ZWÖLF

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Ich liebe dich, weil du dich immer um mich sorgst, wenn es mir mal nicht gut geht.
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Es ist bereits später Nachmittag am darauffolgenden Tag, als Luca und Christina beschließen, dass Emma dringend ein bisschen Auslauf an der frischen Luft benötigt. So langsam aber sicher staut sich die unbändige Energie des Mädchens nämlich an und sie stellt gekonnt die gesamte Wohnung auf den Kopf. Gefühlt sind die beiden Erwachsenen nur damit beschäftigt der Kleinen hinterher zu räumen, um das Chaos so gering wie möglich zu halten. Das ist auch der Grund, wieso Christina gerade nach der kleinen rosa Winterjacke greift und sie ihrer Nichte über die Arme streift. „Du bist anständig und hörst auf Luca, okay?", warnt sie Emma liebevoll, die daraufhin wie selbstverständlich nickt. Christina begleitet die beiden bewusst nicht, damit sie zu Hause ein paar Dinge erledigen kann und außerdem wollte sie auch mal noch in Ruhe mit ihrer Schwester telefonieren. Luca hat deshalb angeboten einfach alleine mit Emma auf den Spielplatz zu gehen, damit Christina ein paar Stunden Zeit für sich hat. Behutsam zieht Christina den Reisverschluss der kleinen Jacke nach oben und zieht Emma dann noch ihre Mütze über den Kopf. Trotz dass es heute ausnahmsweise mal nicht regnet, herrschen draußen eisige Temperaturen und Emma soll sich auf keinen Fall erkälten. Auch Luca greift jetzt nach seiner Winterjacke an der Garderobe und schlüpft in diese hinein, während er Emmas kleinen Rucksack kurz auf dem Boden abstellt, in welchem sich was zu trinken und ein paar Kekse befinden. „Passt bitte auf euch auf, okay? Und bleibt nicht so lange weg, sonst erfriert ihr mir noch.", verabschiedet sich Christina lächelnd von den beiden und drückt Luca noch einen Kuss auf die Lippen. „Machen wir.", antwortet Luca beruhigend und schmeißt sich dann den kleinen Rucksack über die Schulter, ehe er die Haustüre öffnet. „Tschüss Maus. Viel Spaß!", winkt Christina der Kleinen noch hinterher, welche die Geste kurz erwidert, ehe sie eifrig nach Lucas Hand greift, welche er ihr auffordernd entgegen streckt. Es sieht mal wieder zuckersüß aus, wie der kleine Zwerg an Lucas Hand den Flur entlang stolpert, während er ihren Rucksack trägt und kurz überlegt Christina tatsächlich, ob sie nicht vielleicht doch mitgehen sollte. Dann aber siegt die Vorfreude über ein bisschen Ruhe und das Telefonat mit ihrer Schwester, sodass sie letztendlich doch seufzend die Türe wieder hinter sich schließt.

Kaum hat sie sich auf das bequeme Sofa fallen lassen, greift sie auch schon nach dem Handy und wählt die Nummer ihrer Schwester. Es dauert nur wenige Sekunden bis am anderen Ende der Leitung Natalias vertraute Stimme ertönt und Christina erleichtert aufatmet. Trotz dass sie von ihrer Mama weiß, dass es Natalia schon wieder wesentlich besser geht, fällt ihr jetzt ein großer Stein vom Herzen. „Hey.", begrüßt Christina ihre ältere Schwester leise und zieht sich die dünne Decke über ihre Beine, da sie plötzlich beginnt zu frösteln. „Hallo Schwesterherz. Wie geht es meinem Kind? Kann sie sich noch benehmen?", erkundigt sich Natalia sofort, was Christina leise auflachen lässt. „Ja freut mich auch dich zu hören.", entgegnet sie ironisch, bevor sie dann doch verständnisvoll beginnt von Emma zu erzählen. „Deiner Tochter geht's prima. Sie ist gerade mit Luca auf dem Spielplatz, weil sie sonst vermutlich noch meine komplette Wohnung auseinander genommen hätte, aber sonst benimmt sie sich wirklich hervorragend."
„Das ist schön.", ertönt Natalias ruhige Stimme und Christina kann förmlich spüren, wie sich ihre Schwester nach diesen Worten entspannt. „Und du? Wie geht's dir und Sophia?", stellt sie jetzt die Gegenfrage und lauscht dann angespannt Natalias Schilderungen. „Naja es ging mir schon mal besser. Meine Hüfte ist stark geprellt und ohne Schmerzmittel ist es, um ehrlich zu sein, kaum auszuhalten. Ich muss mit nervigen Krücken durch die Gegend humpeln und es ist wahnsinnig langweilig hier, aber eigentlich will ich mich auch gar nicht beschweren. Ich weiß, dass wir so unfassbar viel Glück hatten, dass es uns allen einigermaßen gut geht. Sophia hat sich nur den Arm gebrochen und ihr größtes Problem ist aktuell, dass ihr das Essen hier nicht schmeckt und sie ihre Schwester beneidet, die bei Tante Tina wohnen darf.", lacht Natalia jetzt und auch Christinas Mundwinkel zucken amüsiert. „Sag ihr liebe Grüße von mir und dass ich ihr verspreche, dass sie auch mal hier übernachten darf." „Ja sage ich ihr, wenn sie wieder da ist. Mama macht mit ihr gerade einen Ausflug zum Kiosk, damit sie sich etwas aussuchen kann.", berichtet Natalia amüsiert und Christina entspannt sich sichtlich. „Oh man. Du weißt nicht, was du mir für einen Schrecken eingejagt hast.", murmelt sie jetzt nachdenklich und auch Natalia seufzt auf: „Ich habs mir schon gedacht. Und Mama hat dann auch erzählt, dass du gar nicht gut ausgesehen hast, als sie Emma bei dir abgeliefert hat." Ein leises Seufzen verlässt nach diesen Worten Christinas Mund und sie beginnt geistesabwesend mit den Fransen an einem ihrer Kissen zu spielen. „Hey... wie geht's dir?", erkundigt sich Natalia jetzt mit einer deutlichen Besorgnis in der Stimme. „Wenn dir das mit Emma zu viel ist, musst du mir das sagen!", bestimmt sie dann mit Nachdruck, als ihre kleine Schwester nicht reagiert. „Nein nein. Alles gut. Es ist nur... irgendwie bin ich seit Tagen so schlapp und habe immer mal wieder extreme Kopfschmerzen.", beginnt Christina jetzt doch schüchtern zu erzählen und Natalia hört ihr aufmerksam zu. „Wirst du vielleicht krank?", überlegt sie dann und beginnt sofort sich Sorgen zu machen. Christina ist wirklich selten krank und wenn es ihr dann doch mal nicht gut geht, ist die Erkältung meistens nach wenigen Tagen wieder überstanden. Untypisch also, dass es scheinbar so lange dauert. „Das sagt Luca auch, aber es ist irgendwie seltsam. Das ist nur so phasenweise.", murmelt Christina nachdenklich und auch Natalia schweigt einige Sekunden. „Aber sonst hast du nichts auffälliges?" „Nein. Gestern Morgen bisschen Bauchschmerzen und ich musste mich übergeben, aber das liegt vermutlich an dem psychischen Stress, der letzten Tage und weil ich so unregelmäßig gegessen habe.", erzählt Christina unsicher und Natalia schweigt weiterhin. Erst nach einer Weile räuspert sie sich leise und beginnt wieder zu sprechen: „Sag mal... ich will dir damit wirklich nicht zu nahe treten, aber hast du vielleicht schon mal darüber nachgedacht, dass du schwanger sein könntest?"
Bumm. Das hat gesessen. Mit großen Augen starrt Christina an die Wand ihr gegenüber und es fühlt sich an, als wäre die Zeit stehen geblieben, während ihr Herz gleichzeitig rast. Schwanger. Nur Natalias erneut erklingende Stimme reißt sie wieder zurück in die Realität. „Ich mein ja nur... das was du so erzählst ähnelt sehr meinen Symptomen, die ich damals hatte: Die unerträglichen Kopfschmerzen, ständig müde, die Übelkeit..." Auch Christina erinnert sich jetzt daran, dass Natalia mit so ziemlich den gleichen Problemen zu kämpfen hatte. „Oh mein Gott.", entfährt es ihr geschockt und sie springt hastig auf. Sofort tanzen viele kleine Sternchen in ihrem Sichtfeld und sie lässt sich begleitet von einem Stöhnen wieder zurück auf die Polster fallen. „Natalia das... ich kann nicht... das geht nicht...", stottert sie völlig überfordert in den Lautsprecher und schließt angespannt die Augen. „Christina hör mir zu. Das war nur eine Vermutung von mir. Ich weiß ja noch nicht mal wann ihr das letzte Mal - du weißt schon... und ob es vom Zeitraum her überhaupt passen könnte. Also mach dich nicht verrückt und-..." „Es passt aber, verdammt nochmal!", entfährt es Christina jetzt gereizt und unterbricht Natalia somit unwirsch. „Sorry.", schiebt sie dann allerdings sofort entschuldigend hinterher und Natalia ist froh, dass Christina sie gerade nicht sehen kann. Auf ihren Lippen liegt ein zufriedenes Lächeln und eigentlich ist sie sich auch ohne ärztliche Bestätigung ziemlich sicher, was Christinas "Problem" ist. „Schon gut. Jetzt beruhige dich erst mal wieder und mach in den nächsten Tagen einen Test oder geh zum Arzt. Wenn du dann die Gewissheit hast, hast du immer noch genug Zeit um durchzudrehen, wobei ich ehrlich gesagt nicht verstehe wieso. Du wolltest schon immer Kinder haben und Luca wird wohl der beste Vater werden, den du dir nur wünschen kannst. Immerhin hast du ihn mit meiner Tochter alleine auf den Spielplatz geschickt... so übel kann er also nicht sein.", lacht Natalia leise und Christina erwischt sich dabei, wie sie ihre Hand jetzt zögerlich auf ihren Bauch legt. „Aber...", beginnt sie unsicher, jedoch schneidet Natalia ihr erneut das Wort ab. „Nichts aber. Der Typ liebt dich abgöttisch und das wird die Tatsache, dass du schwanger bist auch sicher nicht ändern. Ja, vielleicht war es nicht geplant, aber wann ist schon der perfekte Zeitpunkt für ein Baby? Also entspann dich, warte ab, geh zum Arzt und dann freu dich verdammt nochmal!", redet Natalia eindringlich auf ihre kleine Schwester ein, die jetzt tatsächlich beginnt zu lächeln. „Danke. Du bist die Beste." „Ich weiß. Und weil ich so nett bin, verabschiede ich mich jetzt auch von dir, weil Mama demnächst zurück kommt und ich gehe stark davon aus, dass sie von diesem Gespräch nichts mitbekommen soll?!" Sofort schüttelt Christina zu Hause auf dem Sofa hektisch den Kopf. „Um Gottes Willen, bloß nicht.", entfährt es ihr geschockt und Natalia beginnt erneut zu lachen. „Ach Christinchen, ich hab dich lieb. Pass auf dich auf und wir hören uns.", verabschiedet sich dich Ältere der beiden. „Und sag Luca und Emma einen Gruß, wenn sie wiederkommen." „Mach ich. Tschüss und gute Besserung.", beendet auch Christina jetzt das Gespräch und lässt daraufhin ihr Handy sinken. Noch immer ruht ihre linke Hand auf ihrem Bauch und sie wirft ihm einen skeptischen Blick zu, ehe sie den Kopf stöhnend in den Nacken legt. „Na super.", murmelt sie in die beinahe unheimliche Stille und starrt dann gedankenverloren an die Decke. Dieses Telefonat hat eine Wendung genommen, die Christina überhaupt nicht erwartet hat und ihre Gedanken jetzt viel zu schnell Karussell fahren lässt.

Dass es draußen angefangen hat zu regnen, bemerkt die junge Frau überhaupt nicht. Sie ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und spielt im Kopf alle möglichen Szenarien der Zukunft durch. Erst ein lautes Donnergrollen lässt sie zusammenzucken und überrascht aus dem Fenster schauen. „Oh nein, nein, nein.", stößt sie hektisch aus und springt erneut vom Sofa auf. Diesmal ist sie allerdings auf den kurzen Schwindel einigermaßen vorbereitet und greift zielsicher nach der Lehne des Sofas, um sich daran festzuhalten. „Nicht jetzt.", murmelt sie warnend in Richtung ihres Bauches, bevor sie dann in Richtung Terrassentür stolpert und einen skeptischen Blick in Richtung des grauen Himmels wirft. Dass Luca und Emma sich immer noch draußen herum treiben beunruhigt sie sichtlich und sie zuckt heftig zusammen, als ein Blitz die Umgebung für einige Sekunden erhellt.
Sofort hastet sie zurück zu ihrem Handy und drückt auf den Kontakt ihres Freundes. Während sie dem gleichmäßigen Tuten lauscht, geht sie nervös in ihrer Wohnung auf und ab und kaut auf ihrer Unterlippe. Unbewusst hat Christina ihre freie Hand schon wieder auf ihrem Bauch abgelegt, welche sie jetzt aber mit einem genervten Schnauben fallen lässt. Nach ein paar weiteren Sekunden, in welchen das Handy nur konstant tutet, bleibt Christina jetzt aber erstarrt stehen, als endlich Lucas verzerrte Stimme an ihr Ohr dringt. „Wir sind gleich da, Schatz.", hechelt er sichtlich außer Atem in den Lautsprecher und Christina kann nicht einmal mehr reagieren, da hat er auch schon wieder aufgelegt. Verwirrt schmeißt sie ihr Handy zurück aufs Sofa und macht sich dann nervös auf den Weg zur Wohnungstüre.

Magical ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt