Immeasurable pain

16 1 0
                                    




Endlich ist Wochenende, dachte ich nur, als ich Samstag früh erst um 12Uhr aus dem Bett kroch. Ich machte mir Frühstück und hüpfte unter die Dusche, um mir meine Haare zu waschen. Das Wasser war so schön warm und ich konnte mich endlich mal vom ganzen Schulstress lösen und entspannen. Gerade als ich meine Beine anfing zu rasieren, klingelte mein Handy. Zuerst wollte ich aus der Dusche steigen und rangehen, aber dann dachte ich mir, wenn es wirklich so wichtig war, konnte derjenige oder diejenige ja einfach später nochmal anrufen. Ich entspannte mich wieder und konzentrierte mich darauf, mich nicht beim Rasieren zu schneiden, als mein Handy wieder klingelte und diesmal länger. Genervt stöhnte ich auf und stieg aus der Dusche, um ranzugehen. Dabei überflutete ich beinahe das ganze Badezimmer. "Hallo?", rief ich etwas genervt in den Hörer, nachdem ich abgenommen hatte. Ich hatte vorher nicht auf das Display gesehen und wusste nicht, wer dran war, bis ich Samuels Stimme hörte. Er lachte. Wieso lachte er schon wieder? "Na Kleine, stör ich dich zufällig gerade bei was wichtigem?" Im Hintergrund rauschte noch die Dusche. "Ähm...nö, wieso. Ich war nur grad duschen," antwortete ich ihm. "Ich hör's", lachte er. "Hast du Lust heute was zu machen, Kleine? Ich hätte nämlich Zeit." "Ähm...klar...ja...ich denke...ich hab Zeit...ja", stotterte ich voller Nervosität. "Ist da etwa jemand nervös?", fragte er mit diesem ganz bestimmten Unterton, wie nur er so etwas fragen konnte. "Nein, wieso sollte ich denn nervös sein, wenn ich mich mit dem farbenblinden Rapper Samuel treffe?", versuchte ich cool zu bleiben, obwohl ich verdammt nervös war. "Du stehst nur auf mich, weil ich farbenblind bin, geb's doch zu", ärgerte er mich spielerisch. "Hä klar, warum sollte ich denn sonst ständig an dich denken", erwiderte ich und hielt mir sofort die Hand vor den Mund. Ich hatte ihm schon wieder gesagt, dass ich ständig an ihn denke. "Ich auch an dich. Sag du wo und wann wir uns heute treffen und ich entscheide dann, was wir machen", schlug er vor. "Ok, dann sage ich mal 16Uhr, bei mir vor der Tür", entschied ich und nannte ihm noch meine Adresse. "Jo das passt bei mir. Ok, ich muss leider schon auflegen, aber ich freu mich auf später", sagte er und wir verabschiedeten uns, bis er auflegte. Lächelnd ging ich wieder unter die Dusche und rasierte mein Beine und auch gewisse andere Stellen meines Körpers aalglatt. Man konnte schließlich nie wissen, was heute noch so passieren würde. Nachdem ich noch etwas Netflix geschaut hatte, war es schon bald 15Uhr und ich machte mich daran mir ein Outfit für mein Treffen mit Samuel herauszusuchen. Ich konnte kaum glauben, dass wir uns heute endlich mal richtig treffen würden. Ohne Jungs, die mich flachlegen wollten, nur weil ich besoffen auf einer Party war und ohne weitere Überraschungen. Ich entschied mich bei meinem Outfit für einen blaukarierten Rock und zog dazu ein weißes T-Shirt mit einem Schmetterlingsaufdruck an. Später würde ich dazu noch weiße Sneakers und meine blaue Jeansjacke anziehen, nur für den Fall, dass es kalt werden sollte oder wir sehr spät noch draußen unterwegs waren. Beim Makeup entschied ich mich dafür natürlich zu bleiben und legte nur etwas Rouge und Puder auf und betonte meine Augen durch etwas Mascara und hellen Lidschatten. Danach machte ich mir mit meinem Lockenstab ein paar Locken in die Haare und bürstete sie danach aus. Als ich schließlich noch mein Lieblingsparfüm auflegte und ein Paar hübscher, kleiner Kreolen anlegte, merkte ich, dass es schon 16:15Uhr war und rannte schnell runter vor die Tür, um Samuel zu empfangen. Ich stand unten vor der Haustür, aber Samuel war noch nicht da. Hatte er sich etwa verlaufen? Oder war er vielleicht schon hier gewesen und wollte nicht mehr länger auf mich warten, weil ich schon 15 Minuten zu spät war? Fuck, warum musste ich unser erstes Treffen eigentlich schon wieder so verbocken? Etwas enttäuscht von mir selber rief ich ihn an, aber er ging nicht ran. Ich versuchte es noch einmal und als er wieder nicht ranging, hatte ich irgendwie so ein Gefühl. Ein Gefühl, dass da etwas nicht stimmte. Ich schrieb ihm eine Nachricht. Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, rief mich Samuel an. Ich ging sofort an. Er hatte sich bestimmt nur etwas verlaufen und wusste nicht genau, wo er hinmusste, dachte ich mir nebenbei. Aber am Telefon war nicht Samuel, sondern jemand anderes. "Hallo, Ich bin Samuels bester Freund Ben. Er hat mir erzählt ihr trefft euch heute und ich muss dir leider sagen, dass Samuel vor einer halben Stunde ziemliche Schmerzen hatte und jetzt im Krankenhaus liegt. Ihm geht's gerade gar nicht gut und deswegen wird er nicht mehr kommen. Er wollte, dass ich dir das sage, damit du Bescheid weißt", kam es aus dem Hörer. Ich war zu geschockt, von dem, was sein bester Freund da sagte und erwiderte eine Zeitlang nichts, bis er einfach auflegte. Um mich von dem Schock des Anrufs zu erholen, setze ich mich auf die Treppenstufen vor unserer Haustür und dachte nach. Plötzlich bekam ich eine Nachricht über Samuels Handy. "Wenn du ihn besuchen willst. Er liegt auf der Intensivstation im Heliumkrankenhaus, Zimmer 12", lautete die Nachricht. Ich überlegte kurz und entschied mich schließlich zu ihm zu fahren. Mit dem Bus war es nicht weit und schon nach einer halben Stunde stand ich an der Rezeption des Krankenhauses und fragte nach seinem Namen. Die Frau an der Rezeption nannte mir die Station und die Zimmernummer, in der Samuel lag. Etwas ängstlich fuhr ich mit dem Fahrstuhl in die dritte Etage und suchte nach Zimmer 12. Bevor ich reinging, klopfte ich kurz an und ging dann hinein. Samuel lag in einem Krankenhausbett und war an etliche Schläuche und Geräte angebunden. Er schlief. Als ich ihn so sah, lief mir eine Träne die Wange hinunter. Ich erhoffte mir für ihn so sehr, dass er wieder gesund werden würde. Neben seinem Bett saß ein junger Mann. Er guckte auf sein Handy und bemerkte mich deshalb erst nicht. Ich räusperte mich und er sah auf. "Bist du Luna?", fragte er wissend. Ich nickte nur. "Cool, ich bin Ben. Ich hätte nicht mit gerechnet, dass du kommst....Ich geh jetzt auch. Tschau, pass auf den Verrückten da gut auf", er lachte kurz und wartete nicht mehr auf meine Antwort, sondern verließ einfach das Zimmer. Verwundert sah ich ihm nach und setze mich schließlich vorsichtig auf Samuels Bett. Er sah so süß aus, wenn er schlief. Ich strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Es war zwar nicht mehr lange Besuchszeit, aber solange wollte ich zumindest noch hier sitzen und seine Hand halten. Ich erzählte ihm Geschichten und Dinge aus meinem Leben, auch wenn er mich vermutlich nicht hören konnte, aber ich wollte einfach für ihn da sein. Kurz bevor die Besuchszeit endete, fing eines der Geräte an Samuels Bett an zu piepen und im nächsten Moment kamen vier Krankenschwestern ins Zimmer. Sie baten mich hektisch den Raum zu verlassen und eilten an Samuels Bett. Es ging alles so verdammt schnell, dass ich nicht wusste, was los war und es auch nicht einordnen konnte. Im nächsten Moment schoben sie Samuels Bett aus dem Zimmer in Richtung der OP-Säle und ich sah, wie sehr Samuel zitterte, als würde er an einem Epileptischen Anfall leiden. Mir kamen die Tränen, ich brach zusammen und sank auf den Boden. In diesem Moment verstand ich die Welt nicht mehr. Was war mit Samuel? Würde er etwa sterben? Bitte nicht, dachte ich die ganze Zeit nur. Da waren so viele Gefühle auf einmal in mir, dass ich sie nicht mehr zurückhalten konnte und weinte und schrie und versuchte diesen unglaublichen Schmerz zu unterdrücken. Vor ein paar Stunden machte ich mich fertig für das vielleicht schönste Date meines Lebens und jetzt saß ich hier auf dem Boden des Krankenhausganges und weinte in den Armen einer besorgten Krankenschwester, weil ich vielleicht gerade den wichtigsten Menschen meines Lebens verlieren würde. Das Leben ist alles, aber niemals fair. Er schenkt uns die schönsten Erinnerungen und Momente, nur um uns an anderen Tagen in den Abgrund zu stürzen und uns unermesslichen Schmerz spüren zu lassen. Das einzige, was mir in diesem Moment noch Hoffnung gab, waren seine wunderschönen Augen, die ich jedes Mal sah, als ich meine eigenen schloss.

Between WorldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt