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Zwei tränenreiche Tage später und Dani entschied Aydins Vorschläge übertrafen meine bei weitem. Eis, Alkohol und Netflix, verloren gegen die Party bei einem zwielichtigen Fremden.

Danis Herzschmerz übertrumpfte meinen, also zählten ihre Wünsche mehr. Außerdem suchten wir alle drei Zerstreuung. Mehr als Süßkram und eine gesamte Serienstaffel zu bingen bieten konnte. Der Überzeugung war zumindest Aydin. Und Dani wollte nichts mehr, als Bobby vergessen und die Trennung dazu zu nutzen, schlechte Entscheidungen zu treffen. In Form nicht ganz vertrauenswürdiger Collegegranaten. Ich schwor sie davor zu bewahren.


Bereit für Schandtaten wanderte wir die spärlich beleuchtete Straße am Rande der Stadt entlang und folgten dem Gehämmer viel zu lauter Bässe, das durch die Nacht dröhnte.

Dani, geschminkt im Minikleid, Aydin mit offenem Hemd über der engen Jeans; er zitterte am ganzen Leib vor Kälte und ich im Hoodie und dicker Jacke, das Haar schlampig zusammengewurschtelt. Mein Aussehen zeigte meinen Elan für den Abend. Eine Rüstung vor den vielen Fremden, der schmuddeligen Gegend, die mich beunruhigte und mein sichtbarer Trotz, dass ich eine Party besuchte, auf der sich keine reizende Heaven herumtrieb.

Zwar hatte ich meine Traumfrau die ganze Woche erfolgreich ignoriert, dennoch steigerte ihre Anwesenheit meine Motivation mich aufzubrezeln extrem.

Aus einem hellerleuchteten Gebäude ein paar Meter entfernt, stürzte ein Mann mit Glatze und in engen Unterhosen aus dem Garten. Er blickte uns an, gackerte hysterisch und kotzte mitten auf die Straße. Dann wankte er zurück durchs schiefhängende Gartentor.

„Wir sind da.", verkündete Aydin gut gelaunt.

„Dein Ernst?", murrte ich.

Dani trat näher zu mir, ihre eiskalten Finger schlossen sich fest um meine Hand.

„So schlimm ist es doch gar nicht. Schau nur, die haben Lichterketten im Garten.", sagte sie.

Ein helles Kreischen zerriss die Nacht, gefolgt von einem Grölen, dass ich nur als Brunftschrei eines Elchs beschreiben konnte.

„Rein mit uns."

Aydin schritt voran und Dani zerrte mich hinter sich her.

„Ich hass euch manchmal ein bisschen."

„Ach was. Du liebst uns. Sonnenschein."

Dani kniff mir in die Wange. Die Euphorie kaufte ich ihr nicht ab. Das gebrochene Herz machte sie unzurechnungsfähig. Bei ihrer letzten Trennung hatte dieser Zustand zwei Monate angehalten, dann hatte sie Bobby getroffen. Das Single-Dasein bekam ihr nicht gut. Meine Freundin brauchte Liebe um zu ihrem klugen, in sich ruhenden Selbst zurückzufinden. Keine schöne Lösung, aber die Realität. Deshalb wünschte ich ihr einen neuen Bobby.

Ich musterte das kleine Haus kritisch, bevor wir es betraten. Farbe blätterte von den Wänden, Reifen und Mullsäcke türmten sich im Garten und es stank nach Zigaretten und Gras. Hier konnten wir nur eine Billigversion von Bobby finden. Im Sonderangebot bei Walmart, mit extra Suchtproblem.

Ein Mädchen mit verwirrtem Blick drängelte sich an uns vorbei. Ihre Bluse offen, der BH verrutscht. Sie lächelte Aydin an. Dieser grinste zurück und schob sie von sich.

„Drogenhölle.", murrte ich.

Hier würde ich sicher nichts trinken, oder essen.

„Ich geh rein. Meinen Grindr Hottie suchen. Er heißt übrigens Felix. Und Poppy. Sorry aber..."

Aydin beugte sich zu mir und flüsterte:

„Heaven ist hier."

Mein Herz schlug einen Purzelbaum. Doch ich realisierte schnell, dass ich Aydins Worten keinen Glauben schenken sollte. Er führte mich zu gern hinters Licht.

„Verarschen kann ich mich selbst.", zischte ich und störte Aydin dabei, wie er Dani ebenfalls etwas ins Ohr flüsterte. Die Augen meiner Freundin wurden riesig und sie schlug die Hände vor den Mund.

Wieviel Unheil wollte mein Kumpel noch anrichten? Ich hob die Hand, um ihn an den Haaren zu ziehen, doch Aydin wehrte sich und lachte.

„Ich lüg nicht. Ganz ehrlich! Ich hab meine Quellen. Alles was ich gesagt hab ist wahr und auch bei dir Dani. Ich glaub es ist am Besten so. Und du Poppy..."

Er klopfte mir kräftig auf die Schulter.

„...brauchst dringend jemanden zum rummachen. Heaven ist bestimmt wieder besoffen genug dafür."

Fassungslos starrte ich ihm hinterher, als er in der Rauchwolke, die aus der geöffneten Haustür drang, verschwand.

Manchmal fragte ich mich ob Aydins Lösungswege dazu dienten uns zu helfen, oder er sich nur zu gern auf unsere Kosten amüsierte.

Dani stand immer noch still. Tränen hingen in ihren Augen.

Ich rubbelte über ihren Rücken. Das half gegen die Kälte und bei allen Sorgen.

„Was hat er dir gesagt? Schatz."

„B-Bobby kommt hier her."

Panisch begann sie sich umzusehen und zog ihr Kleid, das knapp unter ihrem Po endete, weiter nach unten. Erfolglos. Der stramme Stoff wanderte gleich wieder nach oben.

„Bobby kommt und ich seh aus wie eine Hure! Er wird sofort wissen was ich vor hatte."

„Unsinn.", rügte ich.

Sanft legte ich beide Hände um ihre Wangen und zwang Dani mich anzusehen.

„Du siehst nicht aus wie eine Hure. Du siehst nie aus wie eine Hure. Und du schuldest Bobby gar nichts. Ihr seid nicht mehr zusammen. Er kann also nicht erwarten, dass du ihm treu bleibst. Wieso kommt er überhaupt?"

Dani blinzelte ein paar Mal und holte tief Luft. Meine Hände rutschten auf ihre Schultern. Sie schien den ersten Schock überwunden zu haben.

„Aydin hat ihm geschrieben was wir vorhaben. Und Bobby hat ihn nach der Adresse gefragt. Das heißt doch er kommt. Nicht wahr?"

Ihre Worte klangen so hoffnungsfroh. Eine Woche glich ohnehin nur einer Sekunde, wenn Liebe im Spiel war. So schnell heilte ein gebrochenes Herz nicht.

Obwohl ich Bobby nicht mochte, sollte er seinen Hintern auf jeden Fall hierher bewegen. Damit ich nicht dabei zusehen musste, wie die Aufregung und Vorfreude im Gesicht meiner besten Freundin in Enttäuschung umschlugen.

In dem Moment bremste ein Auto heftig auf der Straße vor dem Haus. Eine Tür knallte und ein Rosenkavalier stürmte durchs Gartentor, ein Strauß Blumen in den Händen.

Eifersucht wirkte scheinbar Wunder. Bobby war gekommen, um seine Liebste zurückzugewinnen.

Ich bezweifelte, dass ich bei Heaven mit derselben Taktik irgendein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt hätte.

Hey, Heaven (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt