Mein Wecker klingelte um fünf Uhr früh und ich kroch genervt aufstöhnend aus meinem Bett, um ihn auszuschalten. Heute hatte ich meine erste schriftliche Abiprüfung in Englisch. Darauf hatte ich mich monatelang vorbereitet und jeden Tag mindestens eine Stunde dafür gelernt. Ich machte mein Bett und öffnete das Fenster, um die frische Luft des neuen Tages in mein Zimmer zu lassen. Meine Eltern waren gerade erst zur Arbeit aufgebrochen und ich war mit meinem älteren Halbbruder alleine zuhause, welcher jedoch noch immer tief und fest durchs Traumland schwebte. Nachdem ich mir die Zähne geputzt und meine Haare zu einem Zopf gebunden hatte, griff ich eilig zu Jogginghose und schwarzem T-Shirt und radelte anschließend mit meiner Sporttasche auf dem Rücken zum nahegelegenen Fitnessstudio. Dort zog ich mich zügig um und wärmte mich 30 min auf dem Laufband auf, während ich auf meinem Handy nochmal alles durchging, was heute in der Englischprüfung drankommen würde. Danach machte ich noch etwas Krafttraining an den Geräten und dehnte mich zum Abschluss ausgiebig. Anschließend sprang ich zuhause unter die Dusche und machte meine Haare und mein Make-up fertig für die Schule. Dann schlüpfte ich in meine Schuluniform und trug noch etwas Parfüm auf, bevor ich losmusste und mit dem Bus zur Schule fuhr. Bevor ich meine Prüfung hatte, holte ich mir noch einen Smoothie, denn ich hatte heute noch nichts gegessen. Es dauerte 6 Stunden bis ich endlich wieder aus dem Klassenzimmer konnte und meine Abiprüfung hinter mir hatte. Eigentlich hatte ich ein ganz gutes Gefühl. Zum Mittagessen ging ich mit meiner Mädelsclique in einem veganen Restaurant essen. Wir waren wirklich eine lustige Truppe. Sophie war die Beautyqueen unter uns und kannte sich haargenau mit Fashion und Styling für absolut jeden Anlass aus. Kayla hatte immer die verrücktesten Ideen und brachte uns so oft zum Lachen mit ihren Sprüchen und Taylor war einfach Psychologin und Beziehungsexpertin in einem. Ich liebte meine Mädels einfach. Zusammen hatten wir immer irre viel Spaß. "Na, was grinst du denn die ganze Zeit so?", holte mich Taylor wohlwissend aus meinen Tagträumereien heraus. Wir saßen im Restaurant und warteten auf unser Essen. Nun richteten Kayla und Sophie ebenfalls ihre Aufmerksamkeit auf mich. Fuck, jetzt hatten sie mich erwischt, wie ich an IHN gedacht hatte." Ich grinse nicht", versuchte ich mich zu verteidigen. "Na klar grinst du. Los sag schon. Gibt es da etwa einen Jungen?", fragte Sophie abwartend. "Einen Boy?", fragte Kayla nochmals. "Nein...ja...vllt", wich ich aus. "Vllt? Uh...und wer ist der Glückliche?", fragte Taylor interessiert. "Er geht nicht auf unsere Schule", antwortete ich ihr lächelnd. "Uh. Ein geheimnisvoller Fremder. Ich hoffe ihr habt verhütet", wisperte Kayla. Sie lachte und wir anderen mussten ebenfalls lachen. Nachdem wir aufgehört hatten zu lachen, fragte mich Sophie: "Ey, aber jetzt erzähl mal. Ist da was gelaufen zwischen euch?" Sie zwinkerte mir zu, aber ich winkte nur ab: "Nein Mädels, also zumindest nicht so wie ihr denkt. Wir haben uns geküsst, mehr nicht." "Uh geküsst ist aber schon...", fing Kayla an. "Besser als nichts. Da ist noch Spielraum", beendete Taylor Kaylas Satz und grinste verführerisch. Ich verdrehte amüsiert die Augen. "Du hast uns noch nicht seinen Namen gesagt", bemerkte Sophie. "Ja, sag schon, wie heißt er?", hakte Taylor nach. "Er heißt Samuel", gab ich nach. "Und wann trefft ihr euch wieder?", fragte Sophie mich. "Das weiß ich noch nicht, demnächst", sagte ich daraufhin. "Uh, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? Das hast du noch gar nicht erzählt", überfiel mich Kayla mit ihrer Frage. Sofort dachte ich an den Spielplatz und kurz darauf an den Bahnhof und wie er sich vor den Zug schmeißen wollte. Ich wollte diesen Gedanken abschütteln. Von dem Bahnhof würde ich meinen Mädels nichts erzählen, auch wenn ich sie über alles liebte, war das nicht nur meine Geschichte, sondern auch Samuels. Ich wollte gerade ein anderes Thema anschneiden, als unser Essen kam und die Gespräche über Samuel verstummten und wir diskutierten stattdessen über Taylors furchtbare Trennung und ihren Arsch von Ex Freund. Sie liebte es einfach ihm eine Ansage zu machen und darüber zu reden, was für ein Arsch er war. Heute nach der Abiprüfung hatte er ihr ungeniert auf den Hintern geglotzt und als Taylor das bemerkte, gab sie ihm eine Backpfeife und nannte ihn ein hirnamputiertes Arschloch. Nach dem Essen hatte ich noch ein paar Kurse. Erst um 16:00Uhr nahm ich meinen Bus nach Hause. Nachdem ich in meiner Stadt noch schnell ein paar Dinge bei Rossmann eingekauft hatte, lief ich nach Hause und erledigte noch meine restlichen Hausaufgaben. Nachdem ich geduscht hatte, aß ich mit meinen Eltern um Punkt 19 Uhr zu Abend. Danach verkrümelte ich mich wieder auf mein Zimmer und packte meine Tasche für morgen. Plötzlich blinkte mein Handybildschirm hell auf. Ich sah nach wer mir um diese Zeit noch eine Nachricht schickte, aber die Nummer, die mir schrieb war nicht in meinen Kontakten. Ich tippte auf die Nachricht und las sie lächelnd. Dort stand: "Also wirklich da gebe ich dir meine Nummer und du meldest dich trotzdem zwei Wochen nicht bei mir. Du musst doch fragen, ob ich neue Raptexte geschrieben habe. Vielleicht handelt einer sogar von dir." Dahinter stand ein rotes Herz. Das konnte nur Samuel sein. Er musste meine Nummer von dem Tag haben, als ich ihn angerufen hatte. Er hatte recht. Wie konnte ich ihn nur zwei Wochen ignorieren, obwohl ich doch seine Nummer hatte. Ständig dachte ich an ihn und hatte völlig vergessen, dass ich ihm hätte schreiben können. "Ups, hab voll vergessen, dass ich deine Nummer ja habe. Sorry, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Und wie geht's meinem farbenblinden Rapper so?" tippte ich zurück. "Dem geht's gut, weil seine Kleine ihm endlich mal schreibt", tippte er daraufhin zurück. Er nannte mich "seine Kleine". Wie süß war das denn bitte? Ich lächelte und tippte zurück: " Wurde ja auch mal Zeit, dass ich dir schreibe, wenn ich eh die ganze Zeit schon an dich denke." Aus Angst vor seiner Antwort bedeckte ich mein Gesicht mit meinen Händen. "Ich denke auch oft an dich...", tippte er zurück. Wieder lächelte ich. Er tippte noch etwas: "Ich vermiss dich..." "Ich dich auch..." , tippte ich zurück. "Ich hab was für dich geschrieben", tippte er mir und schickte im Anhang eine Audiodatei. Danach ging er offline. Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und drückte auf Play. "Ey, Luna ist mein Weg, wenn ich mal wieder ins Verderben lauf, ich trage sie im Herzen auch...", rappte eine Stimme. Samuels Stimme. Ich konnte es nicht fassen. Er hatte tatsächlich ein Lied für mich geschrieben. Ein Lied, das von mir handelte. Er konnte so gut rappen. Den Refrain sang er auf Englisch: "And I still see your shadows in my room. Hooked on your love..." Er konnte fast noch schöner singen, als er rappen konnte. Mir kamen die Tränen. Er hatte das nur für mich gesungen, obwohl wir uns noch gar nicht lange kannten. Das rührte mich sehr. Nachdem ich mir das ganze Lied angehört hatte, schrieb ich ihm : " Omg dankeee, ich hätte nie erwartet, dass du mal ein Lied für mich schreibst und dann auch noch so schön singst und rappst. Ehrlich, ich bin gerührt, Dankeschön!" Er tippte ein rotes Herz zurück und ich darauf ebenfalls. Dann legte ich mich ins Bett, deckte mich zu und steckte mir erneut die Kopfhörer in meine Ohren. Wieder drückte ich auf Play und hörte wieder seine wunderschöne Stimme. Dabei stellte ich mir vor, wie ich in seinen Armen einschlief und er meine Stirn küsste und mich seine Kleine nannte. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich irgendwann ein.
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Between Worlds
RomanceWas ist, wenn dein Leben total ereignislos und langweilig oder total beschissen und hart ist und es da plötzlich jemanden gibt, der jede Sekunde davon zur schönsten Zeit deines Lebens macht? Und was ist, wenn du dich in diesen jemand verliebst? Wir...