Der Schweiß lief mir von der Stirn. Das Herz raste. Mein Atem stieß schwer gegen die Maske.
„Wieder nicht geschafft.", stöhnte ich und ließ mich völlig erschöpft auf die Pritsche fallen. Seit fast vier Jahren tobte dieser Virus und wir konnten nichts tun, außer dabei zu zusehen, wie es unseren Patienten Tag für Tag schlechter ging. Das Absehbare trat in achtzig Prozent aller Fälle ein.
Der Tod. Mein täglicher Begleiter.
Ich war Krankenschwester geworden, um Menschen zu helfen und nicht, um dabei anzusehen, wie sie wie die Fliegen starben. Hier gab es nichts mehr zum Helfen. Hier gab es nur noch Schmerzen lindern.
Der Virus mutierte immer schneller. Zu Beginn war er vergleichsweise harmlos. Fieber, Husten, ein paar hunderttausend Todesfälle. Die Pandemie breitete sich innerhalb weniger Monate aus. In Wuhan gestartet, flog er First Class um den Planeten.
Im Frühjahr 2020 dachten wir alle, wir könnten ihn stoppen. Alle Länder zogen mit und impften ihre gesamte Bevölkerung. Doch nach dem ersten Rückgang der Infektionszahlen kam die Ernüchterung.
Der Virus mutierte.
Und das tat er immer und immer wieder. Jedes Mal, wenn die Wissenschaftler dachten, sie hätten den Code geknackt, die Weltformel berechnet, entschied sich dieser verdammte Virus einen neuen Weg einzuschlagen. Als wäre er ein denkendes Wesen, veränderte er seine genetische Struktur immer wieder.
Die Symptome wurden dabei immer schlimmer. Was anfangs mit Fieber, Husten und Verlust des Geschmackssinnes begann, endete vier Jahre später mit dem Absterben des Magen-Darm-Traktes, einer Lungenembolie und dem Verblassen der Hirnaktivitäten. Covid-19 verwandelte unsere Patienten innerhalb weniger Tage in dahinvegetierende Fleischklumpen.
Inzidenz- oder Infektionszahlen interessierten niemanden mehr. Es gab nur eine Zahl die Bedeutung hatte.
Die Zahl der Lebenden.
Und diese galt es so hoch wie möglich zu halten. Innerhalb von vier Jahren hatte dieser Virus in Deutschland rund dreißig Millionen Tote zu verantworten. Weltweit waren es knapp drei Milliarden.
Wir Menschen starben wie die Fliegen. Dabei gaben Menschen wie ich, Krankenschwestern, Ärzte und Wissenschaftler Alles dafür, endlich dieser Fliegenklatsche namens Corona-Virus die Schlagkraft zu nehmen.
Ich schälte mich aus den unendlichen Schichten des Schutzanzuges und kuschelte mich in die kratzige Baumwolldecke. Der Ruheraum war der einzige Ort auf dem ganzen Planeten, wo ich mich von den Torturen der letzten dreizehn Stunden fallen lassen konnte.
Ich war ausgelaugt und hatte trotzdem Bereitschaft. Die hatte ich seit dreiundzwanzig Wochen. Ich wollte einfach nur schlafen und gab den Gewichten an meinen Augenlidern nach.
Nach fast dreiundzwanzig Stunden auf den Beinen, brauchte es nicht einmal eine Sekunde, um mich in einen erholsamen Schlaf zu ziehen. Selbst zum Träumen war mein Hirn zu müde. Ich fiel in den Schlaf der Gerechten und gönnte meinem ausgelaugten Körper ein Bisschen Ruhe.
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30 Minutes to Utopia
Science FictionAm 31. August 2024 tobt das Corona-Virus schlimmer denn je. Die Krankenschwester Hanna kämpft seit Monaten gegen die immer schlimmer werdenden Symptome der Patienten. Um 03:00 Uhr nachts beginnt eine 30 minütige Reise, in welcher sich Hanna und ihre...