Kylies P.o.V
Ich schloss gequält die Augen. In dem dicken Umschlag hatten sich vier fein säuberlich verfasste Briefe befunden. Jeder einzelne erzählte von einer Situation, welche ziemlich wichtig schien, in meinem Kopf jedoch nicht mehr auftauchte.Jonah war mein Bruder, das wusste ich nun. Doch ich hatte keine Ahnung, wie verdreht all das war. In einer Hinsicht war ich froh, mich nicht mehr an den Schmerz zu erinnern, den ich empfunden hatte, an die Verwirrung. Doch gleichzeitig war ich enttäuscht, dass mir Jonah die gesamte Wahrheit nicht schon vor meinem Gedächtnisverlust gesagt hatte.
Ich hätte anders darüber gedacht als jetzt, da war ich mir sicher. Vielleicht hätte ich mich gefreut, vielleicht wäre ich auch unglaublich wütend gewesen. In diesem Moment jedoch verspürte ich Mitleid. Mitleid für Jonah, der wegen mir gegangen und seine Eltern bis zu ihrem Tod nie wider gesehen hatte.
Ich dachte an Daniel, welcher ein gesamtes Jahr mit mir in Erinnerung hatte. All die Worte und Gedanken, all die Erlebnisse, die wir teilten. Er hatte all das mit mir, während ich ihm ein wenig gegenüber stand wie eine Fremde. Ich wusste nicht wie ich mich verhalten sollte, doch aus dem Brief wusste ich eines: "Ich würde ihm verzeihen. Voll und ganz. Sowohl Daniel als auch Corbyn, Zack, Jack und auch Jonah hatten nie etwas böses im Sinn gehabt.
Mein großer Bruder wollte mich von Anfang an nur beschützen und hatte deswegen versucht, mich von der Verwirrung und dem Stress in seinem Kopf fern zu halten. Die anderen drei Jungs wollten lediglich für Jonah da sein und ihn nicht verraten. Sie hatten alles richtig gemacht.
Ich sprang auf und lief durch die Villa zu Christina, welche gerade mit Corbyn skypte. Als sie mich erblickte, bedeutete sie Corbyn, kurz zu warten. Erwartungsvoll sah sie mich an und ich lächelte ehrlich. Diese kleine Geste ließ sie erleichtert aufatmen.
Ich setzte mich neben sie auf die Couch und sah in den Laptop, wo ich Corbyns lachendes Gesicht erblickte. "Hey, Kylie!", rief er fröhlich und ich konnte erkennen, wie sich im Hintergrund Jacks Kopf von seinem Handy auf den Laptop seines Freundes drehte. Er bewegte sich nach vorne und winkte mir durch die Kamera zu. Seine Haare standen zu Bergen und seine Augen kniff er ein wenig zusammen.
Ich grinste breit. "Hey, ihr! Warum sieht Jack um diese Uhrzeit aus, als wäre er gerade erst aufgestanden?", lachte ich und Christina stimmte mir ebenfalls lachend zu. Corbyn prustete los, während Jack rief: "Weil es so ist! Unser lieber Daniel treibt uns schon den ganzen Tag durchs Haus und da habe ich nun mal eine ruhige Minute...", Corbyn unterbrach ihn. "Drei Stunden, Jack!", woraufhin dieser kurz innehielt.
"Wie auch immer. Die habe ich genutzt, um zu schlafen, bis er wie wild an meine Tür geklopft hat. Der Typ hat Hummeln im Arsch.", meinte der Junge mit den wilden Locken abschließend. Wir lachten, bis im Hintergrund eine Stimme ertönte.
"Jungs! Was macht ihr denn schon wieder? Ihr solltet schon längst die Cocktails machen! Die Mädels kommen schon in..." - "Zwei Stunden!", rief Christina laut und Corbyn grinste über Daniels Blick, welchen wir noch nicht sehen konnten.
Mit einem Mal tauchte Daniels Gesicht im Bildschirm auf und wir sahen, wie er sich kopfüber in die Kamera beugte. "Hey! Ihr seid das also." Er lachte kurz und wir begrüßten ihn. "Mädels, tut mir Leid, aber ich muss euch meine Kameraden wohl wieder wegnehmen, die haben nämlich noch etwas zu tun. Nicht wahr?" Er bewegte sich nun komplett vor die Kamera und sah zu seinen Freunden welche gespielt genervt die Augen verdrehten, dann jedoch anfingen, zu lachen.
Corbyn schob den Jungen ein wenig zur Seite und quetschte sich ins Bild. "That's what he said, Leute. Ich schätze wir müssen los." Wir lachten und Daniel grinste zufrieden. Nach wenigen weiteren Minuten verabschiedeten wir uns voneinander und Christina platzte sichtlich beinahe vor Aufregung.
"Und? Was stand in dem Brief?", fragte sie schließlich bemüht vorsichtig. Ich lächelte und antwortete: "Alles. Es war ein wenig wie ein Tagebucheintrag, in dem Umschlag waren vier Briefe. Er hat geschrieben, warum er damals gegangen ist und dass es ihm schwer gefallen ist. Er hat sich benachteiligt gefühlt, weißt du? Das Einzige was er hatte, war die Musik und deshalb ist er auch auf ein Internat gegangen. Er wollte seine gesamte Zeit nur der Musik geben. Mir wurde nicht von ihm erzählt, weil er es nicht wollte. Er meinte, dann würde ich mir nur Vorwürfe machen. Irgendwie bin ich ja auch ein wenig Schuld, er ist auch gegangen weil mich als kleines Kind alle bewundert haben... Ich glaube das war sehr schwierig für ihn. An den letzten Abenden der Tour wurde es ihm beinahe zu viel. Es ist schwer gewesen, mich und Daniel zusammen zu sehen und zu wissen... Dass wir seine Schwester und sein bester Freund sind. An dem Tag, als wir nach Hause geflogen sind, wäre es scheinbar fast herausgekommen. Im vierten Brief stand einfach dass es ihm leid tut."
Vorsichtig sah sie mich an. "Wow... Das ist eine Menge. Ich hätte nicht wirklich gedacht, dass es so tiefgründig war. Ich dachte wirklich die ganze Zeit, dass Jonah auf dich und Daniel eifersüchtig wäre, aber dass er dein verschwundener Bruder ist... Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich meine, wer kommt auch auf so etwas? Und so langsam verstehe ich es ein wenig. Er hat all das die ganze Zeit mit sich herum getragen und konnte Niemandem etwas sagen. Selbst als er es den Jungs erzählt hat war der Druck immer noch da."
Ich nickte. "Das habe ich mir auch gedacht. Ich weiß nicht so ganz, wie ich heute Abend reagieren soll. Ich weiß noch nicht einmal, was die Band geplant hat. Ich freue mich wirklich, alle zu sehen, aber ich denke, dass Jonah eine Reaktion von mir erwartet."
Christina lächelte. "Kylie, Niemand erwartet irgend etwas von dir. Du musst noch nicht einmal mit ihm sprechen, wenn du das nicht willst."
Entschlossen schüttelte ich den Kopf. "Doch. Ich werde mit ihm sprechen."
"Und... wirst du ihm verzeihen?", fragte meine beste Freundin langsam.
"Ja."
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What am I
Fanfiction~Why don't we Fafnfiction~ "What am I? Wer oder Was bin ich?" Das ist die Frage, die sich Kylie fast täglich stellt. Nach dem Tod ihrer Eltern verschwindet die 17-Jährige nach Los Angeles, in die Stadt, welche sie schon immer angezogen hatte. LA sol...