Missing Stranger

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Ich stand am Bahnhof und mein Zug kam gerade an. Samuel stand hinter mir und ich bemerkte, wie er traurig zu Boden blickte. Der Zug kam zum Stehen und ich stieg einfach ein und ließ Samuel ohne ein "Danke" und ohne ein "Auf Wiedersehen" am Bahnsteig stehen. Warum sollte ich auch "Auf Wiedersehen" zu ihm sagen, wenn ich ihn gar nicht wiedersehen wollte? Am Anfang wirkte er interessant auf mich, aber das war am Anfang. Jetzt war er nur noch dieser Samuel mit dieser Krebskrankheit und ich hatte kein Mitleid mit ihm. Ich kannte ihn ja nicht mal richtig. Und so ließ ich Köln und Samuel hinter mir und fuhr zurück nach Hause. Jetzt war all das Drama vorbei. Das dachte ich zumindest... Es vergingen Monate und ich hatte immer wieder Samuel im Kopf und konnte aus irgendeinem Grund nicht aufhören an ihn zu denken. Ich lenkte mich ab, machte was mit Freunden oder mit der Familie. Aber er fehlte mir. Wieso fehlte er mir? Vielleicht wegen den guten Gesprächen? Irgendwie kam es mir so vor als würden wir uns schon ewig kennen. Ich hatte bei ihm das Gefühl, dass ich ihm blind vertrauen konnte und nur er mich verstehen konnte. Aber jedes Mal, wenn ich so etwas dachte, verbannte ich diesen Gedanken schnell wieder und redete mir ein, dass ich das nur über ihn dachte, weil ich ihn nicht richtig kannte und vielleicht war das ja auch so. "Luna wir müssen jetzt los", unterbrach die Stimme meiner besten Freundin Lena meine Gedanken. Heute würde ich einfach auf dieses Konzert gehen, auf das ich mich schon seit Wochen gefreut hatte und Samuel und all die Gedanken an ihn einfach ausblenden. Ich werde ihn sowieso nie wieder sehen, also warum sollte ich nicht einfach Spaß haben mit meiner besten Freundin auf diesem Konzert und ihn danach ein für alle mal vergessen? Ja genau das würde ich machen. Das besondere an dem Konzert heute war nicht nur, dass es von meiner Lieblingssängerin Ariana Grande war, sondern auch dass es danach noch eine After Concert Party in einem der größten und besten Clubs Hannovers gab. Wir waren mit dem Zug nach Hannover gefahren und haben dann vom Bahnhof aus ein Taxi zu der Veranstaltungshalle genommen. Als wir dort angekommen waren, wurden erstmal unsere Taschen durchsucht und danach mussten wir noch eineinhalb Stunden warten, bis das Konzert beginnen würde, weshalb wir in der Zeit noch ganz in Ruhe etwas essen gingen. Um 21:00Uhr war es dann endlich so weit: Wir wurden eingelassen und etwa eine halbe Stunde später verdunkelte sich das Licht in der großen Halle und nach der Vorband konnte ich endlich mein Idol live singen hören. Lautstark sang ich mit meiner besten Freundin die Texte mit und wir kreischten nach jedem Lied laut auf, als Ariana etwas sagte. Sie war einfach so hübsch und sie konnte so gut singen. Das Konzert ging zwei Stunden und ich genoss mit meiner besten Freundin jede einzelne Sekunde davon. Nach dem Konzert fuhren wir in den nahegelegenen Club, um noch etwas zu feiern. Die Stimmung im Club war mega: Laute Musik, viele Drinks und massenhaft tanzende Leute, die ihre Lebensfreude nur so ausstrahlten. Vielleicht würde ich heute ja sogar jemanden kennenlernen, mit dem ich wenigstens ein bisschen tanzen konnte oder der mir meine Drinks bezahlte, fantasierte ich. Eine halbe Stunde später kam es tatsächlich dazu, dass ich mit einem gutaussehenden, braunhaarigen Typen tanzte, während meine beste Freundin uns Drinks holte. Schon nach dem vierten Drink fühlte ich mich ziemlich betrunken, aber ich tanzte trotzdem noch ausgelassen weiter. Irgendwann merkte ich allerdings, dass es hier drinnen ziemlich warm war und sagte meiner besten Freundin Lena Bescheid, dass ich kurz frische Luft schnappen gehen wollte. Als ich draußen vor dem Club war, kam mir die kühle Nachtluft entgegen. Der Himmel war sternenklar und ich lehnte mich an die Wand des Clubs und checkte mein Handy. Ich hörte ein paar besoffene Stimmen in meine Richtung kommen. Na toll, dachte ich mir nur. Im nächsten Moment kamen drei ältere Männer, die garantiert schon mehr als vollkommen betrunken waren, um die Ecke und blieben bei mir stehen. Der eine grinste mich dreckig an, während der andere lallte: "Hey süße, du siehst ziemlich heiß aus. Willste nich mit mir nach Hause kommen? Nur für eine Nacht." Der dritte lachte daraufhin nur und zündete sich eine Zigarette an und hielt sie mir hin, nachdem er einen Zug genommen hatte. Ich ignorierte die Typen einfach, bis mir einer der Typen gefährlich nahe kam und mir zuflüsterte: "Muss man eigentlich dafür bezahlen, wenn man dich vögeln will oder machst du es auch kostenlos." Ich erstarrte. Meine Gedanken drifteten ab zu der Nacht als ich mit Samuel und Cedric feiern war und Cedric mich vergewaltigen wollte. Ich konnte nicht mehr klar denken und mich auch nicht mehr bewegen. Ich war wie eingefroren und diese Typen kamen mir immer näher. "Lasst sie sofort in Ruhe, ihr Wichser und verpisst euch von hier!", rief da jemand, dessen Stimme mir sehr bekannt vorkam. Die Typen blickten sich um und verschwanden tatsächlich. Allerdings konnte ich kaum glauben, wer jetzt vor mir stand: Es war Samuel. Ich war immer noch ziemlich betrunken und wollte ihn gerade einfach nur küssen, aber das wäre jetzt vielleicht doch etwas unangemessen. "Danke", brachte ich nur hervor und blickte zu Boden, nur um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen. Er kam mir langsam näher, bis er genau vor mir stand. "Komisch, dass wir uns hier wieder treffen. Ich dachte ehrlich gesagt, wir sehen uns nie wieder.", sagte er. "Das dachte ich eigentlich auch", erwiderte ich. Danach trat eine unangenehme Stille zwischen uns ein. Keiner von uns sagte ein Wort, wir sahen uns einfach nur in die Augen. Es war, als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen und für einen kurzen Augenblick hatte ich wirklich Angst, dass er das vielleicht sogar konnte, weshalb ich schnell meinen Blick von ihm abwendete. Er kam näher zu mir und seine eine Hand hob mein Kinn an, sodass ich ihn ansehen musste. Wir blickten uns tief in die Augen und da war diese ganz besondere Verbindung zwischen uns. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Ich konnte mich nicht beherrschen und mein Blick fiel immer wieder auf seine Lippen. Jedes Mal wenn ich merkte, dass ich schon wieder auf seine Lippen sah, zwang ich mich wieder schnell in seine Augen zu blicken, bis er mit seinem Gesicht so nah an meins kam, dass ich nicht mehr widerstehen konnte. Bevor ich meine Lippen auf seine legte, redete ich mir ein, dass ich ihn nur küssen wollte, weil ich betrunken war. Und dann küsste ich ihn. Er schien zuerst überrascht, aber dann erwiderte er den Kuss umso fordernder. Wir küssten uns leidenschaftlich. Unsere Zungen tanzten wild miteinander, während meine Hände in seinem Nacken verschränkt waren und seine eine Hand auf meiner Hüfte lag. Seine andere Hand hatte er in meinen Nacken gelegt und zog mich immer fester an sich, als hätte er Angst, dass ich weglaufen könnte. Aber das würde ich bestimmt nicht. Zumindest nicht heute. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sich unsere Lippen wieder voneinander und ich ließ mich in seine Arme fallen. Er hielt mich fest und vergrub seine Nase in meinen Haaren, um meinen Geruch einzuatmen. Dabei küsste er ganz sanft meinen Hals und drückte mich dann wieder fest an sich. Irgendwann lösten wir uns aus dieser Umarmung und ich verlor fast das Gleichgewicht ohne ihn, aber er hielt mich fest, damit ich nicht umkippte. Ich war wirklich noch sehr betrunken. Ich checkte kurz mein Handy und erblickte eine Nachricht von Lena, in der es hieß: "Ich bin bei so nem heißen Typen mitgefahren und bleibe bei dem über Nacht. Wir sehen uns morgen am Bahnhof ok? Sorry süße, ich hatte den gerade kennengelernt, als du draußen warst. Hab noch viel Spaß und klär dir auch einen." Na toll, dachte ich mir. Jetzt muss ich mir in meinem Zustand auch noch ein Hotelzimmer suchen, wo ich bis morgen früh bleiben kann. "Du kannst auch bei mir im Hotel schlafen, wenn du willst", bot mir Samuel an, nachdem ich ihm erzählt hatte, was Lena mir geschrieben hatte. Ich vertraute diesem Typen eindeutig schon zu viel, dafür, dass ich nur seinen Namen kannte und über seine Krankheit Bescheid wusste. Das war gar nicht gut. Aber im Moment war es mir egal und ich nickte. Eine halbe Stunde später waren wir schließlich in seinem Hotelzimmer.

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