Ein Ritual

1.4K 88 18
                                    

Er tauchte in einem elegant eingerichteten Gang wieder auf, doch dafür hatte er keinen Blick. „Shay! Bring mir Haelynn her!" Valentin rannte den Gang hinunter, das Kind eng an sich gedrückt. Eine der Türen öffnete sich und eine Person folgte ihm.

„Herr, es ist mitten in der Nacht. Jetzt?"

„Jetzt!" brüllte Valentin beinahe und öffnet eine weitere Tür, die gegen die Wand donnerte. Er ignorierte es und eilte auf das Bett zu. Vorsichtig holte er das Kind aus seinem Umhang und legte es auf dem Bauch auf das Bett. Die Bettwäsche nahm sofort etwas von dem Dreck und dem Wasser, die noch immer an dem Kind klebten, auf.

Valentin kümmerte sich nicht darum. Er strich dem Kind über den Kopf, durch die verschwitzten und verklebten Strähnen und über die vom Schweiß und Regen klamme Stirn, die darunter brannte. „Es wird jetzt alles gut. Ich werde dafür sorgen, dass alles gut wird. Haelynn ist die beste Heilerin, die ich kenne. Sie wird dich wieder hinbekommen, ganz bestimmt."

Die leisen Worte waren eher für Valentins eigenen Seelenfrieden, als für den des Kindes. Das war noch immer nicht bei Bewusstsein. Valentin konnte die abgehakte Atmung nun nur noch genauer hören, den schnellen Herzschlag und das tiefe Rasseln in den Lungen des Kindes. Nichts davon trug dazu bei, dass sich seine Sorgen verflüchtigten. Eher im Gegenteil. Es wurden eher immer mehr Sorgen.

Auf dem Gang konnte er die strengen Schritte Shays hören, gefolgt von leichteren, Schleifenden, die er Haelynn zuordnen konnte. Instinktiv brachte er sich zwischen das Kind und die noch immer offenstehende Tür. In dieser erschien nun auch zunächst der andere Vampir, der sich leicht vor Valentin verneigte. „Haelynn, Herr."

Er trat zur Seit und hinter ihm kam die vertraute Gestalt der Heilerin hervor. Valentin registrierte die zerrupfte Frisur und die Kleidung, die sie trug. Ihr Gesichtsausdruck war zu einem verstimmten Schmollen verzogen und ihre Augenbrauen zusammengezogen. „Ich hoffe ihr habt einen guten Grund dafür, mich mitten in der Nacht aus dem Bett holen zu lassen, Vampirfürst."

Valentin wich leicht zur Seite, sodass sie die winzige Gestalt auf dem Bett erahnen konnte. Resolut schob sie sich an Shay vorbei in den Raum und näherte sich dem Bett. Dabei wich Valentins Blick nicht von ihr. Jede noch so kleine Regung der Heilerin wurde registriert und Valentin musste mit sich kämpfen, um sich nicht konstant zwischen dem Kind und der Heilerin zu postieren.

„Hör schon auf mit dem Verhalten. Ich werde niemals jemandem etwas tun. Ich habe einen Eid geleistet, wie alle Heiler. Also bring deinen inneren Vampir dazu, mich auch an meinen Patienten ran zu lassen." Haelynn stützte die Hände in die Hüfte und starrte Valentin an.

Dessen innerer Vampir fühlte sich herausgefordert, doch Haelynns Geruch ließ ihn sich wie ein kleines Kind zusammenkauern, dass nicht zum Heiler wollte. Valentin stand auf und trat vom Bett zurück, um nicht noch irgendwas Dummes zu machen. Haelynn sah das Kind nun besser und seufzte, während sie sich auf die Bettkante setzte.

„Wo hast du denn nun schon wieder ein Kind her? Dieses ist immerhin nicht biologisch deines, aber dennoch. Du scheinst Kinder zu sammeln wie Bruce Wayne." Valentin sah Haelynn fragend an, doch die hatte ihre gesamte Aufmerksamkeit auf dem Kind. Von ihr sah Valentin zu Shay, der noch immer neben der Tür stand.

„Ein amerikanischer Comicheld, Herr. Er behauptet immer allein zu arbeiten, hat aber eines der größten Teams überhaupt. Und vier offizielle Kinder, sowie mehrere, die es nur inoffiziell sind." erklärte dieser und Valentin verdrehte die Augen.

„Okay. Guter Grund mich mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen. Das hier ist heftig. Keiner von euch darf eingreifen, während ich arbeite, oder es wird nur noch schlimmer, nicht besser." Valentin konnte ihre Magie spüren und sehen. Sie tanzte grün in verschlungenen Mustern über die Haut des Kindes, dass sie zumindest aus dem übergroßen Shirt befreit hatte.

Vampirprinz Halian MediciWo Geschichten leben. Entdecke jetzt