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Von der ganzen Welt allein gelassen, blieb ich auf einer Party zurück, wo der einzige Freund, den ich kannte, mit seinem Schwarm auf Nimmerwiedersehen in der Besenkammer verschwunden war.

Bobby und Dani waren weggefahren, um in Ruhe miteinander zu reden und obwohl ich nur wollte, dass sie bei mir blieben und mich vor den Fremden beschützten, hatte ich sie mit einem Lächeln und Winken ziehen lassen. Als Freundschaftsdienst für Dani. Es gab eine Chance für sie Bobby zurückzugewinnen, natürlich unterstützte ich sie dabei.

Heaven sah ich nirgendwo und ich bezweifelte, dass sie sich freiwillig in so eine Abrisshütte begeben hätte. Wie so oft hatte Aydin die Möglichkeit genutzt, sich über mich lustig zu machen.

Also entschied ich mich nach Hause zu gehen. Ich boxte mich durch das schummrige Wohnzimmer, durch die dichtgedrängte Menge, Richtung Haustür. Die Luft voller Rauch, sah ich eine bekannte Silhouette, perfekte Rundungen und langes Haar, doch glaubte meiner eigenen Vermutung nicht. Ich meinte nur Heaven zu sehen, weil ich es mir zu sehr wünschte. Dennoch klopfte mein Herz schneller. Wahrscheinlich, weil die dicke Luft voller Nikotin und Gras mich langsam erstickte. Kein anderer Grund. Mein Überlebensdrang schlug Alarm.

Das Mädchen im kurzen Rock, mit den dunklen Haaren rannte nach draußen und ich folgte ihr. Nur weil ich sowieso hatte gehen wollen.

Sie stürmte aus dem Vorgarten und ich kam hinterher, schneller als geplant.

„Jetzt Heaven! Warte. Sei nicht so zickig.", brüllte eine tiefe Stimme.

Ein Mann drängelte sich an mir vorbei. Breite Schultern und dunkles Haar. Ich erkannte ihn sofort.

Jamie, Heavens Freund.

Fassungslos blieb ich beim Gartentor stehen. Aydin hatte mich nicht angelogen.

„Nein!", kreischte Heaven, als Jamie versuchte ihre Hand zu nehmen. „Nein! Es reicht ganz ehrlich. Du widerlicher Bastard."

„Ach ja. Als ob du nicht mit Oliver und Peter rumgemacht hast. Du Schlampe."

Jamie packte seine Freundin am Handgelenk und riss sie grob zu sich her. Die Tränen rannen Heavens Wangen herunter. Ihre roten, verquollenen Augen weit aufgerissen. Sie versuchte sich loszureißen, doch zerrte erfolglos.

„H-hey! Lass sie!", rief ich.

Auf der Stelle erstarrt, ballte ich die Fäuste. Ich mischte mich nie ein. Weil ich unsichtbar bleiben wollte. Für meinen eigenen Frieden. Aber ich konnte es nicht ertragen mitanzusehen, wie mein Schwarm so grob behandelt wurde.

Die Köpfe der Streitenden fuhren zu mir herum. Blanke Wut auf Jamies Gesicht. Schreck wusch über Heavens Züge, doch dann presste sie die Lippen fest aufeinander. Mit einer Mischung aus Zorn und Frust funkelte sie mich an.

„Misch dich nicht ein.", zischte sie und wandte sich wieder ihrem Freund zu

„A-Aber..."

So leicht gab ich nicht auf.

„Du hast sie gehört. Oder?", motzte Jamie.

Sein barsches Verhalten schlug mich nicht in die Flucht, aber Heaven, die eindeutig das Wort „verschwinde" mit den Lippen formte, schaffte es mich zu vertreiben.

„A-ah sorry.", stammelte ich.

Verlegen trottete ich an ihnen vorbei, ohne sie noch einmal anzusehen.

In die Streitereien von Pärchen mischte man sich nicht ein. Das wusste ich eigentlich.

Ich bummelte die Straße hinunter. Unsicher was ich tun sollte.

Heaven und ihr Freund schrien sich immer noch an. Umso weiter ich mich entfernte, umso mehr verloren sich die Worte, bis mich nur noch lautes Stimmengewirr begleitete.

Da in mir zwei Ideen miteinander kämpften, blieb ich schließlich stehen.

Wenn ich zurückging konnte ich Aydin suchen und ihn dazu überreden mich nach Hause zu begleiten. Den langen Weg allein zu gehen, ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen.

Nebenbei konnte ich nochmal einen vorsichtigen Blick auf Heaven wagen, um nachzusehen, ob es ihr gut ging.

Wenn ich einfach weiterging, kam ich schneller nach Hause und konnte den schrecklichen Abend hinter mir lassen. Dann machte ich mich auch nicht mehr vor Heaven zum Affen.

Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als eine Türe laut knallte und das dazugehörige Auto eine Sekunde später Vollgas an mir vorbeibrauste.

Rasche Schritte ertönten hinter mir. Das Klappern von Stöckelschuhen auf dem Asphalt.

„Hey Poppy. Wart Mal."

Süßes Gift. Die Stimme verteilte Gänsehaut über meinen Körper.

Wegrennen war die beste Lösung. Ohne zurückzusehen.

Ich drehte mich um und blickte Heaven entgegen.

„Was willst du?"

Sehr bemüht darum unfreundlich zu wirken, überkreuzte ich die Arme vor der Brust.

Heaven blieb ein wenig entfernt von mir stehen. Verlegen zupfte sie an ihrem langen Jackenärmel, der die Hälfte ihrer Hand mit bedeckte.

„Du gehst auch nach Hause. Oder? Ich glaub wir müssen in dieselbe Richtung. Wir können zusammen gehn."

Das spärliche Licht der Straßenlaterne flackerte, sie tauchte Heavens süßes Gesicht ins Dunkel. Ich unterdrückte den Drang näher zu treten, um sie besser anzusehen zu können. Ich unterdrückte die Worte, die aus mir hervorsprudeln wollten. Ich unterdrückte so vieles.

Fester presste ich die Fäuste zusammen, dass sich sogar meine kurzen Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen bohrten.

Heaven strich sich nervös das Haar hinter ihr Ohr und lächelte unsicher. Was spielte sie mir hier vor?

„Warum gehst du nicht mit deinen Freunden?"

Als eisigen Wind schickte ich ihr meine Ablehnung und fröstelte dabei selbst. Von der herbstlichen Kälte, aber auch, weil mein Innerstes sich gegen die Worte auflehnte. Ich wollte ihr meine Hand hinstrecken und sie nach Hause bringen. Einsam unterwegs in dunklen Gassen. Es gab viel zu viele Szenarien, die mir mein Gehirn ausspuckte. Alle das Gegenteil meines Entschlusses Heaven fernzubleiben.

„Die sind nicht hier. Ich war mit Jamie allein und der ist grad ohne mich weggefahren."

Ja natürlich war Jamie verschwunden, weil die beiden ein furchtbares Paar abgaben. Selbst nach ihrem schlimmsten Streit hätte Bobby Dani nie im Dunkeln, in so einer schlechten Gegend, allein gelassen.

„Jetzt tu nicht so. Poppy. Du willst doch sicher auch nicht allein gehen."

Heaven funkelte mich an und ich drehte mich um und ging. Langsam. Innerlich beglückwünschte ich mich zu meiner Entschlossenheit und horchte gleichzeitig auf ihre Schritte. 

Nach einer kurzen Pause hörte ich das Klappern ihrer Stöckelschuhe. Sie folgte mir.

Hey, Heaven (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt