Sneaky People

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Ich hatte mich eigentlich auf die Party, auf die mich Samuel eingeladen hatte, gefreut. Ja, es stimmt. Ich hatte sowieso sonst nichts Besseres zu tun und ich konnte erst morgen den Zug zurück nach Hause nehmen. Ich kannte diesen Typen nicht mal, aber als wir dann schon eine Weile stillschweigend nebenher gegangen waren, hörte man von Weitem laute Musik. Wir mussten bald da sein. Ein paar Minuten später wurde ich dann an der Tür eines stinknormalen Blockhauses von zwei mir unbekannten Typen umarmt. Ab dem Moment war ich total überfordert mit der ganzen Situation und als mich einer dieser Typen noch grinsend ansah, als wüsste er schon ganz sicher, dass er mich heute Nacht noch flachlegen würde, wurde mir doch ein wenig mulmig. Wir gingen durch den langen Flur ins große Wohnzimmer. Überall waren betrunkene Leute, die wild zur lauten Musik tanzten. Auf den zwei großen Sofas knutschten zwei Pärchen rum und irgendwo im Flur schrie ein Mädchen "Du scheiß Schlampe". Draußen auf der Terrasse standen ein paar Typen und unterhielten sich während sie eine rauchten. Vor der kleinen Bar im Wohnzimmer stritten sich gerade zwei Mädchen ziemlich laut, weil anscheinend die eine der anderen aus Versehen das Bier über ihr Kleid geschüttet hatte. Ich folgte Samuel zur Bar, während ich mich neugierig umschaute und die vielen Menschen hier musterte. Als mir Samuel einen roten Becher mit einer seltsamen Flüssigkeit reichte - es war sicher kein Bier - wusste ich, ich gehörte hier nicht hin. Im Gegenteil, ich war hier total fehl am Platz. Ich kannte hier niemanden, nicht mal Samuel kannte ich richtig. Ich meine, nur weil man den Namen einer Person kennt, kennt man die Person doch noch nicht, oder? Was machte ich bloß hier? Ich hatte bei all dem kein gutes Gefühl, aber ich wollte jetzt auch keine Spaßverderberin sein. Ich liebte es zu tanzen und mit ein bisschen Alkohol wurde man doch lockerer, oder? Also sollte ich einfach ein bisschen Spaß haben und die letzte Zeit in Köln genießen. Mit diesem Gedanken schüttete ich mir die eklig riechende Flüssigkeit runter und mir ging es irgendwie gleich viel besser. Ich war viel entspannter. "Das hier ist Cedric, nen Kumpel von mir", stellte Samuel mir einen braunhaarigen Jungen mit weißen Sneakers und einem "I love beer!"-T-Shirt vor. "Oh hi, ich bin Luna", sagte ich lächelnd. Er lächelte zurück und umarmte mich, aber nicht so wie die Jungs an der Tür mich umarmt hatten. Er wartete bis ich ihn ansah, kam langsam näher und umarmte mich kurz. "Ich hab dich noch nie hier gesehen. Woher kommst du?", fing er einen Smalltalk mit mir an. Während ich antwortete, reichte Cedric mir noch einen Drink: "Ich komme auch nicht von hier. Ich habe hier bloß meine Oma besucht und wollte eigentlich heute schon nachhause fahren. Ich komme aus der Nähe von Hildesheim, falls dir das was sagt." "No joke, noch nie was von gehört", sagte er lächelnd und lachte ein echt süßes Lachen. Der Junge kam echt sympathisch rüber und man konnte sich gut mit ihm unterhalten. Ich leerte mittlerweile schon den vierten Becher. Ich fühlte mich unglaublich frei und komischerweise war ich noch gar nicht angetrunken, obwohl ich eigentlich nicht wirklich viel abkonnte. "Hast du Lust zu tanzen, Hübsche?", fragte mich Cedric immer noch lächelnd. Ich schrie über die laute Musik hinweg: "Ja klar." Wir gingen zusammen auf die Tanzfläche. Als ich mit Cedric zwischen den anderen Leuten tanzte und lachte, merkte ich so langsam doch den Alkohol, denn schon ein paar Minuten später tanzte ich eng und wild mit Cedric. Er war einfach so süß. Ich hatte vorher noch nie so einen sympathischen Jungen getroffen und er sah auch noch gut aus. Ok, eins stand fest: Ich musste ihn unbedingt nach seiner Nummer fragen. Ich tanzte wild zum Beat und dachte mir, noch nie habe ich mich so frei und so glücklich gefühlt. Dieser Moment war einfach perfekt und ich musste grinsen, als ich daran dachte, dass ich diese Party, als ich hier angekommen war, sofort wieder verlassen wollte. Ich hätte soviel Spaß verpasst und ich hätte Cedric nie kennengelernt. Irgendwie wollte ich ihn gerade einfach nur küssen. Ich weiß nicht, ob dieser Gedanke vom Alkohol oder von meinem Herzen kam, aber mein Blick wechselte immer wieder von seinen Augen auf seine Lippen und als er begriff, dass ich ihn küssen wollte, zog er mich etwas zu sich heran und kam meinem Gesicht mit seinem langsam näher. Seine Lippen würden gleich auf meinen liegen. Doch dann war plötzlich alles schwarz. Es musste etwas Zeit vergangen sein, denn als ich wieder meine Augen öffnete, gab es keine Musik mehr und ich saß vollkommen alleine auf einem Gartenstuhl auf der Terrasse. Da hörte ich zufällig ein Gespräch mit. "Alter, wir könnten sie jetzt beide so heftig flachlegen, Bruder und sie würde nicht mal was merken, weil sie so dicht ist", lachte Cedric offenbar völlig betrunken. "Junge, was ist los mit dir? Ganz ehrlich verpiss dich nach Hause und schlaf erstmal dein Rausch aus. Willst du sie vergewaltigen oder was?", brüllte Samuel zurück. Ja, es musste Samuel sein. Die Stimmen der beiden Jungs würde ich definitiv nach heute überall wiedererkennen. Ich hörte nur noch wie Cedric dreckig lachte. Was für ein Arschloch, dachte ich mir. Ich fühlte mich furchtbar und jetzt hörte ich auch noch Schritte. Oh nein, die beiden würden hierherkommen und ich war zu schwach und zu müde, um mich gegen irgendetwas zu wehren. In was war ich da nur reingeraten? Warum waren alle Menschen auf dieser Welt so verdammt falsch? Ich merkte, wie ich langsam immer müder wurde und schließlich einschlief. Als ich dann wieder aufgewacht war, lag ich in einem fremden Bett, in einem fremden Zimmer, alleine und ich wusste nicht wie ich hierhergekommen war oder was noch alles passiert war. Ich bekam Panik und fing an sehr schnell und hektisch zu atmen. Ich musste schnell hier weg und wieder nach Hause. Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf. Lag ich gerade bei Cedric im Bett und hatte er mich vergewaltigt? Wo war Samuel? War ich verletzt? Wo war ich? Würde ich je wieder heil zuhause ankommen? Da ging plötzlich die Tür auf und als Samuel hereinkam und mich fragte, wie es mir ging, fing ich fürchterlich an zu weinen. Vor Angst und Panik und Unwissenheit. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich fremden Menschen immer so schnell vertraute. "Hey", flüsterte Samuel leise, als er sich zu mir auf das Bett setzte und mich in den Arm nehmen wollte, aber ich stieß ihn zurück. "Was hey? Na, hat es Spaß gemacht mich zu vergewaltigen? Mich auf diese Party zu lotsen, nur um mich dann gemeinsam flachzulegen und jetzt einen auf Vertrauen machen? Ich dachte echt ihr beide seid anders, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Ihr Jungs seid genauso dreckig und falsch wie all die anderen", schrie ich ihn an und fing gleich darauf wieder an zu weinen. Ich bemerkte, wie er wieder versuchen wollte mich in den Arm zu nehmen, aber stattdessen rutschte er ein Stück von mir ab und fing an zu erklären: "Du wurdest nicht vergewaltigt. Ich weiß selber nicht, warum Cedric gestern so drauf war. So kenne ich ihn eigentlich nicht, aber glaub mir, als er dich rausgetragen hat, als du auf der Tanzfläche umgekippt bist und er angefangen hat mit mir darüber zu reden, dich flachzulegen, weil du ja eh nichts merken würdest, habe ich ihm gesagt, er soll sich verpissen. Sowas würde ich einer Frau nie antun, auch nicht wenn ich betrunken wär." "Ja, das Gespräch zwischen euch habe ich mitbekommen, aber was ist danach passiert? Wie komme ich hierher und wo bin ich?", geriet ich wieder in Panik. Samuel legte eine Hand auf meine Schulter, aber nahm sie gleich darauf wieder ruckartig weg, als hätte er sich an mir verbrannt, wahrscheinlich dachte er, ich würde ihn wieder wegstoßen, wenn er seine Hand dalassen würde. Er erklärte mir: "Nachdem ich Cedric nachhause geschickt hatte, bin ich sofort zu dir und hab dich in meine Wohnung getragen. Ich hab dich nur ins Bett gelegt und dich zugedeckt. Ich schwöre es dir. Ich hab dich nich angerührt." Ich glaubte ihm, aber als ich mir die Tränen wegwischte, antwortete ich trotzdem kalt: "Wie spät ist es? Ich muss um 9:30Uhr am Bahnhof sein, um meinen Zug noch zu bekommen." Samuel versicherte mir, dass es erst kurz nach Mitternacht war. Na toll, also musste ich hier noch etwas bleiben, bevor ich zum Bahnhof gehen konnte. Ich war allerdings so müde vom Alkohol, dass ich mich nach diesem Gedanken in die Kissen von Samuels Bett sinken ließ und sofort einschlief. Ich merkte nur noch, wie er mich vorsichtig zudeckte und die Tür hinter sich schloss, nachdem er das Zimmer verlassen hatte.

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