gewesen der Spur der Zwerge zu folgen. Die vielen Ponys hatten matschige Abdrücke im Boden hinterlassen, und da es erst kürzlich geregnet hatte, waren sie besonders gut sichtbar.
Als ich sie schließlich erblickte blieb ich plötzlich stehen. Noch wäre es nicht zu spät um umzukehren. Noch hatte ich die Möglichkeit diesem Wahnsinn zu entrinnen.
Aber war es nicht das was ich wollte? Wollte ich nicht ein Abenteuer erleben?
Die Zwerge begannen bereits wieder außer Sichtweite zu geraten, also holte ich die letzten Schritte die uns noch voneinander trennten auf.
"Wartet!", keuchte ich außer Atem. "Ich- Ich hab unterschrieben!"
Obwohl ich wirklich nicht gedacht hätte, dass ich es jemals schaffen würde die Zwerge einzuholen, so stand ich nun doch, zwar kurz davor erneut bewusstlos zu werden, aber immerhin, vor Balin und drückte ihm meinen Vertrag in die Hand.
Er inspizierte ihn genauestens, und gab ihn mir schließlich lächelnd zurück. "Scheint alles in Ordnung zu sein."
Erleichtert atmete ich auf.
"Gebt ihr ein Pony.", erklang Thorins Stimme von der Spitze der Karavane.
Bisher hatte ich nicht gewagt ihn anzusehen, aber nun konnte ich nicht mehr widerstehen.
Ich hätte nie gedacht, dass jemand auf einem Pony majestätisch aussehen konnte.
Er trug trotz der angenehmen Temperaturen einen dicken Fellmantel, woraus ich schließen konnte, dass uns auf dieser Reise noch ganz andere klimatische Bedingungen als denen des Auenlandes begegnen würden.
Ein Sonnenstrahl, der sich durch das dichte Blätterdach gekämpft hatte, ließ mich Details erkennen, die mir am Vorabend aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse verborgen geblieben waren.
Inmitten seiner rabenschwarzen Haarpracht waren zwei schmale, geflochtene Zöpfe ausmachbar, die am Ende mit einem schlichten silbernen Band zusammen gehalten wurden.
Seine Haut war makellos, was den königlichen Eindruck den er erweckte nur noch verstärkte.
Sein Blick hatte mich nur flüchtig gestreift, dennoch von dem allbekannten Hass und Abneigung gezeichnet gewesen. Was auch immer dieser kurze Moment gestern Abend zwischen uns gewesen war, war wieder vorbei und vergessen.
"Wollt Ihr nicht Euer Pony nehmen?", rief einer der Zwerge von hinten.
Ich riss mich von Thorins Anblick ab, und nahm die Zügel des Tieres in Empfang.
Zum Glück hatte ich bereits in jungen Jahren die Kunst des Reitens erlernt, so fiel es mir nicht besonders schwer mit den anderen mitzuhalten.
Eine Weile ritt ich alleine, und bestaunte die Umgebung.
Inzwischen waren wir schon weiter weg von Hobbiton, als ich es jemals allein gewesen war.
Die Gegend veränderte sich zwar kaum, aber doch fiel es auf, dass es in der Umgebung dieser Wälder unbewohnt war.
"Ihr seid also die berühmt berüchtigte Meisterdiebin.", riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken.
Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte mich, so gut es in dem Sattel eben ging, um.
"Fíli. Ihr habt mich überrascht!", gab ich zurück, als ich den Zwergen erkannt hatte.
"Eine Meisterdiebin zu überraschen; eine große Leistung, wie ich vermute." Er grinste, und ich musste zugeben, dass er dabei wahnsinnig gut aussah.
"Wie man's nimmt.", antwortete ich lachend.
Stille.
"In welcher Beziehung steht Ihr eigentlich zu Thorin?", erkundete ich mich schließlich, einfach um das peinliche Schweigen zu umgehen, das sich zwischen uns ausgebreitet hatte.
Sein Blick verdunkelte sich.
"Er ist der Bruder meiner Mutter Dís.", antwortete er knapp.
Offensichtlich war dies ein nicht gern gesehenes Thema.
"Euer Onkel also?", bohrte ich trotzdem nach.
Er nickte.
Wir schwiegen eine Weile, bis Fíli das Gespräch wieder aufgriff.
"Und Ihr? Habt Ihr irgendwelche Familie?", fragte er, nun wieder besser gelaunt.
Anscheinend war das Thema "Thorin und Dís" tatsächlich für seinen Stimmungsdämpfer verantwortlich gewesen. Vielleicht würde ich ihn irgendwann mal darauf ansprechen.
"Ja, einen Bruder. Drogo und ich stehen aber nicht wirklich viel in Kontakt.", antwortete ich auf seine vorherige Frage.
"Und was macht Ihr beruflich?", erkundigte sich der blonde Zwerg ehrlich interessiert.
Ich hatte gerade zu einer Antwort angesetzt, als ich von Kíli, der auf meine andere Seite geritten war, unterbrochen wurde.
"Ein schöner Tag, nicht wahr?"
Er grinste glücklich und sah sich um.
"In der Tat.", gab ich zurück. Der Tag war wirklich ein wahrhaftig ein schöner.
Mittag musste bereits vorbei sein, denn die Sonne begann zunehmends aus einem schrägeren Winkel das Land zu bescheinen.
Bewundernd ließ ich meine Fingerspitzen Blätter an tief hängenden Ästen gleiten.
Natur war faszinierend.
"Seid Ihr, oder Euer Bruder der Ältere?", wandte ich mich schließlich an Kíli, nachdem Fíli verkündet hatte, dass er zu Thorin reiten würde, um sich nach der weiteren Vorgehensweise zu erkundigen.
"Fíli. Er ist fünf Jahre vor mir geboren worden, was ihn zum Thronfolger macht."
Ich hatte mir soetwas in der Art schon fast gedacht. Fíli wirkte einfach etwas vernünftiger als sein kleiner Bruder.
Besagter kleiner Bruder grinste mir jedoch nur unbeschwert entgegen, ihn schien es wohl nicht zu stören, niemals König zu werden.
Unsicher erwiderte ich die freundliche Geste seinerseits mit einem Lächeln.
Wir unterhielten uns noch ein wenig über unser Leben und waren nach kürzester Zeit schon bei Du.
Auch die anfänglich angespannte Stimmung hatte sich schon bald gelockert, und gelegentlich drehten sich sogar die anderen Zwerge zu uns um, um die Ursache unseres schallenden Gelächters ergründen zu können.
Und während ich an der Seite meines neu gewonnen Freundes dem Abenteuer entgegen ritt, überlegte ich das erste Mal, ob mitzukommen vielleicht wirklich die richtige Entscheidung gewesen war.

Hey♥︎
Ich wollte an diesem Punkt nur mal allen meinen Lesern danken, ohne euch hätte ich das hier schon längst wieder aufgegeben... Ihr seid echt die besten Leser die man sich wünschen kann!♥︎
Ich hoffe ihr hattet einen guten Start ins neue Schuljahr, und seid nicht gleich von Millionen Tests überschüttet worden:)

Bis zum nächsten Update
#plantyourtrees

Burning GoldWhere stories live. Discover now