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Als die Band anfing zu spielen, versammelte sich die Menge und verbarg uns im Gewühl.

Obwohl ich mich unnachgiebig im Griff hielt, nicht nach einem Pferdeschwanz aus dunkelbraunem, welligem Haar mit hellblauer Schleife Ausschau zuhalten, suchte ich ein paar Mal über alle Köpfe hinweg. Halb enttäuscht, halb erleichtert, akzeptierte ich, dass die Cheerleader nicht lange geblieben waren.

Nach ein paar tiefen Atemzügen fügte ich mich zurück in die bessere Lösung. Die Einzige, die mir blieb. Ein Leben getrennt von Heaven.

Der Abend schritt voran und nach meinem vierten Kakao, ließ ich Dani allein um einen Waschraum aufzusuchen. Dani, stets vernünftiger als ich und mit einer gesunden Abscheu für öffentliche Toiletten ausgestattet, nippte immer noch an ihrem ersten Becher.

Als ich mich durch die Menge drängelte, blubberte Aufregung in mir hoch. Denn irgendwo hier, konnte Heaven noch sein. Alles Mögliche konnte passieren. Vielleicht rempelte ich sie aus Versehen an, oder ging an ihr vorbei, beim Pommes Stand.

Danis Stimme in meinem Kopf schalt mich einen Idioten, doch ich malte mir die schönsten Szenarien aus und der Gang zu den Toiletten bekam etwas Zauberhaftes.

Überall erwartete ich eine Gruppe kichernder Cheerleader und meine Ersehnte zwischen ihnen.

Nichts geschah. Niemand, mit braunem Haar und bezaubernden Augenaufschlag, hinter dem ein grünes Meer ruhte, schlüpfte aus den Schatten. Nur eine Oma meckerte mich an, als ich ihren Weg nicht schnell genug kreuzte.

Auf dem Weg zurück zur Bühne träumte ich nicht mehr, bereit sich der harten Realität zu stellen. Diese Liebelei hatte ihr Leben schon vor einem Monat ausgehaucht. Am liebsten hätte ich angefangen zu heulen.

Jemand rempelte gegen mich.

„Ah Sor..."

Die Entschuldigung blieb mir im Hals stecken. Heavens Augen vernebelt, blinzelte sie ein paar Mal, doch schaffte es scheinbar nicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie schüttelte den Kopf und grinste übertrieben.

„Da bist du. Die kleine Poppy."

Sie zog an meinem Haar.

Diese Heaven kannte ich zu gut. Unsere Tragödie hatte genauso angefangen.

Ein stockbetrunkenes Mädchen im Wald.

Chaos tobte durch meinen Kopf. Alle Lösungen für die Situation wirbelten durcheinander. Reines Verlangen versuchte die Oberhand zu erringen.

Wie damals wollte ich sie küssen und alle Konsequenzen vergessen.

Aber diesmal war alles anders. Wir befanden uns in der Öffentlichkeit, mit zu vielen neugierigen Augen rundherum, um verbotene Dinge zu entdecken.

Zu meinem Glück. Die Menschen, die an uns vorbeidrängelten, erinnerten mich an die Vernunft und meine vielen guten Vorsätze.

Schweren Herzens schob ich Heaven etwas weiter von mir. Mehr Abstand, für klare Gedanken.

„Wo sind deine Freunde?", fragte ich.

Mein sanfter Tonfall stellte andere Fragen. Als ob ich erfahren wollte, ob sie mich auch zu sehr mochte.

Heaven kicherte. Das half mir nicht gerade weiter.

„Heaven. Hör mir zu. Ich bring dich zurück zu deinen Freunden."

Sie legte ihre Hände auf meine Schultern. Die Berührung jagte mir einen Schauer über den Rücken, obwohl mehrere Lagen Stoff unsere nackte Haut voneinander trennten.

Das Schicksal lachte mich aus. Nur um sich zu amüsieren, hatte es mir Heaven in die Arme geworfen. Ich hegte keinen Zweifel daran.

Meine Worte drangen nicht durch. Fasziniert zupfte Heaven an meinem Mantel.

Also lag es an mir, die richtigen Entscheidungen zu treffen. In diesem Fall gab es nur die Lösung, Heaven in die sichere Mitte ihrer Freunde zurück zu bringen. So schnell wie möglich. Kein lüsternerer Gedanke durfte die Zeit bekommen, sich auszubreiten. Und kein sehnsüchtiges Gefühl.

Ein Rundumblick half mir nicht weiter. Keine Cheerleader weit und breit.

„Komm mit.", befahl ich.

Heaven rührte sich nicht.

„Ich bin kein Hund.", zischte sie.

„Ok. Kannst du also bitte mitkommen?"

Sie legte den Kopf schief und lächelte. Ihr langer Pferdeschwanz rutschte über ihre Schulter. Kunstvolle Korkenzieher Locken an den Enden ihrer Haare. Meine Finger kribbelten sie zu berühren.

„Nein. Hab keine Lust."

Der Drang Heaven anzumotzen, dass mich ihre Lust überhaupt nicht interessierte, stieg in mir auf und begann mich auszulachen. Denn ihre Lust war alles was mich interessierte. Wenn ihre Lust nur...ich räusperte mich, um den Gedanken zu verdrängen.

Vernünftig bleiben. Ich hatte schon die schlimmste Durststrecke überstanden. Diesen Erfolg aufzugeben und auf Aydins 20 Dollar und blödes Gesicht zu verzichten, konnte ich nur als grobe Dummheit bezeichnen.

„Also dann warte bitte hier. Ok?"

„Bist du doof? Warum soll ich hier in der Kälte stehen?", sagte Heaven.

Ich hatte keine Verpflichtungen Heaven gegenüber. Wenn ich sie einfach stehen ließ, konnte mir niemand einen Vorwurf machen. Die kleine Zicke. Irgendjemand würde sie schon aufgabeln.

Trotzdem blieb ich bei ihr. Weil die Sorgen mich auffressen würden, wenn ich sie allein ließ. Außerdem wirkten ihre Beleidigungen gestellt und zahnlos. Mich beschimpfen konnte sie normalerweise besser. Es fehlte die pure Verachtung in ihrem Tonfall, die sie sonst für mich reserviert hatte.

Natürlich konnte der Alkohol das Biest in ihr im Zaum halten, aber vor ein paar Monaten hatte sie mir dafür bereits das Gegenteil bewiesen.

Also versuchte ich es nochmal mit Freundlichkeit. Wie ich es immer tat, weil ich Heaven liebte.

„Willst du nicht zurück zu deinen Freunden? Wenn du mit mir kommst, können wir sie gemeinsam suchen."

Heaven lachte auf. Ganz klar empört.

„Wieso behandelst du mich wie ein Kind, das die Mama auf den Rummel verloren hat? Ich brauch das nicht. Gar nicht."

Sie klang so verletzt. Immer wieder hatte ich mir vorgestellt, sie mit Worten zu besiegen, ihr das angedeihen zu lassen, was sie mir antat. Doch diesmal wollte ich ihr nur Freundlichkeit geben. Distanzierte Nettigkeit. Das Beste, was ich ihr geben konnte.

Hatte sie mir das nicht zu verstehen gegeben, als sie mich weggestoßen hatte?

„Ich will dir nur helfen. Heaven."

Trotzig verschränkte sie die Arme und funkelte mich wütend an.

„Oh nein. Du willst mich so schnell wie möglich loswerden."

Nach einem Schritt auf mich zu, hing sie mir um den Hals, das Gesicht direkt vor meinem.

„Sei nicht so. Poppy. Sei nicht langweilig. Dann hatte meine Mutter damals Recht. Ich spiel doch gern mit dir."

Mein Herz flatterte gefährlich in meiner Brust. Als hätte soeben der letzte Moment meines Lebens begonnen.

Hey, Heaven (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt