F I A S C O

64 2 0
                                    


Ich gebe zu, als die Tierärztin mir die Summe für die OP nannte, habe ich auch kurz die versteckte Kamera gesucht. Dummerweise habe ich die aber nie gefunden. So blieb mir also nur tief zu seufzen, die Tränen zurückzudrängen und mein Pony traurig anzusehen. 
Es ist nicht so, dass ich nicht genug Geld für ein eigenes Pferd eingeplant hätte. Alles mögliche habe ich berechnet. Doch das ausgerechnet mein Pony der Meinung ist als erster einen Hirntumor dieser Art uns zu präsentieren, hatte ich nicht erwartet. Und auch wenn der Tumor gut zu behandeln ist, die Rehabilitierungschancen beinahe bei 100% liegen - es ist verdammt teuer. 

Fiasco ist erst neun. Viel zu Jung um jetzt draufzugehen. Ich habe ihn seit ich elf bin. Zum Geburtstag stand endlich das lang ersehnte Pony vor der Tür. Das klitzekleine Fohlen hat mich zuckersüß angewiehert und seitdem ist er mein bester Freund. Er macht das Leben erst lebenswert. 

Ja, Pustekuchen. Bis heute. Die Summe für die OP die er dringend benötigt nimmt meine ganzen Gedanken ein. Ich würde alles für ihn tun. Ich werde alles für ihn tun. 

Als ich vierzehn war, haben meine Eltern und ich uns fürchterlich gestritten. Sie sahen immer eine Karriere als Dressurreiterin für mich vorherbestimmt und ich war ja gewillt ihnen zuzustimmen. Dass ich Fiasco, als er gerade vier geworden ist, allerdings Western ausbildete war und ist für meine werten Erzeuger unvorstellbar. Klein-Fiasco macht sich übrigens großartig unterm Westernsattel. Er packt das mit dem Dressurreiten einfach nicht. Vom Körperbau und seinem Kopf. Die Westernreiterei macht ihm mehr Spaß. Egal ob mit Kuh oder Tonne, das Pony erstaunt mich immer wieder und bestärkt mich darin, dass es die richtige Entscheidung war. 

Jedenfalls hab ich dann Fiasco gepackt, unser Hab und Gut zusammengerafft und bin freiwillig ausgezogen. Schule lief nebenbei irgendwie weiter und meinen und Fiascos Aufenthalt auf einer Ranch auf Südhuf arbeitete und arbeite ich irgendwie ab. Für Tierarzt und Hufschmied reichte das Geld bisher immer und auch ein paar schicke neue Sachen waren hier und da drin, doch jetzt steh ich vor einem Scherbenhaufen. 
Diese Summe ist riesig. Mein ganzes Erspartes plus immernochwahnsinnigviel. 

Fiasco dreht sich in seiner Box und widmet sich seinem Heu. Er ahnt von der ganzen Misere nur wenig, merkt mir aber meine schlechte Laune an. Die Tierärztin ist mittlerweile gegangen. Sie kennt mich und Fiasco schon seit wir hierher gezogen sind und kennt dementsprechend auch meine Lage. Sie würde es wohl niemals wagen mir ins Gesicht zu sagen, dass es besser wäre Fiasco einzuschläfern, aber ich kenne sie ebenfalls und weiß, dass sie das denkt.

Und höchstwahrscheinlich und ganz logischerweise wäre das wohl wirklich das Beste. Es erspart meinem Bruchpiloten-Pony weiter schmerzhafte Zusammenbrüche aufgrund des Tumors und mir viel Geld. 

Doch die OP hat beinahe 100% Chancen, dass alles perfekt wie vorher wird. Die Medizin weiß genau, wie man das Problem beheben kann und es liegt nur an mir ob ich so viel Geld zahlen kann. 

Kann ich nicht. Muss ich aber. 

Das schulde ich Fiasco. 


Wildwoods - First WatchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt