Taika sah sich unsicher um. Dies war die letzte leerstehende Fabrikhalle in der Stadt. Nachdem sie und Nathaniel die gesamte Südstadt und auch leeren Fabrikhallen umgekrempelt hatten und keinen Tane oder auch nur ein bisschen Geruch gefunden haben, fuhr ihr neuer vampirischer Freund - oder besser Aufpasser - sich nervös durchs Haar. "So ein verfluchter Mist!", knirschte er ungehalten. Taika wusste auch nicht weiter. Immerhin hatte sie von Vampiren und dergleichen keinerlei Ahnung und wurde quasi über Nacht ins kalte Wasser geworfen. "Gibt es denn sonst keine Orte, wo er hin gehen würde? Irgendwelche Freunde oder so?", fragte sie Nathaniel vorsichtig. Sie spürte, dass er mit der Situation unzufrieden war und ganz ehrlich, sie wollte nicht der Grund für einen Ausraster sein. "Freunde?", gab er ein bisschen schnippisch zurück. Instinktiv wich Taika einen Schritt zurück. Sie fühlte sich wie in einem Käfig. Zusammen mit einem wilden Raubtier. "Freunde gibt es außerhalb unseres Clans oder unserer Verbündeten in der Regel nicht, und glaub mir, alle hätten sich gemeldet wenn Tane bei ihnen aufgetaucht wäre ...", Plötzlich verfinsterte sich sein Blick. "Aber ich habe tatsächlich so etwas wie eine ... Bekannte... die uns vielleicht helfen könnte", Nathaniel rieb sich an seinem Kinn. Er schien sich etwas zu entspannen und Taika wagte nachzuhaken.
"Bekannte? Und da könnte sich Tane verstecken?", Nathaniel schnaubte. "Nein, bei ihr würde sich gewiss kein Vampir verstecken. Aber sie kann uns helfen ihn zu finden" Nathaniel legte seine Hand auf Taikas Schulter, "Bist du bereit für einen weiteren Schleudergang?" Plötzlich wurde ihr Speiübel. "Hab ich eine andere Wahl, Nathaniel?" Er grinste. "Nein, irgendwie nicht. Achtung, es geht los!" Und schon lösten sich ihre Körper in eine schwarze Wolke aus mehren tausenden Einzelteilen auf. Und im nächsten Moment waren sie auch schon an einem ganz anderen Ort. Das musste das Villenviertel sein. Ein hübsches Häuschen nach dem anderen reihten sich aneinander. Die meisten dieser Jugendstilvillen waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut worden und hatten eines gemeinsam. Ihre weißen Fassaden und dunklen Fensterrahmen strahlten förmlich in die Nacht hinein. Und die wunderschöne Kirschbaumallee rechts und links der engen Straße tat ihr übriges. Auch wenn sie jetzt nicht in voller Blüte stand, ihr Anblick ist trotzdem gewaltig. Das Villenviertel war ein recht starker Kontrast im Gegensatz zu dem grauen Rest der Stadt. Und wann immer Taika konnte, schlenderte sie hier durch die Straßen und genoss den herrlichen Anblick. Auch wenn sie für Architektur nicht so viel übrig hatte, aber diese Häuser fand sie wahrlich schön. Und vor einem der imposantesten Häuser der Straße stand sie jetzt. Zusammen mit einem Vampir.
Taika lehnte sich mit einer Hand an Nathaniel. Ihr war immer noch übel. Wie nannte man diese Art der Fortbewegung überhaupt? "Und wer wohnt hier?!", fragte Taika. "Eine alte Bekannte von mir, sie schuldet mir noch was" Taika schaute Nathaniel nun direkt ins Gesicht. "Ist sie auch ein Vampir?", fragte sie kaum hörbar. "Nein, sie ist eine Hexe." Taika wurde blass. Eine Hexe? Himmel noch mal, ist das sein Ernst? Eine Hexe? Es gab also Vampire und Hexen. "Eine Hexe?", fragte Taika mehr rhetorisch als alles andere. "Was gibt es denn sonst noch so? Werwölfe? Djins? Drachen? Voldemort?" Jetzt sah Nathaniel sie fragend an. "Ich dachte es wäre klar gewesen, dass es noch mehr Wesen als nur uns Vampire da draußen gibt. Spätestens da, wo ich erwähnte, dass wir noch nicht wissen was du bist!" Taika funkelte ihn kämpferisch an. "Entschuldige, wie dumm von mir. Wenn es Vampire gibt, gibt es natürlich auch alles andere" Taika titschte sich an die Stirn um den Sarkasmus noch etwas zu unterstreichen. Nathaniel rollte bloß mit den Augen und stieg die Eingangsstufen empor. Gerade als er klingeln wollte, öffnete sich die große verglaste Doppeltür. "Nathaniel, es ist ewig her!" Eine große, schlanke Frau mit einer äußerst filigranen Statur stand in der Tür und beäugte Nathaniel misstrauisch. Ihre hüftlangen schwarzen Haare fielen locker über ihre zierlichen Schultern. Durch den gerade geschnitten Pony stachen ihre markanten Gesichtsknochen noch mehr ins Auge und verliehen ihr etwas unnahbares und stolzes. "Alexandra...", erwiderte Nathaniel mit einer ungewohnt tiefen Stimme. Zwischen den beiden herrschte eine merkwürdige Chemie. Taika konnte sie in der Luft spüren, so wie ein elektrisch aufgeladener Pulli auf der Haut kitzeln würde. Und irgendwie fühlte sich diese Szenerie plötzlich sehr unangenehm an. Taika kam sich ganz und gar fehl am Platz vor. Alexandra drehte sich auf ihren Absätzen und bedeutete Nathaniel hinein zu kommen. Er folgte ihr sofort und schritt durch die Tür ohne Taika auch nur einmal anzusehen.
Taika war sich nicht sicher ob Alexandras Einladung auch ihr galt. Außerdem schüchterte diese Person sie enorm ein. Nicht weil Alexandra eine Hexe sein sollte, sondern einfach weil sie die Art von Person, nein, Frau war, die so eine Wirkung auf Taika hatte. Taika hasste sich dafür selbst, aber bei einigen Menschen fiel sie automatisch in ihr altes Muster zurück. Ein Muster, welches sie dazu veranlasste sich in ihrem Schneckenhaus zu verkriechen, sich klein zu halten und unterbuttern zu lassen. Ein Muster, dass sie eigentlich mit Vollendung des Abiturs weg geschlossen hatte. Nein dachte sich Taika. Nicht bei ihr! Nicht vor ihm! Taika reckte ihr Kinn in die Höhe, straffte die Schultern und zog den Bauch ein. Sie versuchte, so selbstbewusst wie möglich zu wirken. Auch wenn sie alles andere als das war.
Taika schloss die Eingangstor hinter sich und sah sich um. Hohe Decken, große Fenster, geschmackvolle aber dunkel gehaltene Einrichtung. Alexandra musste viel Geld haben. Alexandra führte Nathaniel in eine Art Bibliothek. Und Taika folgte ihnen unauffällig. Die Bibliothek war nicht besonders groß, dafür aber charismatisch. In der Mitte befand sich eine Art Leseecke. Mehrere Ohrensessel mit Olivgrünem Stoff standen um einen großen, dunklen Tisch. Auf einem dieser Sessel nahm Alexandra demonstrativ platz und überkreuzte die Beine. Der schwarze Chiffon Stoff schmiegte sich an ihre Schenkel und der seitliche Schlitz des knöchellangen Kleides offenbarte viel zu viel ihrer schlanken, hellen Beine. War sich Nathaniel sicher, dass sie eine Hexe war? Rein äußerlich glich Alexandra eher den Elfen aus der Herr der Ringe Saga. "Ich bin hier um einen Gefallen einzufordern!" Ohne lange zu fackeln fiel Nathaniel mit der Tür ins Haus. "Ist das so?", süffisant faltete Alexandra ihre Hände. "Du weißt, dass du mir noch etwas schuldest. Ohne mich wärst du aus deinem Zirkel geflogen!", jetzt grinste Nathaniel, "Und ich glaube, wenn ich mich mit deiner Großmeisterin unterhalten würde, würdest du immer noch fliegen. Oder?" Alexandra presste die Lippen zusammen. Aber nur für einen kurzen Moment. Danach war ihr Gesicht so ausdruckslos wie Zement. Sie stand auf und bewegte sich zu Nathaniel und blieb nur wenige Zentimeter vor ihm stehen. Taika rieb sich die Arme. Sie spürte schon wieder kleine elektrische Ladungen auf ihrer Haut. Mit ihrer Handfläche streichte Alexandra über Nathaniels Wange und reckte sich ihm entgegen. Kurz bevor sich ihre Münder trafen hielt sie inne. Nathaniels hatte sich während dieser ganzen Show nicht einmal bewegt oder überhaupt geblinzelt. Nichts an ihm lies erahnen was er dachte. "Also, mein kleiner stahlharter Vampir, was willst du?" flüsterte Alexandra erotisch und doch drohend. "Du musst jemanden für mich finden"
Alexandra streckte ihr Hand zur Seite und sogleich flog eines der Bücher aus dem hintersten Regal direkt in ihre Hand. So etwas hatte Taika bisher nur im Fernsehen gesehen. Sie war sich nicht sicher ob sie fasziniert oder schockiert sein sollte. Oder ob sie schleunigst von hier verschwinden sollte. Aber wenn man die Dinge nüchtern betrachtete, war klar dass eine Flucht aussichtslos war. Nathaniel war unglaublich schnell und Alexandra hatte Telekinese drauf. Zumindest glaubte Taika dass es sich dabei um Telekinese handelte. Alexandra legte das Buch auf den niedrigen Tisch und schlug eine Seite in der Mitte des Buches auf. "Hast du etwas dabei, was der Person gehört die du finden willst?", fragte Alexandra desinteressiert. Nathaniel wühlte in der Tasche seiner Lederjacke und holte einen goldenen Siegelring raus. Alexandras Augen weiteten sich als sie ihn erblickte. Aber sie sagte nichts. Stattdessen nahm sie den opulenten Ring und legte ihn in die Mitte des Buches, genau dort wo die beiden Seiten im Rücken zusammen fanden. "Reperire", flüsterte Alexandra dem Ring zu. Und urplötzlich drehte dieser sich hektisch um sich selbst und glühte wie heißes Eisen. Alexandras Augen färbten sich entweder weiß oder sie drehte ihre Augäpfel gekonnt in ihren Schädel. Taika fühlte sich unbehaglich und sah sich hilfesuchend zu Nathaniel um. Doch der beachtete sie nicht weiter. Warum war sie noch gleich mit ihm hier her gekommen? Ach ja, er musste sie im Auge behalten und verband das nützliche mit dem ... notwendigen. Taika sah sich in der Bibliothek um. Instinktiv wollte sie etwas Abstand zwischen sich und der Hexe bringen.
Taika fand hinter einem der Bücherregale Schutz. Sie reckte den Kopf so hervor, dass sie an der einen Seite des Regals vorbei zu Alexandra und Nathaniel hinüber sehen konnte. Beide beobachteten immer noch den kreiselnden Ring der jetzt glühende Spuren auf den Buchseiten hinterließ. Gerade als der Ring immer hektischer zu leuchten und kreiseln begann, weckte etwas auf dem Regalbrett direkt vor Taikas Nase ihre Aufmerksamkeit.
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afterlife
Vampire***Achtung: explizite Darstellung sexueller und gewalttätiger Szenen*** Taika Roth ist eine junge Studentin mit einem normalen ruhigen Leben in der Kleinstadt Williamshaven. Sie liebt Ordnung, gutes Essen und ist für jegliche Art von Abenteuer zu ha...