Kapitel 6

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"Ich bin ein Vampir. Du hast mich beim Trinken beobachtet obwohl ich mich in meine Schatten gehüllt habe. Niemand kann durch meine Schatten sehen. Eigentlich." Taika wollte etwas sagen und holte Luft, aber Nate sprach einfach weiter. "Ich wollte wissen was du bist, aber du bist weggerannt. Direkt vor ein Auto. Ich dachte, du bist schwer verletzt gewesen. Immerhin war überall Blut aber als ich mit dir hier ankam um dich von unserer Ärtin versorgen zu lassen, warst du wie neu." Nate atmete aus. Herrje. Taika war kreidebleich geworden. Ihr Mund formte Wörter aber es kam kein Ton raus. Hatte sie nun einen Schock erlitten? "Ach ja..." fing Nate wieder an, "das Monster, was du in den Katakomben gesehen hast, war Tane. Auch ein Vampir."

Jetzt hatte Taika ihren Schock wohl überwunden. "Du bist ein Vampir? Und er auch? Aber er ist so ganz anders gewesen als du ..." Nate blickte zu Boden. Ja, er war anders. Aber Nate konnte auch ganz leicht zu so einem Monster werden. Und selten wurde man wieder normal. Aus Vampirsicht. "Das liegt daran, dass Tane der Blutsucht verfallen ist." Taika runzelte die Stirn. Sie nahm die ganze Vampirgeschichte recht locker auf. Jedenfalls hatte sie ihre Stimmte wieder gefunden und wirkte weniger hysterisch. "Aber liegt es nicht im Naturell eines Vampirs Blut zu trinken? Das hast du im FUN ja auch getan?" Taika zog sich die Decke bis unters Kinn. Dabei fielen Nate ihre Hände auf. Sie waren dick bandagiert. Wenn Luise was machte, dann richtig. Er musste grinsen. "Ja, da hast du recht. Vampire trinken Blut. Aber wenn sie das Blut von Junkies trinken, werden sie selber zu Junkies. Und Tane konnte sich der Sucht leider nicht selbstständig lossagen bis wir ihn dort angekettet hatten. Damit er weder sich selbst, uns oder einem ... ehm ... Zivilisten schadet. Sozusagen eine Entziehungskur." Taika sah ihn nun direkt an. Oh Himmel. Was für ein Blick. Fest, entschlossen, zu allem bereit. Und keine Spur mehr von Angst. "Ich verstehe. Und wie passe ich nun in das Ganze? Warum kann ich nicht einfach gehen? Ich denke mal, umbringen werdet ihr mich nicht. Sonst hättet ihr euch das hier sparen können!" Sie wedelte mit ihren eingepackten Händen herum. Das würde jetzt wohl etwas komplizierter werden.

"Letztendlich hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du bist kein Mensch und kannst deshalb als normaler Bürger in der Anderwelt leben und beugst dich deren Regeln oder du wirklich nur ein Mensch und wirst dann eine Sympathisantin meines Clan und arbeitest mit uns zusammen." Die Konsequenz auf Möglichkeit Nummer 2, wenn sie sich nicht für seinen Clan entschied, behielt er für sich. "Was glaubt ihr denn was ich bin?" "Das ist eine gute Frage. Ein Werwolf auf jeden Fall schon mal nicht. Luise sagte, du reagierst nicht auf Silber".

Taika schielte zum Couchtisch. "Und ich dachte sie wollte mir mit dem Pudding eine Freude bereiten. Stattdessen ging es nur um diesen doofen Löffel." Sie schien tatsächlich traurig zu sein. "Ich glaube, sie hat nur das nützliche mit dem angenehmen verbunden. Kein Grund traurig zu sein." Jetzt errötete sie. "Ich bin nicht traurig! Nur etwas .. überfordert. Schließlich erfährt man nicht jeden Tag, nicht ganz normal zu sein. Ist Luise auch ein Vampir?" Jetzt musste Nate lachen. "Nein, Luise ist kein Vampir. Sie ist ein ... Mensch. Aber trotzdem nicht wie du - soweit wir wissen." Plötzlich fing Taika an, sich die Bandagen abzuwickeln. "Was ist los?" wollte Nate wissen. Aufgeregt schnappte Taika nach Luft. Sie starrte ungläubig auf ihre Hände. Und da war sie nicht die einzige.

***

Das war es also, was er mit nicht ganz normal meinte. Sie hatte selbst gesehen, dass ihre Hände bis vor einer Stunde, vielleicht etwas mehr?, noch völlig zerfetzt gewesen waren. Und keine Salbe der Welt konnte das so schnell heilen. Hatte er Recht? War sie wirklich kein Mensch? Das konnte sie nicht glauben. Ihre Eltern waren Menschen. Und sie wurde nie von einem vermutlich radioaktiven Tier gebissen. Oder war enormer Strahlung oder wer weiß was noch ausgesetzt gewesen.

Aber ihre Hände waren wieder verheilt. Als wäre nie was gewesen. Lediglich ein warmes Kribbeln hatte sich kurz in ihren Fingerspitzen ausgebreitet. "Und wie finden wir raus, was ich bin?" fragte sie den Berg von einem Mann vor sich im Sessel. Lässig hatte er seine Beine übereinander geschwungen. In der einen Hand hielt er ein Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, mit der anderen gestikulierte er. Die Lederhose stand ihm unverschämt gut. So wie der Rest seiner Garderobe. Er fuhr sich durchs Haar. "Im Laufe der kommenden Nacht bekommen wir die Testergebnisse von Luise. Bis dahin bleibst du bei mir. Außerdem müssen wir Tane finden. Er darf nicht länger draußen rumlaufen."

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