Ausrasten für Anfänger //Asds FF

3|| Unverhofft kommt oft.

Ich bleibe noch bis halb acht.
Kann man ja als eine Art Kompromiss betrachten.
Es dämmert bereits und Köln wacht auf.

Als ich nach Hause komme ist Papa schon weg, arbeiten. Heute hat er glaub Nachtschicht in der Klinik.
Oder auf seiner Wache?
Ich weiß es nicht mehr.

Fakt ist, dass ich heut Nacht mit Einstein alleine bin.
Was prinzipiell erstmal ziemlich geil ist, weil ich dann seinem ,,Gesunde-Ernährung -Tick" mal entkomme, auf der andern Seite ist es ziemlich blöd, falls mal ein Einbrecher sich unsere Wohnung aussucht oder so.
Was hier gar nichtmal so unwahrscheinlich ist.

Und vor Einstein hat leider niemand Angst, also fällt diese Variante der Selbstverteidigung schonmal weg.
Eine Bratpfanne dürfte ich auch nicht benutzen, zum einen würde ich die Person ja dann verletzten zum anderen waren die Pfannen zu teuer, um sie für sowas zu verwenden.

Mit einer 5-Minuten-Terrine und Netflix lande ich dann auf der Couch.

Wenn Papa jetzt hier wäre würde er mich killen.
Weil ich esse.
Auf der Couch.

Dort schlafe ich, dann auch irgendwann ein.
Ein Glück, dass mein Handywecker immer früher klingelt, als das Papas Nachtschicht vorbei ist.
Somit kann ich wenigsten für eine gewisse Grundordnung sorgen.

13. September 14:02 Uhr

,,Halt. Hausaufgaben?", hält mein Vater mich direkt auf als ich nach dem Essen in mein Zimmer verschwinden will.
Ich seufze.

,,Hausaufgaben gefährden aber meine Gesundheit."

,,Inwiefern?", fragt er belustigt.

,,Ich kann mich am Papier schneiden und ich denk mal wir wissen beide, was aus einer erstmal harmlosen Wunde werden kann."

,,Dafür gibt's Antibiotika und jetzt hopp hopp. Je schneller wir anfangen desto schneller sind wir fertig."

„Aber der Stre-"

„-Hast du die letzten sechs Jahre auch überlebt.", fällt er mir ins Wort.

Murrend packe ich meinen Block aus und suche nach dem Arbeitsblatt.
Ordner sind völlig überwertet.

Und ja. Wir, machen die Hausaufgaben.
Nach elf Jahren Schule traut er mir immernoch nicht zu, dass ich meine Hausaufgaben alleine mache.
Er muss immer neben mir sitzen und überwachen, dass ich auch ja nichts falsch mache.
Wie bei einem Grundschüler.

Mehr oder weniger ordentlich schludere ich dann die Deutscherörterung aufs Papier.

„Ja, also Line, wegen gestern wollte ich nochmal mit dir sprechen.", er sieht mir in die Augen.

Och nö. Bitte nicht Schon wieder.

„Nein! Nein! Und nochmals. Nein!"

„Was willst du, denn sonst machen?"

„Was weiß ich.", ich zucke mit den Schultern. „Work and Travel in Timbuktu? Ein FSJ, ne Ausbildung, was weiß ich."

„Oder vielleicht ein anderes Studium?"

„Nein. Kein Studium."

Ich schlage meinen Block zu und stapfe wortlos die Treppe hoch.

Kann der mich nicht mal fünf Minuten in Ruhe lassen?
Bitte?
Ich interessiere mich weder für Medizin, noch für ein Studium.
So schwierig ist, dass doch nicht?
Aber anscheinend schon.

Ich arbeite mich durch mein Instagram und stelle fest, dass die letzten Tage überhaupt nichts spannendes passiert ist.
Schade eigentlich, so ein kleines Drama könnt ich gerade schon brauchen.

Ein Blick auf den Stundenplan verrät mir das ich morgen Mittagschule habe.
Supi.
Ich freu mich.
Auch bemerke ich die Materialliste die in meinem Emailpostfach gelandet ist.
Da muss ich wohl oder übel noch einkaufen gehen.
Aber nicht heute, pure Unmotivation.

Gegen späten Nachmittag drehe ich dann noch eine Runde mit Einstein und lande schließlich mit Papa auf der Couch.
Einmal die Woche werde ich gezwungen mit ihm zusammen fern zu sehen.
Okay, richtig gezwungen ist es nicht, aber wenn ich mir dann irgendwelche Dokus über das Aussterben der Was-auch-immer- das-für-eine-war-Schnecke angucken darf, kann man das ganze mit Folter vergleichen.

„Gibst du mir mal bitte die Zappmaschinenbedienungsanleitung?"

„Die was?", frage ich irritiert.

„Die Fernsehzeitung."
Sowas gibt's noch?

„Du weißt, dass es sowas wie das Intent gibt, wo man sowas googeln kann?"

„Ja Line. Und es gibt auch noch normale Menschen, wie mich, die ihr Leben noch nicht von ihrem Handy abhängig gemacht haben."

„Mein Handy übernimmt die ganzen unwichtigen Sachen, damit ich Zeit für die wichtigen Sachen hab."

„Und die wären?", fragt er belustigt.
„Sich über eine transphobe J. K Rowling aufregen? Sich über Donald Trump lustig machen? Menschen bei ihrer Rechtschreibung korrigieren?"
Papa zieht nur skeptisch die Augenbrauen hoch und schaltet den Fernseher ein.
Heute ist es eine Dokumentation über den Schwarzwald.

14. September, 8:07 Uhr

Heute ist der richtige erste Schultag.
Montag war Organisationday und Dienstag SMV-Tag, Schülersprecherwahl und so.
Unterricht hatten wir nur einzelne Stunden.

Maxi, einer meiner engeren Freunde, ist übrigens Stellverter geworden.

Und jetzt steht das Baumännchen mit einem sehr psychopathisch wirkenden Lächeln vor mir.

„Tag eins und zwei waren noch Schonfrist, ab heute geht der Spaß richtig los."

Anders gesagt: Willkommen in der Hölle.