Am nächsten Tag ist es dann soweit. Ich habe Marie (extra) noch nicht angeschrieben. Sie hat mich zwar inzwischen wieder endblockiert, geschrieben haben wir jedoch seit Sonntag nicht mehr. Ich dachte mir, dass die persönliche Aktion sowieso alles klären und auch bei ihr besser ankommen wird. Außerdem habe ich Angst, dass sie mit mir Schluss macht, wenn ich jetzt Kontakt aufnehme. „Sie muss nur noch diesen halben Tag durchhalten, dann ist hoffentlich wieder alles gut.", versuche ich mich zu beruhigen und schlinge mein Frühstück herunter, obwohl ich gar keinen Hunger habe. Allein bei dem Gedanken an den Nachmittag bekomme ich ein nervöses Kribbeln im Bauch, dass auch die Zeit in der Schule anhält. „Bist du bereit?", fragt Max mich. „Auf jeden Fall.", grinse ich zuversichtlich, doch innerlich fühle ich mich nicht ganz so wohl bei der Sache.
Die Zeit vergeht schnell und ehe ich es mich versehe, ist die Schule schon vorbei. Ich gehe nach Hause, bereite ein paar Kleinigkeiten vor und fahre dann zu Max. Inzwischen bin ich so aufgeregt, dass ich mich kaum auf meinem Fahrrad halten kann. Zusammen fahren wir dann zu Marie, die gerade mit ihrer Zwillingsschwester in ein Café gegangen ist. Lisa hat Max vorher den Zweitschlüssel gegeben - als ob sie mir nicht vertraut. Andererseits bin ich auch ganz froh, dass mein bester Freund mir zur Seite steht. Mein Kumpel schließt die Tür auf und wir huschen hoch in Maries Zimmer. Ich weiß nicht, was ich dort erwartet habe, aber es sieht alles so aus wie beim letzten Mal. Das Bett ist ordentlich gemacht und nicht - wie vermutet - zerknautscht und voller verheulter Taschentücher. Die Wandfarbe ist noch immer weiß und hat sich seit dem letzten Mal nicht in ein tristes schwarz mit gruseligen Wandtatoos verwandelt. Ich weiß nicht wieso ich glauben konnte, dass sich meine Freundin in so kurzer Zeit so stark verändern könnte, doch ich atme erleichtert auf. Alles ist wie letzte Woche und fühlt sich so vertraut und doch so fremd an. Als wäre ich Ewigkeiten nicht hier gewesen, doch es waren in Wirklichkeit nur ein paar Tage.
Maries Zimmer ist wie immer aufgeräumt und minimalistisch eingerichtet. Ein Schreibtisch mit Stuhl, ein Bett, ein Kleiderschrank und ein Spiegel - das wars. Kein Schleier umhüllt das Bett. Keine Pferde- oder sonstige Poster von Popstars hängen an den Wänden. Nur eine Weltkarte, auf der alle Orte ausgemalt sind, an denen sie schon gewesen ist. „Was starrst du denn hier so?", lacht Max, „Du warst doch scho tausend Mal hier!" Ich berapple mich wieder. Wir haben nicht massenhaft Zeit, denn Lisa hat betont, dass sie höchstens eine halbe Stunde weg sein werden. Es dämmert bereits und ich schließe die Vorhänge. Max hängt ein langes Poster quer durch den Raum auf dem in großen Buchstaben: „Es tut mir leid." steht. Mit einem traurigen Hundewelpen daneben. Sehr kitschig - ich weiß. Doch für den Anlass passend. Marie wird das Poster danach auch hoffentlich sofort abhängen und entsorgen. Sonst könnte sie mich noch Monate danach damit erpressen, wie kitschig meine Aktion war. Sie hatte dann sogar Beweise...
Max dreht die Glühbirne heraus und ersetzt sie durch ein schwächeres, farbiges Partylicht, dass viele verschiedene Farben in den Raum werfen wird. Dann platzieren wir noch zwei Lampen, eine auf mich gerichtet, die andere auf die Tür. Mein Handy habe ich mit ihrer Stereoanlage verbunden und das Lied „I want to know what love is" gefolgt von Whitney Houstons „I will always love you" bereits eingestellt. Es soll so aufwendig und kitschig wie möglich werden, dass man schon wieder darüber lachen kann. Ich habe mir inzwischen ein schwarzes Jacket mit weißem Hemd angezogen und meine Haare - klitschnass vor lauter Haargel - zurückgekämmt. Einen Knopf des Hemdes lasse ich mit Absicht offen und stecke mir eine Fake-Rose in den Mund. „Du siehst zum schießen aus.", kichert Max. „Genauso soll es sein.", grinse ich nervös und hoffe, dass Marie ihren Humor behalten hat und ebenfalls darüber lachen kann. Gewagt ist die Aktion allemal. „Ich glaube sie kommen!", ruft Max hektisch und löscht alle Lichter. Bevor er sich in Lisas Zimmer, dass sie direkt gegenüber befindet, versteckt, dreht er sich noch einmal um: „Du holst sie dir heute zurück. Keine Widerrede!" Ich lächle dankbar und freue mich, dass er mich so unterstützt hat. Die Ideen für den Feinschliff, wie für das Licht oder mein Outfit, hatte er sich ausgedacht. Währenddessen waren wir nicht zu halten gewesen und aus uns war eine lächerliche Idee nach der anderen herausgesprudelt.
Der Plan von mir ist, eine so kitschige und stereotypische Rückholaktion zu starten, dass kein Liebesfilm der Welt sie übertreffen könnte. Es soll alles so übertrieben dick aufgetragen sein, dass es eine offensichtlich ironische gemeinte Aktion wird, über die sie nur lachen kann. Die Botschaft wäre jedoch die selbe wie in den Filmen, sodass ich sie im nu wieder bei mir hätte. Also romantisch, aber mit so viel cringe, dass keine peinliche Stimmung entsteht. So lautet die Grundidee. Damals hatten wir gelacht und die Idee gefeiert, doch in diesem Moment bin ich mir nicht mehr 100% sicher, ob es die richtige Wahl gewesen ist.
Ich zittere vor Aufregung und knie mich auf den Boden. Neben mir liegt die Fernbedienung für die Scheinwerfer und mein Handy für die Musik. Auch ein kleines Geschenk liegt daneben. Es sind Karten für Maries Lieblingsband, die ich nur bekommen konnte, weil Sophies Vater im Tonstudio arbeitet und das neuste Album mit den Jungs aufgenommen hat. Es sind Karten für den VIP Bereich, die ich sogar noch günstiger bekommen habe. Trotzdem waren sie schweineteuer, doch ich hoffe, dass Marie sich darüber freuen wird.
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Traumfrau oder was? - Fremdgehen verboten (Teil 3)
RomanceIm voraussichtlich letzten Teil der „Traumfrau oder was?" - Triologie wollen Niko und Marie ihre Beziehung endlich auf eine neue Ebene heben. Doch das entpuppt sich als schwieriger als gedacht - auch weil Nikos Freundin sich noch nicht ganz bereit d...