Vater und Sohn

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Beruhigt und zugleich auch beunruhigt saß Morzan neben seinem Sohn, der auf einer Liege in seinem Zelt lag. Die Wunden hatte er natürlich ohne weitere Probleme heilen können und die Schlacht hatten sie für sich gewonnen, dennoch war der Reiter beunruhigt. Cassian würde ihnen bestimmt nichts sagen, egal was sie machen würden. Außer natürlich, sie würden anfangen ihn zu foltern. Nasuada hatte ihn gebeten, ein paar Antworten zu erlangen, oder besser gesagt, er solle sich ein paar Antworten beschaffen. Wahrscheinlich wollte die junge Varden Anführerin ihm somit die Chance geben, sich für seinen Sohn ein wenig zu rächen, wenn man es so nennen konnte, doch Morzan war nicht gewillt, den jungen Mann zu foltern. Das Eindingen, in den Geist des Prinzen, würde er auch nur tun, wenn es wirklich nötig war. Jetzt aber, hatte Morzan wirklich keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Der Junge stand zu seinem Vater, was natürlich nichts seltsames ist. Welches Kind würde denn seinen Vater für ein paar fremde verraten? Richtig, ein Kind, dass die Wahrheit kannte.
,,Du denkst zu viel nach Morzan. Lass mich das machen. Vielleicht hört er ja auf mich. Auch wenn ich das eher bezweifle und ich diesem Königs Bastard am liebsten ein paar Gliedmaßen abbeißen würde, dafür, dass er dein Küken beinahe getötet hat. Aber wir kriegen das schon irgendwie hin.", bemerkte Variona und der Mann hörte, wie etwas vor dem Zelt landete. Die anderen Reiter halfen noch bei der Versorgung, der Verletzten, weshalb es nur Variona sein konnte. Dorn lag auch vor dem Zelt und war eingeschlafen. Ihn plagten furchtbare Schuldgefühle, da er nicht besser auf seinen Reiter aufgepasst hatte, egal, was die rote Drachin zu ihm sagte.
Ein hell rotes Auge verdeckte den kleinen Schlitz in der Zeltplane, weshalb es schlagartig dunkel wurde in dem Zelt.
,,Wie geht es ihm? Mein Küken ist traurig! Morzan wenn du diesem königstreuen Bengel nicht irgendetwas antust, dann werde ich wütend! Erst tötet er deinen Sohn fast und dann denkt mein Sohn auch noch, dass er Schuld daran ist! Das ist nicht fair!", fauchte die Drachendame noch einmal und knurrte leise.
Morzan verdrehte nur seine Augen. Um ehrlich zu sein, verspürte er auch den Drang, diesem Jungen den Hals umzudrehen, doch dann wäre er nicht wirklich anders als damals. Vielleicht würde sich sein Wahrer Name wieder ändern und Galbartorix wüsste diesen! Er hatte sich geändert und dabei würde es auch bleiben.
,,Variona, bleibst du bitte hier, und ruf mich sofort, falls Murtagh aufwacht. Ich werde jetzt mal zu unserem Prinzchen sehen.", erklärte der Reiter der roten Drachin und lief leise aus dem Zelt, um seinen Sohn nicht zu wecken.
,,Werde ich. Und pass auch auf dich auf, nicht, dass er dir auch noch einen Dolch in den Bauch rammt. Kleine Messer kann man gut verstecken. Vor allem als Mann.", grinste Variona und rollte sich amüsiert neben Dorn zusammen.
Erneut verdrehte ihr Reiter nur die Augen und ging mit hastigen Schritten durch das Zeltlabyrinth. Der Sohn des Königs war in einem der Zelte am Rande des Lagers untergebracht. Zur Sicherheit von ihm, und der der Varden. Das Zelt wurde von sechs von Nasuadas Kriegern und vier Zwergen bewacht. Es hatte sich herum gesprochen, dass dieser junge Mann, beinahe einen Reiter erledigt hatte, also wurden höchste Sicherheitsmaßnamen getroffen.

Die Krieger traten mit einem Kopfnicken zur Seite und ließen den erfahrenen Drachenreiter in das Zelt eintreten. Cassian schien zu schlafen. Er lag auf der Liege und hatte seine Augen geschlossen. Variona hatte ihn am Arm aufgekratzt, und das nicht gerade harmlos. Jedoch hatten alle dagegen gestimmt, ihn zu heilen. Der Arm war jetzt verbunden. Der weiße Verband war an einigen Stellen jedoch schon rot und an manchen Teilen auch schon braun gefärbt. Man sollte die Verletzung wirklich heilen, ansonsten würde sich das ganze sicher noch entzünden.
Sichtlich überfordert fuhr sich der Mann durchs Haar und atmete hörbar aus.
,,Ich werde auch dir nicht das geben was du willst. Ein halber Zwergenaufstand war schon hier und hat mir gedroht. Die sind ja wie Kinder.", lachte der Prinz rau und gequält.
,,Dann wäre das ja geklärt. Jemand sollte sich deinen Arm ansehen, sonst entzündet sich das Ganze noch oder du verblutest. Und da wir dich noch brauchen, kann ich das nicht zulassen. Also, darf ich mir deinen Arm ansehen, oder muss ich dich dazu zwingen? Mir persönlich gefällt die zweite Variante besser, nachdem du meinen Sohn beinahe getötet hast, aber ich will mal nicht so sein. Den Teil übernimmt gerne meine Drachin für mich. Sie hat mir schon einen sehr ausführlichen Plan geliefert. Also, muss ich die Frage wiederholen?", grinste Morzan ein wenig drohend und sah den jungen Mann scharf an. Dieser schien jetzt wirklich ein wenig eingeschüchtert zu sein.
,,Ich habe keine Angst, vor einem übergroßen Wurm mit Flügeln und Zähnen. Dann tötet sie mich eben, das ist mir auch egal, bevor ich mich hier foltern lassen kann oder sonst was. Ich werde meinen Vater nicht verraten, und dabei bleibt es auch.", sagte er dann aber uninteressiert und setzte sich vorsichtig auf.

,,Hör ml, niemand wird dich hier foltern oder sonst etwas, wenn du uns einfach das sagst, was wir wissen wollen. Du könntest sogar das Ei, das sich in unserem Besitz befindet berühren und mit nach Elesmèra kommen. Galbartorix hat nie auch nur ein kleines bisschen Interesse an dir gezeigt. Du warst nur ein nerviges Anhängsel für ihn, mehr nicht und als bei dir kein Drache geschlüpft ist, hatte er die grandiose Idee, dich ermorden zu lassen. Letztendlich habe sogar ich dagegen gestimmt. Du solltest dich mal fragen, wer mehr für dich getan hat. Der König hat dich eingesperrt, dich nicht einmal besucht, er hat dich nicht nach draußen gelassen, du hast dein ganzes Leben nur in deinen Gemächern verbracht, weil Galbartorix nicht wollte, dass man von dir erfuhr. Zumindest nicht, bevor du ein bestimmtes Alter erreicht hattest, damit du die Eier berühren konntest. Alles was der König im Sinn hat, ist sein eigenes Wohl. Warum denn sonst schickt er dich? Damit du wohl gesonnen wieder zurück kehrst? Nein, Cassian er schockt dich als seinen Hauptmann, weil er dich entbehren konnte. Er hätte doch auch Janus schicken können, oder? Einer seiner besten Hauptmänner. Aber den braucht er ja noch, also kann man ja seinen nichtsnutzigen Sohn schicken. Den braucht doch sowieso niemand. Und außerdem hat dein Vater deine Mutter eiskalt, nach deiner Geburt ermordet, damit niemand von dir wusste, oder etwas ausplaudern konnte. Willst du so einen Mann wirklich Vater nennen? Überlege doch mal, wenn du deinem Vater wirklich etwas bedeuten würdest, dann würde er dich nicht in die Schlacht schicken. Du hast keinen Drachen. Du beherrschst keine Magie. Und der größte bist du auch nicht. Zumindest nicht für dein Alter. Also, warum sonst, sollte der König dich denn dann in eine Schlacht, auch noch als Hauptmann, schicken? Weil er dich nicht braucht! Cassian, ich weiß, dass es anfangs schwer ist den Leuten zu vertrauen und sich selbst sein Unrecht einzugestehen, aber irgendwann musst du das! Du bist ein begnadeter Krieger und würdest auch einen ausgezeichneten Drachenreiter abgeben. Du musst dich und nur anschließen. Wir könnten dich auch wie ein Familienmitglied behandeln. Streng genommen, kenne ich dich ja schon seit deiner Geburt. Und wenn du dich bei meinem Sohn entschuldigst oder ihn um Vergebung bittest, wird er sicher nicht mehr allzu böse sein. Ich bin mir sicher, du könntest hier ein neues Leben anfangen. Wenn dein Vater erst einmal nicht mehr an der Macht ist, dann wird sich so vieles ändern und dann kannst du beweisen, indem du dich uns anschließt, dass du nicht bist wie dein Vater. Murtagh wurde auch immer durch mich beurteilt und so ergab es sich dann auch, dann niemand ihm vertraut hatte, er immer alleine war und auch von jedem gehasst wurde. Weil ich sein Vater bin. Und jetzt siehst du ja, er kämpft für die Varden, GEGEN den König. Warum solltest du uns also nicht auch beweisen können, dass du besser bist als dein Vater? Junge, du bist jung! Dir steht nichts im Weg, den Schatten deines Vaters abzuschütteln und dein eigenes Leben zu leben. Nicht das, als der Sohn des falschen Königs, der das ganze Land versklavt und jegliche Aufstände erbarmungslos abgeschlachtet hat. Ich bin mir sicher, dass du auch mal eine Familie haben wirst und Kinder, die sich dann nicht in ihrem Haus verstecken müssen, weil jeder weiß, dass du der Sohn von Galbartorix bist und genauso bist wie er. Du musst dein Schicksal nicht annehmen. Du kannst es ändern. Also, ich werde jetzt deinen Arm heilen, wenn du es mir erlaubst und dann gebe ich dir Zeit bis Sonnenuntergang um dir das ganze durch den Kopf gehen zu lassen. Ich werde veranlassen, dass man dir etwas zu essen bringt. Du musst hungrig sein.", meinte Morzan nachdenklich und trat auf den jungen Mann zu.

Der Drachenreiter glaubte wirklich, dass seine Worte den jungen Mann vor ihm zum nachdenken veranlasst hatten.
Vorsichtig setzte er sich neben diesen und nahm sich dessen Arm, ehe er vorsichtig den Verband entfernte. Er zog zischend die Luft ein und betrachtete die Wunde. Morzan drehte den Arm ein wenig um sich einen Überblick über die Verletzung des Prinzen machen zu können.
Danach suchte er die passenden Worte und sprach sie in Gedanken aus. Das war zwar sehr gefährlich, doch für einen so erfahrenen Drachenreiter wie ihn, ein Kinderspiel.
,,Danke.", murmelte Cassian leise und wagte es noch immer nicht den anderen Mann anzusehen. ,,Kein Problem. Ach und Cassian, vergeude diese Chance nicht. Dir wird sich nicht oft eine solche bieten. Also, überlege es dir gut. Wir würden uns über einen weiteren Krieger freuen. Und vielleicht wartet auch schon ein kleiner Drache auf dich. Immerhin war doch der erste Drache deines Vaters auch schwarz. Dorn ist doch auch rot, und Saphira blau. Murtaghs Drache hat dieselbe Farbe wie der meine. Und der von Eragon dieselbe wie die seines Vaters. Deine Chancen stehen also recht hoch.", damit verließ Morzan zufrieden das Zelt und lief zurück zu seinem Sohn.

Als Murtagh langsam seine Augen öffnete, erkannte er durch den kleinen Spalt in der Zeltplane, dass es schon dunkel geworden war und der Mond fahl vom Himmel schien. Langsam kehrten seine Erinnerungen zurück, weshalb er sich sofort seine Hand ansah und dann an seinen Bauch griff. Nichts. Er verspürte weder Schmerz noch fühlte er sich irgendwie geschwächt. Er war nur ein wenig müde. Hatten sie die Schlacht gewonnen? Ruckartig setzte er sich auf und sah sich genauer um. Was wenn er sich in einem feindlichen Zelt befand?!
Alles sah normal aus.
,,Kleiner! Du bist wach, wie geht es dir!", rief Dorn sofort und steckte seinen roten Kopf in das Zelt. Er war wirklich glücklich.
,,Es geht schon. Haben wir gewonnen?"
,,Ja! Was denkst du denn?! Ich habe jedem den Kopf abgerissen, der meiner Mutter, dir und deinem Vater zu nahe gekommen ist, während sie dich in Sicherheit gebracht haben. Dein Vater spricht übrigens gerade mit Cassian. Er ist den ganzen Tag hier gesessen und jetzt, wo du aufwachst und etwas zu essen, zu trinken und mehr Decken brauchst ist niemand da! Ich bin gleich wieder da. Nicht weggehen!", knurrte Dorn und stapfte davon. Ein wenig amüsiert warf Murtagh seine Beine über die Bettkante und stand vorsichtig auf. Es war schon recht kalt in dem Zelt und Dorn hatte wirklich recht gehabt. Er brauchte noch ein paar Decken.
Vor dem Zelt, landete Dorn und trottete rasch auf Murtagh zu.
,,Rein da mit dir! Sonst wirst du mir noch krank!", knurrte der rote Drache und breitete seine Flügel aus, um den Jungen wieder zurück in das Zelt zu scheuchen. Grinsend betrat der Sohn Morzans das Zeltinnere wieder und wartete auf Dorn.
,,Hol dir die Satteltasche runter. Darin sind zwei Decken und etwas zu essen. Angela bringt dir gleich noch einen Tee. Und wenn ich dir das nächste Mal sage, du sollst nicht weggehen, dann meine ich verlasse ja nicht das Zelt! Damit wir uns verstehen. Ich hatte solche Angst um dich Kleiner. Du hättest mich rufen müssen.", sagte Dorn vorwurfsvoll und stupste seinen Reiter vorsichtig an. Er hatte wieder seinen Kopf in das Zelt gesteckt und ließ sich von Murtagh ein wenig kraulen.
,,Ich weiß, Dorn. Aber ich konnte mich nicht wirklich konzentrieren mit einem Dolch im Bauch. Ich hoffe du nimmst mir das nicht übel.", lächelte der Junge schwach und strich über den schuppigen Drachenkopf.
,,Ist schon okay. Jetzt hol dir endlich die Satteltasche hinunter, dir ist kalt und du musst etwas essen. Dein Magen knurrt schon so laut, dass das selbst einen Drachen übertönt, mein Kleiner.", schmunzelte der Drache und legte sich kurz hin. Jedoch musste Murtagh noch einmal nach draußen gehen, damit er an den Sattel des roten Drachen gelangen zu können. Kaum, dass er die Tasche hatte, scheuchte Dorn ihn auch wieder in das zelt hinein und legte sich hin, sodass sein Kopf im Zeltinneren war. Grinsend packte Murtagh die Decken und das Brot aus. Er wickelte sich in die Decken und begann langsam an dem Brot zu nagen. Was würde er nur ohne diesen Drachen tun?

Morzans VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt