43. Kapitel

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i'm searching for something
that i can't reach

Eine Stunde später saßen wir alle im Esszimmer, Evan direkt neben mir. Die rote Farbe wollte nicht aus meinem Gesicht weichen und noch immer war es, als spürte ich seine Hände und seine Küsse auf meiner Haut. Mein Magen fühlte sich flau an. Weiter waren wir nicht gegangen, doch es schien niemanden von uns beiden zu stören. Nein, stattdessen hatte Evan die ganze Zeit gegrinst wie ein Honigkuchenpferd. Wie groß die Erleichterung war, dass er wenigstens jetzt versuchte, sein Lächeln zu unterdrücken, war nicht in Worte zu fassen. Bloß seine Hand unter dem Tisch, die fast schon unmerklich auf meinem Oberschenkel lag und immer höher rutschte, deutete an, was zuvor geschehen war. Als es an der Tür klingelte, sahen alle außer Evans und Mavies Mutter überrascht aus. Evans Vater hatte sich noch für einige Minuten in sein Büro verschanzt, doch trat er nun ebenfalls ein. "Macht denn niemand die Tür auf?", grummelte er und sah überraschend gut gelaunt aus. Mavie stand schnell auf, um zu schauen, wer da war.

Sekunden später trat sie wieder mit verwirrter Miene ein und setzte sich wieder auf ihren Platz mir gegenüber. Mein Herz setzte aus, als ich Mrs. Morgan hinter ihr entdeckte. Sie hatte ein Lächeln aufgesetzt. Evan stieß die Luft aus und schaute zu seinem Vater. "War ja klar, dass du wieder die Arbeit mit ins Spiel bringst.", knurrte er, doch als Mrs Morgan in unsere Reichweite trat, verstummte er. Sein Vater jedoch zuckte bloß mit den Schultern und setzte sich an das andere Ende des Tisches hin. "Sie hat darauf bestanden." Seine Frau nahm ihm gegenüber Platz. Verwirrt blickte ich zwischen ihnen her und fragte mich, ob sie sich normalerweise immer so weit voneinander entfernt hinsetzten.

"Eden.", begrüßte sie mich und lächelte mich an. Ich nickte unmerklich und beobachtete, wie sie sich neben Mavie setzte, sodass sie gegenüber von Evan saß. "Wie lange ist es her, seitdem wir uns gesehen haben? Einen Monat?", fragte er die ältere Frau vor ihm und lächelte sie an. Ich war überrascht darüber, wie einfach es ihm fiel, so zu tun, als wäre er von ihrem Besuch nicht überrascht. Wahrscheinlich macht es ihm auch gar nichts aus. Ihr Blick schnellte zu mir und dann zu seiner Hand, die unter dem Tisch locker auf meinem Oberschenkel lag und sie schmunzelte. Schnell schob ich seine Hand weg und er warf mir einen komischen Blick zu. "Gute Frage.", entgegnete sie bloß und sah wieder aus ihren glasig blauen Augen zu mir. "Sie weiß es ganz bestimmt. Ein cleveres junges Mädchen ist sie." Ich schluckte.

⚜⚜⚜

Es war eine Stunde vergangen, seitdem Mrs Morgan durch die Tür getreten war. Des Öfteren warf sie mir Blicke zu, als würde sie mich ergründen wollen, doch ich ignorierte es gekonnt. Stattdessen lauschte ich stumm den Gesprächen um mich herum, stocherte in meinem Teller herum und versuchte meine Aufregung unter Kontrolle zu bringen.
Eine Weile sagte sie dann jedoch plötzlich nichts mehr. Stattdessen nahmen ihre Augen ein immer tieferes blau an, und ihre Stirn legte sich in noch mehr Falten. Sie sah zwischen uns allen hin und her; Evan lächelnd und Jane lachend. Mrs Morgan war sauer, man spürte es förmlich.
Letztendlich schaute sie wieder zu mir, als hätte sie meinen Blick gespürt und ich sah, wie ein kleines Lächeln ihre Lippen umspielte.

Sie seufzte schwer und dramatisch, sodass die Gespräche um sie herum verstummten und sagte: "Dann bleibt es wohl an mir hängen, die eigentliche Unterhaltung zu beginnen." Ich rückte noch mehr weg von Evan, der mich nun fragend ansah, doch innerhalb von Sekunden war es nicht mehr wichtig. Mrs Morgan legte eine Waffe auf den Tisch, direkt neben sich. Mein Herz setzte aus und schlug noch schneller, als ich realisierte, dass das alles kein Traum war.

Abrupt stand Evans Mutter erschrocken auf und fasste sich betroffen ans Herz. Ich sah zu ihr und dann wieder zu Mrs Morgan, die noch immer saß. "Es hat Jahre gedauert, bis ich es überhaupt selbst glauben wollte.", flüsterte dann Mrs Morgan laut genug, dass wir es alle hören konnten. Wie versteinert blieb ich sitzen und ballte meine Hände ängstlich zu Fäusten.

Sekunden später spürte ich, wie Evan sie umfasste und ich versuchte tief durchzuatmen. Erst jetzt ließ ich zu, dass er unsere Hände ineinander verhakte. Mrs Morgan bemerkte es. "Glaubst du ehrlich, er interessiert sich für dich?", fragte sie mich und schaute mich bemitleidend an. Ich zog die Augenbrauen zusammen und bemerkte, wie sein Vater ansetzte, etwas zu sagen, als sie plötzlich nach ihrer Waffe griff.

"Heute spreche ich.", entschied sie und fuhr fort: "Er sollte dich im Auge behalten, Kind. Nicht mehr und nicht weniger. Jeder Kuss und jede Berührung war eine Lüge." Zögerlich sah ich zu Evan, der bloß wütend zu Mrs Morgan stierte. Als ich jedoch bemerkte, dass er nicht einmal versuchte zu widersprechen, durchfuhr mein Herz ein Stich. Ich lockerte meinen Griff und ließ seine Hand los. Stattdessen legte ich sie gut sichtbar auf den Tisch und schaute, ohne ihn auch nur ansatzweise anzublicken wieder zu ihr. "Was wollen Sie?", ertönte dann Evans Stimme neben mir und eine Gänsehaut überzog meinen Arm. Er klang ungewöhnlich ruhig, doch innerlich wütete ein Sturm in ihm. Oder bildete ich mir auch das ein? "Die Wahrheit.", erwiderte sie und zuckte mit den Schultern.

EVAN ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt