15. Kapitel

5.2K 236 18
                                    

In your hesitation
I found my answer.

Nach Evans indirekter Abfuhr schaffte ich es glücklicherweise doch noch alleine aus dem kalten Wasser, indem ich an eine nicht weit entfernte Stelle schwamm und zu unseren Sachen lief.

Als ich ihn erblickte, hatte er bereits seine Hose angezogen und genau wie eben wurde ich wieder Zeugin seines gut gebauten Körpers. Ich stieß die angehaltene Luft aus und lief an ihm vorbei zum schwarzen Wagen. Die ganze Zeit über fühlte sich mein Herz schwer an und meine Gedanken rasten.

Plötzlich schien mir der Moment, in dem er mir so nahe war und uns praktisch kein Blatt trennte, schrecklich weit entfernt vor.
Vielleicht war das aber auch gar nicht so schrecklich.

Auf der Rückfahrt hatte ich meinen Pulli ausgezogen und war in mehrere weiche Decken eingehüllt, die Evan im Kofferraum gelagert hatte und die mich nun warm hielten. Wir wechselten kein Wort miteinander. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mich daran zu hindern, die vergangene Situation zu überdenken und mich schlecht zu fühlen. Ich kam mir schlicht und ergreifend lächerlich vor.

Auch als wir gemeinsam die Treppen hochliefen, lag eine Stille über uns, wobei ich realisierte, dass diese gar nicht so unangenehm war. Wir hatten uns bloß nichts zu sagen. Warum denn auch? Es wirkte so, als wollte Evan so tun, als sei niemals etwas geschehen, was rückblickend genau der Fall war und mich nicht weiter stören sollte. Ich seufzte.

Ich hörte ihn irgendetwas sagen, als ich vor meiner Zimmertür stand und diese öffnete. Noch bevor ich fragen konnte, war er gesagt hatte, war er bereits verschwunden. Ein paar Sekunden lang starrte ich gefühlt Löcher in die Luft, schüttelte dann jedoch den Kopf über mich selbst und betrat mein eigenes Zimmer. Wenigstens war ich nun satt, dachte ich mir.

Schnell zog ich mich wieder um und warf mich in das große Bett. Zwar kam ich nicht umhin, erneut über das Geschehen nachzudenken, schlief diesmal jedoch nach bereits wenigen Minuten ein. Schließlich war es bereits vier Uhr.

Den nächsten Morgen wachte ich aufgrund eines lauten Klopfens an der Tür auf. Müde setzte ich mich auf und schlagartig wurde mir wieder die Situation bewusst. Schlagartig wanderten meine Gedanken zu Evan und der anstehenden Gala. Als es erneut klopfte, stand ich etwas genervt auf und öffnete die Tür. Sofort hielt ich inne und konnte meinen Augen nicht trauen, als ich sah, wer dort stand.

"Das hat ja ziemlich lange gedauert.", meinte Mavie mit einem schiefen Lächeln und ich schaute sie entgeistert an. "Was machst du hier?", platzte es aus mir heraus. "Ich habe ja mit vielem gerecht, aber definitiv nicht mit dieser Begrüßung." Sie schmollte beleidigt. "Willst du mich denn nicht wenigstens fragen, ob ich reinkommen möchte?" Ich schaute sie skeptisch an. "Willst du denn reinkommen?", entgegnete ich. "Gerade nicht, nein." Mir entschlüpfte ein Lachen und sie grinste. Erst jetzt fiel meinem langsamen Gehirn wieder ein, dass Mavie doch auch auf die Gala gehen würde.

Ich strich mir eine blonde Strähne, die sich aus meinem Zopf verirrt hatte, hinter mein Ohr und sie fuhr vorsichtiger fort: "Evan meinte, du hast noch immer kein Kleid für die Gala." Ihr Satz klang wie eine Frage, doch ich erwiderte nichts darauf. "Amrei hängt zwar Aaron gerade wahrscheinlich förmlich an den Lippen, aber Elena und ich würden mit dir ein paar Läden abklappern gehen.", fügte sie noch hinzu. Sie lächelte mich warm an und ich überlegte kurz.

Zu meinem Bedauern konnte ich mir wirklich keine Ausrede für den geplanten Ausflug einfallen lassen. Schließlich war es ein Fakt, dass ich nichts dabei hatte, was dem heutigen Dresscode entsprechen würde. Ich seufzte und sagte ergeben: "Ich mache mich fertig." "Wir warten auf dich im Wagen. Der ist kaum zu übersehen.", erwiderte sie, ging los und ich selbst schloss wieder die Tür.

Die Fahrt dauerte zwanzig Minuten, bis ich vor uns einen kleinen Laden erblickte, der in seinem Schaufenster verschiedene teuer aussehende Kleider präsentierte. Er erinnerte mich an ein Brautmoden-Kleidergeschäft.

Wir liefen gerade darauf zu, als die Blondine, die bis jetzt hinter mir gelaufen war und die sich mit dem Namen Elena vorgestellt hatte, mich schnell auf ihren hohen Schuhen einholte. Sie pikste mir mit ihrem perfekt rot lackierten Fingernagel in die Seite, woraufhin ich überrascht ich zusammenzuckte. Sie lachte darüber und sagte: "Sei froh, dass du Amrei noch nicht kennenlernen musstest. Die meiste Zeit ist sie der totale Grinch." Dramatisch seufzte sie. "Die Hoffnung stirbt ja bekannterweise zuletzt.", plapperte sie unbekümmert weiter. "Hoffnung?", fragte ich nach. "In ihren weichen Kern natürlich.", erklärte sie wie selbstverständlich und wir traten in den kleinen Laden ein, der unsere Ankunft mit dem leisen Läuten einer Glocke an der Tür ankündigte. "Achso." Das klang auf eine komische Art und Weise plausibel, selbst für mich.

⚜⚜⚜

"Was ziehst du also an?", fragte Mavie mich von der Umkleidekabine aus und ich zuckte mit den Schultern, doch als mir wieder einfiel, dass die Brünette mich nicht sehen konnte, fügte ich schnell hinzu: "Weiß ich noch nicht." Sofort lugte ihr Kopf zwischen den Vorhängen hervor und sie kniff die grünen Augen zu Schlitzen zusammen.

"Wenn du magst, suche ich etwas für dich aus.", bot mir Elena dann von der Seite an und ich warf mit einer Hand ab. "Passt schon. Ich werde schon etwas finden." Sie schaute mich ebenfalls an, zog die Stirn skeptisch kraus und widmete sich dann wieder wie auf Knopfdruck unbekümmert ihrer Zeitung. "Das Angebot bleibt bis dahin bestehen.", säuselte sie vor sich hin. Sie hatte sich bereits auf einen der kleinen Sessel neben mir gesetzt und schaute sich interessiert die Kleider-Kataloge an.

Mavie trat vollends aus der Kabine heraus und ich riss die Augen auf. Auch Elena neben mir pfiff anerkennend. Mavie trug ein wunderschönes, grünes, eng anliegendes Kleid, welches bis zum Boden ging, und strich sich eine dunkle Strähne hinter ihr Ohr. "Du siehst fantastisch aus, Mavie.", sagte ich ehrlich begeistert und Elena stimmte mir zu, woraufhin Mavie ihr Haar gespielt arrogant über die Schulter warf. "Vielleicht etwas zu gut, oder?", fragte sie uns, wackelte verführerisch mit ihrem Hintern und wir brachen in Gelächter aus.

Plötzlich hörte sie jedoch auf zu lachen und schaute uns ernst an: "Aber mal ehrlich, ist das nicht etwas zu viel?", fragte sie mit gerunzelter Stirn und ich entgegnete: "Was ist denn der Anlass?" "Das wusstest du nicht?", fragte Elena mich entsetzt und schaute tadelnd zu Mavie. "Es ist eine Spendengala.", erwiderte Mavie dann, als wäre es nichts und ich schaute sie überrascht an. "Das hättest du ihr etwas früher sagen können, findest du nicht? Wie soll sie sich denn sonst den Gästen anpassen können?", fragte Elena etwas aus der Fassung und Mavie zuckte unschuldig mit den Schultern. "Vielleicht.", meinte sie bloß und ich verdrehte belustigt die Augen. "Und wie das wichtig gewesen wäre!", entfuhr es Elena plötzlich empört und sie schnaubte.
Statt noch irgendetwas hinzuzufügen, schnaubte sie und widmete sie sich wieder ihrem Prospekt.

"Ich würde sagen, dass es perfekt ist.", bekräftigte ich dann Mavie und sie seufzte. Sie ging auf einen Spiegel zu, betrachtete sich ein paar Minuten genauer und gab dann zu meiner Erleichterung nach: "Die Mädchen dort werden wahrscheinlich viel aufgemotzter sein als ich.", räumte sie schulterzuckend ein. "Darauf verwette ich meine nächste Maniküre!", stimmte ihr Elena zu, hob die Hand hoch und wackelte bedeutungsvoll mit den Fingern.

EVAN ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt